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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 9.1893-1894

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Railleur, Jean: Die neueste Richtung in der Malerei und "Quelque chose" von P. L. Asieurs
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https://doi.org/10.11588/diglit.11970#0057

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S8

Die neueste Richtung in der Malerei re.

zahlreichen Mußestunden zum Studium der Kriegsgeschichte
und teilte mir erst gestern mit, daß er jetzt die
Napoleonischen Kriege sehr eingehend studiere.

„Ah, Sie kommen gerade recht, Oberst", rief ihm
Frau von S. zu. „Wir sprachen gerade von »Quelle
ckose« und stritten uns darüber, was es eigentlich vor-
stelle. Wir sind ziemlich verschiedener Meinung darüber."

„Was es vorstellt? Aber ich bitte Sie, meine
Herrschaften, wie kann man darüber streiten, wie kann
man darüber verschiedener Meinung sein? — Die Schlacht
bei Jena stellt es vor! Sahen Sie nicht in der Mitte
den Kaiser, umgeben von seinen Generälen. Seitwärts
versuchen die Prussiens durch einen Hohlweg zur Höhe
des Landgrafenberges emporzudringen! Vergebliche An-
strengungen!"

„Sind Sie auch dieser Meinung, mein Herr?" fragte
ich meinen Nachbar. Es war der junge Herr B. Er ist
erst vor kurzem aus dem Kloster zurückgekehrt, wo er,
da seine Eltern tot sind, seine Erziehung genossen hat.
Er ist, trotz seines bedeutenden Vermögens von einer
unglaublichen Schüchternheit.

„Nein— o nein!" stammelte er verlegen. „Wissen
Sie, ich möchte das Bild kaufen. Ein zu anziehendes
Gesicht, diese junge Dame! Und diese graziöse, fast
möchte ich sagen, kokette und doch dabei so unendlich
keusche Haltung! Und dieses Auge! Ja ich möchte das
Bild kaufen! Mein Vormund sagt zwar, es wäre etwas
teuer und der Preis von fünfmalhunderttausend Franks
würde den dritten Teil meines Vermögens verschlingen,
aber was macht das? Nun, wenn ich mich nicht mit
ihm einigen kann, so werde ich ja in Kürze mündig und
dann weiß ich, was das Erste ist, was ich thun werde!"

Ich wünschte ihm Glück zu seinem Vorsatz und be-
merkte ihm, er möge doch seinen Vormund darauf auf-
merksam machen, daß es eigentlich keine schlechte Kapital-
anlage sei, wenn er das Bild erwürbe. Fünfmalhundert-
tausend Franks scheine allerdings viel für eine Leinwand
von kaum einem Quadratmeter, aber wenn man, wie
der bisherige Besitzer, das Bild öffentlich ausstelle und
wie dieser bloß zehn Franks Eintritt nähme, obgleich
man dieses Eintrittsgeld gern um das Doppelte erhöhen
könnte, so würde sich das Kapital immer recht gut ver-
zinsen. Herr B. versicherte mir jedoch, daß er sich nie
dazu entschließen könne, das Gemälde, wenn es ihm
einmal gehöre, noch einen Tag lang öffentlich zu zeigen.

Noch mehrere andre der Anwesenden fragte ich um
ihre Meinung. Die Ansichten waren sehr verschieden.
Eine ältere Dame z. B., die häufig in Kirchen gesehen
wird, behauptete, nie eine schönere Darstellung der Ma-
donna gesehen zu haben, während ein Teppichfabrikant
glaubte, einige gute Farbenmotive zu Teppichmustern
darin gefunden zu haben. Er beklagte sich zwar, daß
die Zeichnung nicht recht deutlich sei, aber er wolle seinen
besten Musterzeichner hinschicken —, der werde die Sache
schon machen!

Über das Urteil eines Mannes mußte ich mich ver-
wundern. Es ging von dem berühmten Maler, Herrn v. CH.
aus, der ja allerdings der alten Schule angehört, aber in
ihr zu den bedeutendsten Koryphäen gezählt wird. Wissen
Sie, was er sagte? Nichts weiter als: „Ach was, Unsinn!
Modesache! Lassons lä-ckessus!" *)

*) Im Original; deulsch: „Schwamm drüber!"

Ob wohl nicht auch anerkannt bedeutende Künstler zu-
weilen von kleinlicher Eifersucht befallen werden können?!

Da war auch Herr O. in der Gesellschaft, der reich
gewordene ehemalige Getreidehändler. — Ich wüßte nicht,
wie er in diese Kreise kam, wäre mir nicht gesagt worden,
daß sich Herr von M., der Neffe der liebenswürdigen
Dame des Hauses, der sein ziemlich großes Vermögen
fast ganz hat schmelzen lassen, um die Hand der Tochter
des ehemaligen Getreidehändlers bewürbe.

„Nun wohl, mein Herr!" wandte ich mich an den
Emporkömmling. „Was sagen Sie zu dem Bilde? Wie
gefällt es Ihnen?"

„Was ich dazu sage? Wie es mir gefällt? Wissen
Sie, ich sehe sehr gern gute Bilder, und ich besitze selbst
einige." (Diese Angabe beruht, wie man mir sagte,
allerdings nicht auf Unwahrheit: er soll wirklich eine
gute Sammlung von Werken von Gerome, Diaz, Dau-
bigny, Millet, Corot und andern Meistern besitzen, die
er selbst gekauft und mit teurem Gelde bezahlt hat.)
„Wissen Sie", fuhr er fort, „so etwas Dummes wie
dieses „Etwas" ist mir in meinem ganzen Leben noch
nicht vorgekommen! (Sie sehen, er bedient sich zuweilen
recht starker Ausdrücke, der gute Herr O.) Auf meinem
Landhaus in Meudon -— ich hoffe, Sie lassen mir dort
bald einmal die Ehre Ihres Besuches zu Teil werden
— für gute Verpflegung garantiere ich. — Ja, was
wollte ich doch eigentlich sagen? — Ach, ja so! — Also
auf meinem Landhaus habe ich einen Hühnerstall, —
ich bin nämlich ein großer Hühnerfreund! — Die seltensten
Sorten, die allerseltensten! Würde ich nun ein Stück
Leinwand nehmen, darauf etwas rötliches Braun, Helles,
gelbliches Blau, Grau, Grünlich und sonst allerhand



Musik, von Lugen Lingenfeld er.

)abresausstellung 18Y3 der Künstlergenoffenschaft zu München.
 
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