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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 9.1893-1894

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Heilbut, Emil: Die Londoner Sommer-Ausstellung, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11970#0450

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von kferman Helferich. 255

Nixenbefuch. von Karl Gehrt s.

Büste gegeben wurde, — bei den Bildern von wirklichen
Königinnen. Sarah Bernhardt zeigt hier jene legen-
darische Schlankheit, jenen florentinischen Reiz, von dem
uns diejenigen, die jetzt alt sind, mit Entzücken sprechen,
und in den unruhigen und schillernden Augen sieht man
in hervorragender Weise das, was die modernen Novellisten
das Wesen einer modernen Frau nennen. Merkwürdig,
in der Kopsbildung Sarah Bernhardts liegt gleichzeitig
etwas, was wir bei den alten ägyptischen Mumienfunden
bemerken. Und so wären wir denn beinahe wieder bei
den ägyptischen Funden angelangt, von denen wir aus-
gegangen waren. Es ist ein weiter Weg vom zweiten
Jahrhundert durch den Glanz der Renaissance und des
achtzehnten Jahrhunderts bis zu Sarah Bernhardt —
ein Weg, der an vielen Stellen zum Verweilen einladet,
und von dem man bedauert, daß man ihn in solcher
Eile machen muß, weil London gar zu viel bietet.

Die Academy hielt ihre 126. Sommerausstellung.
1849 Werke enthielt sie, und es würde erdrückend sein,
daran zu denken, wenn nicht in diese Zahl auch die
architektonischen Zeichnungen eingeschlossen wären, an die
man nicht zu denken braucht. Unter den Bildern, die
man ansah, war Hackers Porträt des Bildhauers
Onslow ford, eine Schlachtszene aus Wellingtons Geschichte
von Woodville, dem unerschöpflichen Illustrator
der englischen Zeitungen (der sich aber immer wiederholt),
ein Frauenbildnis von Lader y. Solomon malte ein
Porträt der Schauspielerin Mrs. Campbell, doch wenn
man dieses Bild auch an einen Ehrenplatz hängte, zählt
es dennoch nicht zu den besten Bildern. Dann sah man
einen etwas übertriebenen Sonnenuntergang von Mac-
whirter, der von starkem Naturgefühl, aber schwachem
Geschmack zeugt, und dann eine .verfehlt zu nennende
Wanddekoration für die Bibliothek von Boston, die von
dem im Fache des Bildnisses ausgezeichneten amerikanischen
Künstler Sargent herrührt. Watcrhouse gab ein
geschmackvolles Frauenporträt in Hellem Kleid, vor gelbem

Vorhanghintergrund, auf graublauem Teppich, und eine
melodramatisch wirkende „Lady of Shalott". Herkomers
nackte Figur, die im Freien steht und sich an einen Ast
lehnt, der das Bild im Halbkreise durchzieht, ist nicht in
allen Teilen gelungen, der Ast wirkt berechnet, in der
Durchmodellierung der Figur erreicht Herkomer nicht die
ihm an Talent untergeordneten Maler, die alljährlich
Derartiges malen; aber eine Frische ist bemerkenswert,
die auch in der Landschaft hinter dem ominösen Aste zum
Ausdruck gelangt.

Leaders Landschaften sind bekannt; sie reichen bis
ins Unendliche hinein, man sieht nur das, was sich am
Horizont ereignet, zu deutlich und daher etwas reizlos;
immerhin ist seine Kirche am Wasser eine in ihrer
Weise glänzende Leistung. Alfred East ist einer der
besten Landschafter der englischen Schule, „Josephs Traum-
deutung" von Harold Speed giebt Veranlassung, über
die Gefahren nachzudenkcn, die den ereilen, der sich ohne
genügende Begabung in die Bahnen Alma Tademas be-
giebt. Der Amerikaner Boughton lebt nur noch von
den Resten seiner früheren Begabung für weiche Er-
scheinungen, er ist ein Künstler, der seine Stunde gehabt
hat, die nun nicht mehr wiederkehrt. Von dem vorzüglichsten
aller amerikanischen Zeichner, einem in seiner Weise
genialen Künstler, E. A. Abbey, war ein bemerkens-
wertes Bild aus der italienischen Renaissance ausgestellt,
das so gut freilich wie seine Illustrationen nicht ist.
Leighton, der Akademiepräsident, erschien mit zahl-
reichen Bildern, die wie stets eine gewisse Höhe behaupten,
während der weit größere Millais auf der Ausstellung
nicht vertreten war. Das beste unter Leightons dies-
maligen Bildern ist der „Lummer slumder"; eine der be-
kannten Leightonschen Abendlandschaften, durch die ein
breiter Fluß zum Meere fließt, bildet den Hintergrund,
vorne ruht mit aufgelöstem Haar, mit vom Schlummer
geröteten Wangen, an einem Brunnen eine Schöne, und
(Fortsetzung des Textes auf Seite 358.)

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