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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 9.1893-1894

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Schulze, Otto: Die Kunst im Hause
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https://doi.org/10.11588/diglit.11970#0426

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Die Kunst im Hause,


ZZS

Lrdrrkaprke. Muster aus A. Dürers Schule um 1520,

gesamte De-
koration: sür
Möbel, Bild-
schmuck und
Draperie. Mu-
ster und Farbe
der Wand-
flächen be-
herrschen dann
weiter: Decke
und Fußboden.

Die Gesamt-
stimmnng eines
Raumes klingt
unmittelbar in
der Tapete aus.

Sie kann auf-
lichten,dunkeln,
warm und
kalt stimmen,
anheimelnd,
heiter, beruhi-
gend und ernst
auf uns wirken,
und so harmoni-
siert sie alle
die Schönheiten
und Annehm-
lichkeiten des
Aufenthalts
im Raum. Von
der glücklichen
Wahl der Ta-
petehängt alles
ab, wir sollten
uns alle noch
viel mehr da-
rum kümmern,
man kann
auch neben
den auswen-
dig gelernten
Ansichten
der Tapeziere
und Dekorateure getrost seine eigene Meinung
haben.

Ich wünsche in erster Linie, daß man
der Papiertapete als solcher mehr Gerechtig-
keit widerfahren ließe. Ist das Gefühl
wirklich so erhebend, eine papierne Stoff-,
Sammet-, Leder- oder sonstwie benannte
' Tapete in seinem Zimmer zu haben?! Über
unsre Muster brauchen wir uns keine grauen
Haare wachsen zu lassen; ich erwarte von

Taprkr. von R. A. Fanke.

^ vaterländischer Seite ein gesunderes Ein- >
j lenken in die gährende stilistische Bewegung
^ zu Gunsten der Flachmuster nach Meurer-
schen praktischen Theorien, unbekümmert um
englische Stilsuche. — Nicht lange wird es
dauern und unsre Fabrikanten und Muster-
zeichner schwimmen mitten in der Strömung,
die die stilisierte typische Naturform als
einziges Heilmittel ansieht. Für den Laien
I sei sie erklärt: jene Stilisierung der aus
Vergleichstellungen gewonnenen typischen
Grundformen der Wurzeln, Stengel, Blätter,
Blüten und Früchte, nach welcher diese die-
jenige Formengebung annehmen, wie solche
durch die, den einzelnen Arten innewohnenden
Gesetze der Proportion, Symmetrie, Rhyth-
mik bei Vermeidung aller äußern Einflüsse
bedingt werden, nur unter Zuhilfenahme des
Sonnenscheins: Phantasie!

Die Tapete verlangt: große Muster,
große und breite Linienführung, breite und
einheitliche Färbung. Die Tapete zeigt
Fläche, nicht durch Falten und Überschläge
wachgerufene Licht- und F-arbefsekte der Be-
hänge und Draperien textiler Art, an die
aus diesem Grunde ganz andre Forderungen
in Muster und Farbe herantreten. Große
Muster und Formen werden hier surch-
schnitten, verkleinert, verstümmelt. Hier ist
das kleine, aufgelöste, neutralwirkende Orna-
ment klarster und nüchternster Liniengebung
allein zu dulden. Die Farben können!
! leuchtender, intensiver sein, weil sie der über-
wiegenden Tapete Gegensätze entgegenstellen ^
sollen. Bei uns werden Stoffe, die für!

Wohnungsausstattung bestimmt sind, wie
Tapeten, und Papiertapeten wie Stoffe be-
handelt — natürlich sehr bequem. In den
Draperien und Vorhangstoffen, Cretonnen
hat das naturalistische Ornament arg ge-
wuchert, und es thut gut, daß uns neue,
gesundere Bahnen winken, auf denen weniger
Blumen liegen.

Es ist ermüdend und übersättigend ge-
worden, Blumen und Blattmotive in Natur-
kopie auf Tapete, Teppich und Vorhang
gleichwertig begegnen zu müssen. Man
sollte auch hier mehr Wechsel schaffen und
jedem einzelnen Begriff sein Recht geben
in individuellster Sprache.

Die letzt in Handel gebrachten: bunten
Scheiben-Gardinen — Imitation verbleiter
farbiger Fenster, bedruckter Elsaßer Batist
— sind in ihrer Natur die widersinnigste
Vergewaltigung des „Stoffbegriffes".

Die beigegebencn Abbildungen, ver-
schiedenster Herkunft, greifen in die Wendungen
dieser Zeilen ergänzend ein.

Lcdaktionstchluß 14. Juli. — Ausgabe 28. Zuli 1894.

llnbalt des einundzwanzigsten Dcftes:

Uerl: Fr. Pecht. Die Jahresausstellung 1894
der Künstlergenossenschaft zu München (I.). —
Herman Helferich. Eindrücke von den Pariser
Salons. (II.). — Personal-und Ateliernachrichten rc.
Aie Kunk im /zause: Otto Schulze. Natura-
listisches Pflanzen-Ornament für Gewebe u. Tapete.
AikderSeilagen: Ernst Wante. Der für uns
gelitten hat. — Alfred Seifert. Überraschung.
— Eugene Zettel. An der Seine. — Jan
Rosen. Am 5. Dezember 1812 (Abschied Napoleons I.
von seinen Marfchällen zu Smorgonie).

Verantwortlicher Redakteur: Fritz Lchwartz. — Druck der Bruckmann'schen Buchdruckerei in München.
 
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