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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 9.1893-1894

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Kirchbach, Wolfgang: Der Kunstausstellungspalast zu Dresden und die neue königliche Kunstakademie, [1]
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Barth, Hans: Das Ende des römischen Salons?
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https://doi.org/10.11588/diglit.11970#0336

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2SH Der Runstausstellungspalast zu Dresden rc. von lv. Rirchbach. — Das Ende des römischen Salons?

für die Sitzungen des akademischen Rates. Durch Thüren kann man hinaus vom Korridore auf die Platt-
formen der Hofdächer steigen, wo in geschützter Lage im Freien gemalt werden kann. Der Kiosk und die
angrenzenden Räume enthalten die Architektensäle und Meisterateliers für die Lehrer. Allen Schulsälen sind
noch besondere Zimmer und kleinere Ateliers beigegeben, welche die unterrichtenden Meister zu ihren Privat-
zwecken benützen können. Im Untergeschoß, unter der Terrassenmauer, befinden sich die Speicherräume zur Auf-
bewahrung der Bilderkisten bei Ausstellungen und zu sonstigen verwandten Zwecken. Gegenüber zu ebener
Erde, so daß man in den Hof hinaustreten kann, mit großen Flügelthoren, liegen zwei großmächtige Modellier-
säle für diejenigen Schüler, welche Bildhauer werden wollen und sich bei Zeiten hier im Modellieren üben
sollen. Eine Anatomie und viele andere Gelasse sind sonst noch vorhanden; es ist reichlich für alles gesorgt,
und es können mehr Schüler Unterkunft finden, als nach menschlicher Voraussicht sich je hier ansammeln
werden. Die ganze Einrichtung verbindet außerordentliche praktische Eigenschaften mit einem überaus wohnlichen
und angenehmen Aufenthalt, und somit ist für die deutsche angehende Künstlerwelt in der Akademie, sowie für
deutscher Meister Werke im Kunstausstellungspalast ein herrliches Heim geschaffen, von dem jedermann wünscht,
daß es recht reichlich benützt werden möge. Es giebt keine Stadt in der Welt, welche einen solchen Palast der
Künste in so schöner Lage besitzt; und die reichen geistigen Anregungen Dresdens verbürgen jedem Künstler
auch sonst eine gute Entwickelung.

Für die neu zu eröffnende große Dresdner Ausstellung in diesem Kunstpalaste, im August, liegen
150,000 Mark bar für Staatsankäufe zur Verfügung. Bekanntlich macht außerdem die Dresdner Gemälde-
galerie ans ihren reichen Mitteln jährlich bedeutende Ankäufe, so daß es auch von praktischem Nutzen ist, in
Dresden auszustellen. Es sind alle Bürgschaften vorhanden, daß die gewählte Jury nach keiner Richtung
einseitig verfahren wird. Man will von allem das Beste bieten. Der öffentliche Kunstgeist in Dresden
ist sehr fortschrittlich; die dortige Presse hat in den letzten Jahren eine innere Reform erfahren, welche so
manches alte Vorurteil besiegt hat, und wie man an der Einrichtung der Akademie selbst sieht, jedem individuellen
und modernen Kunststreben ebenso zugethan ist, wie man auch die ältere große Kunst zu schätzen weiß.

Das Bauwerk des Meisters Lipsius aber gehört zu den genialsten Schöpfungen deutscher Baukunst,
ernst und großartig angelegt, voll von Phantasie und originellen Einzelnheiten und technisch-architektonisch von
ausnehmender Kühnheit. Alles Akademische ist hier getilgt; es ist eine freie und selbstherrliche Kunst darin.

(Ein zweiter Artikel im nächsten Hefte.)

DaF Ende dcF römischen Salons

von l)r. Lans Barth (Rom).

»Os mortuis« — aber auch »cks moribunckis —
nil Nisi bene«. Und wahrhaftig, es liegt schon im
Sterben, dieses unselige Geschöpf, das einst „zu den
schönsten Hoffnungen berechtigt hat", dann aber langsam,
ganz langsam der Phtisis verfiel, bis wir es nunmehr
im letzten Stadium jener Krankheit erblicken müssen, die
niemanden verschont. Arme römische Kunstausstellung!
Einst (es ist schon lange her) ein Tempel der wahren
göttlichen Kunst, zur Freude nicht des nach barbarischen
Kontrasten lechzenden Jankee, sondern des Ästhetikers —
und heute Verkaufsbazar von Mittelmäßigkeiten — Jahr-
marktspanoptikum, wo die Kneipwirte des „Wild West",
wo Buffalo Bill und .... gewisse deutsche Kommerzien-
räte ihren Bedarf an Wanddekorationen decken könnten.
Wie dieses Chaos von Farben in deinen Hallen zu-
sammenbrodelt, wie die Töne ineinander gellen und
schreien, eine wahre Judenschule an Geschmack oder Ge-
schmacklosigkeit — aber kein zürnender Christus erscheint,
die Krämer zu Paaren zu treiben, die auch ohnehin dem
Untergang verfallen.

Einige siebzig Künstler sind es, die — nachdem
eine Anzahl der Besten oder Besseren dem Verein den
Rücken gekehrt und auf eigene Faust eine Secession ge-
bildet — das Banner der sog. SocietL Uromotrice noch
Hochhalten. Aber wie! So, daß der Besuch der Kunst-

ausstellung den des Possentheaters oder des ... Tingel-
tangels erspart. Für Erheiterung dieser Art ist über-
reichlich gesorgt; dafür bürgt eine Reihe bewährter
Namen, wie der des braven Del Grillo u. a. Äber
was hilft es, hier in schwachen Worten die Werke zu
schildern, die man sehen, die man Mitempfinden muß;
die Werke, die hoffentlich ein spekulativer Impresario,
als Salon der . . . Scheußlichkeiten gesammelt, in den
europäischen Hauptstädten ausstellen wird. Da ist der
prächtige — ich glaube er ist sogar Marchese — Del
Grillo. O, warum ist der erlauchte Patrizier vom
Stammschloß seiner Väter zu den klecksenden Sterblichen
herabgestiegen! Warum hat er den unbefleckten Schlacht-
schild seiner Ahnen mit der hölzernen Palette, den Helm
mit dem Sammetbarett, den scharfen Speer mit dem
Pinsel vertauscht, der ihm so verhängnisvoll werden sollte!
Del Grillos Spezialität sind Bilder, wie sie in soliden
Empfangssalons nicht zu finden sind: übermäßig de-
kollettierte Dämchen mit Kokottengesichtern in malerischen
Drapierungen und einen Stern, einen Halbmond oder
dgl. im Haar. Die Gestalten durchweg total verzeichnet
und formlos; der Gesichtsausdruck ordinär, kurzum
Karikaturen, die nicht einmal humoristisch wirken. Dies-
mal erfreut der Herr Marchese uns wieder mit zwei
. . . Freudenmädchen, wovon die eine, ein in einen
 
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