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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 9.1893-1894

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Vincenti, Carl Ferdinand von: Die internationale Jubel-Ausstellung in Wien, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11970#0299

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Die internationale Jubel-Ausstellung in Wien.

SZq

Buntes Volk tummelt sich bei den Franzosen. Namen
blenden, aber schaut man dahinter, so findet sich neben
lirst rate nicht wenig leichte Ware, welche die Flagge
braucht. Für jeden Besucher ist etwas da, für den Un-
befangenen wie den Blasierten, für den Kenner wie den
Bildergenüßling. Mancher geht freilich an mancher
Leinwand achselzuckend vorüber, ohne zu ahnen, daß er
eine Größe beleidigt hat. Rechts am Eingang vom englischen
Saal aus hängt eine blaugrüne, bleichsüchtige Frühlings-
landschaft, darin sitzt ein mageres ländliches Frauen-
zimmer, während ein Kuhkopf aus einer Ecke des Bildes
hereingrast. Der Kenner verneigt sich vor der künst-
lerischen Handschrift, ohne die Signatur zu lesen. Er hat
Puvis de Chavannes erkannt, den Asketiker unter
den modernsten Freskanten, den Monumentalmaler mit
Gobelintönen, den Schmücker des Pantheons und der
Sorbonne. Die große Mehrheit der Besucher aber be-
kommt einen wunderlichen Begriff von einem der
ersten Meister des Neu-Frankreich. Den größten Er-
folg unter den Neumalern hat Roll, welcher ein
blondes derbes Weib zwischen Gartengebüsch, den halb-
entblößten Rücken dem Beschauer zugewendet, auf einen
Sessel setzt, so recht ein Bild für Zolaleser, die aller-
dings eine große Gemeinde bilden. Anmutend ist die
Schöne nicht, aber das Spiel der durch das Blätterwerk
rinnenden Sonnenstrahlen auf dem nackten, blonden Fleisch-
tone ist Packend wiedergegeben. Rolls Gegenstück ist
Carolus-D uran mit seiner „Luccica", welche den Treffer
der Altkunst darstellt. Auch hier ist eine blanke weib-
liche Rückansicht in prächtiger Modellierung gegeben, die
aus einem dunkelroten Hintergrund weithin durch den
Saal leuchtet. Trotz der Braunsaucemanier ein Kapital-

Damrnbildnis. von Ernestine 5chultze-Naum bürg.

Frübjabr-Ausstellung der Münchener Secession.

bild. Ein kleines Bild von Henner behandelt eine
knieende Nymphe nach demselben Rezepte. Unter den
Akt- und Nacktmalern sonst, deren die französische Aus-
stellung eine ganze Sondergruppe bietet, ist der jüngere
Dubufe mit seiner schlanken, kapriziös-koketten „Cigale"
am glücklichsten. Echt Pariser Chic im Nackten, wie
das Damenporträt in ganzer Figur (Schwarz auf Rot)
von Gervex im bildnishaft Modischen. Beide Keck-
heiten verfangen. Mehr oder minder konventionelle un-
bekleidete Weiblichkeit steuern Robert-Fleury, Saint-
pi erre, Lef ebvre, B arr ias in den geläufigen mytho-
logischen Verkörperungen bei, durchweg mit der Sicherheit
der eminenten Virtuosen behandelt, ohne allerdings tiefere
Empfindung zu erwecken. Das beste französische Bildnis
ist ein geistvolles Herrenporträt von Rixens, vor
welchem sowohl das große Stehbildnis einer Gräfin von
Bonnat, als auch das Brustbild des am Schreibtisch
sitzenden französischen Botschafters Loze von Chartran
in zweite Linie treten. Im Kleinbildnis ist das „Mädchen
hinter Haselsträuchern" von Courtois von schlichtester
Noblesse. Jules Breton mit einem Pardvnbild, der
Spezialist B er a ud mit seinem momentgeschauten „Cafe-
Konzert", Roybet, Fl am eng, Laurens kommen
mit gewohnter Brillanz der Mache für das Genre auf.
Die impressionistische Landschafterei vertritt auf der
äußersten Linken Sisley; ihm schließen sich als Nebel-
maler Nozal, Guignard, Baillet an; Gagliar-
dinis auvergnatisches Hügelmotiv, die „Hanfernte" von
Fran^ais, Guillemets Seinebild und Vollons
breitkräftiger „Meierhof" sind weitere Landschaften von
großem Verdienst, sowie ich auch bei Muenier „Abend
in der Provence" nicht die hinausträumende Dame, son-
dern den Abendernst der Landschaft bewundern möchte.

Fehlt im französischen Saale die erzählende Historie,
so finden wir sie dafür bei den Belgiern. Wunder-
liche Chronikmaler sind sie, diese belgischen Historienmaler
JuliandeVriendt,VanderOuderaa,Lybaert,
umständlich, peinlich, gewissenhaft eminente Zeichner, aber
unfrisch in Farbe und Vortrag. Ganz geistreiche, leben-
dige Modernität ist hingegen ein kleines Porträt von
Jan Van Beers, welches Henri Rochefort in ein
Zeitungsblatt vertieft darstellt. Verhas liefert mit
den „Opfern des Strandes" eines seiner guten Strand-
bilder. Unter den Landschaftern hat sich wieder der un-
übertroffene Föhrenmaler Lamoriniere eingefunden,
aber immerfort Föhren und Tümpel! Natürlich, wo
Lamoriniere ist, darf Coosemans, sein Widerpart,
nicht fehlen. Des letzteren „Waldesrand" ist nach dem
alten Rezept der Landschafterrepublik von Fontainebleau
gemalt. Von Verheyden ist ein großes Bild „Cre-
vettenfischer" da, kräftig, aber für die heutige Doktrin
von der Luftmalerei bereits ein überwundener Stand-
punkt. Viel moderner, ja vielleicht am allermodernsten
tritt dagegen das benachbarte Holland auf. Da ist
alles Gegenwart. Man betrachte beispielsweise die „blühen-
den Hyacinthenfelder" von Koster. Das kann nur ein
Kind der Blumenstadt Haarlem gemalt haben. Die
seinerzeit zu Courtens' ähnlichen Experimenten den
Kopf geschüttelt, bleiben doch heute vor Kosters dick-
gestrichenen Hyacinthen stehen, um sich in den Hinter-
grund des farbenschweren Bildes zu vertiefen. Als
Moderner bleibt Israels der alte. „Durch Feld
und Au" kann als die erste holländische Ausstellungs-
 
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