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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 9.1893-1894

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Pecht, Friedrich: Die Jahresausstellung 1893 der Künstlergenossenschaft zu München, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11970#0053

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von Fr. pecht.

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Hirtin. von I. F. Millet.

besser sind die Porträts der Engländer Watts und Stott von Oldham oder Tiratellis „Fest in
Ceccano" u. a. m. — Der in ihrer Art so einzig dastehenden Leistungen Böcklins habe ich da noch gar nicht
gedacht, obwohl seine Venus Anadyomene, Heimkehr, Pieta, Prometheus, Flora der ewigen Tauer nicht weniger
sicher sein dürften, als die meisten anderen.

Das ist aber schon sehr viel, wenn man es beisammen auf einer einzigen modernen Ausstellung
findet! Sie bereitet einem halbwegs gewissenhaften Berichterstatter aber auch dadurch am meisten Kummer,
daß er so vieler hoffnungsvoller Anfänger wie selbst fertiger Meister nicht gedenken kann, weil die Masse des
Gebotenen einmal zu groß ist, um überhaupt bewältigt werden zu können. So müssen wir Bärenfängers
liebliches Kinderbild, wie Scheurenbergs köstliche Idylle von „Marias Begegnung mit einem Hirtenknaben"
auf sonniger Aue erst jetzt nachtragen, und doch ist dies treffliche Bild durch seine ächt deutsche Schönheit
eines der ansprechendsten (s. Heft 1). Eine strengere Sichtung und Ausscheidung des Mittelmäßigen wird sich
aber doch in der Zukunft bald als unerläßlich Herausstellen, weil man 2500 Bilder überhaupt nicht mehr über-
sehen kann. Die Ausstellung wäre darum unendlich genußreicher, wenn man mindestens noch ein Drittel ihrer
Werke ausgeschieden hätte, die doch aus, wenn auch meist ganz achtbarer Marktware bestehen.

Ein bloßer Markt soll aber eine solche Veranstaltung niemals sein, das entweiht sie, und die
Secessionisten haben in diesem Stück ganz recht, wenn sie solche Herabwürdigung perhorreszieren. Damit ist
freilich nicht gesagt, daß man bloß das malen dürfe, was dem Publikum unverständlich oder widerwärtig ist.
— Ganz im Gegenteil kann man den Künstlern nie genug einprägen, daß die Kunst nicht für sie, sondern für
die Nation da ist, diese zu erheben, zu veredeln oder doch zu rühren und zu erschüttern hat, daß es sich bei
ihr überhaupt nicht um Kunststücke und leeres Virtuosentum, sondern vor allem um Allgemeinverständlichkeit
handelt, die allen wahrhaft großen Kunstwerken denn auch von jeher eigen war.
 
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