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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 9.1893-1894

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Kohut, Adolph: Die Memoiren eines 83jährigen Bildhauers
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https://doi.org/10.11588/diglit.11970#0475

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Die Memoiren eines 83jährigen Bildhauers.

Z7H

Die Memoiren
eine§ 8 z jährigen Bildhauers.

von vr. Adolph Lohnt.

^Aeißel und Hammer hat er allezeit trefflich zu
führen verstanden, der Meister, dem wir so viele
und ausgezeichnete Standbilder zu verdanken haben,
welche der Plastik zur Zierde gereichen. In Thon und
Marmor hat er Unvergängliches — Unsterbliches ge-
leistet, und noch kommende Jahrhunderte werden singen
und sagen von Emanuel Max, Ritter von
Wachstein, dem gefeierten Schöpfer der Standbilder
von Cyrillus und Methodius in der Teynkirche zu
Prag, der heiligen Ludmilla in der dortigen St. Veit-
Kirche, des Radetzky-Denkmals und andrer Monumental-
werke — aber daß der 83jährige Greis auch mit der
Feder ausgezeichnet Bescheid weiß, daß er reizend und
interessant plaudern kann, als wenn er Zeit seines
Lebens „unterm Strich" und nicht in seinem Bild-
haueratelier gearbeitet hätte, erfährt die Welt erst jetzt;
denn im Vorjahre hat er seine 600 Großquartseiten
umfassenden Memoiren*) herausgegeben, und gewiß
wird auch der Leser einiges von dem Neuen und
Amüsanten, was der Verfasser zu berichten weiß, er-
fahren wollen. Folgen wir ihm auf einige Stationen
der ruhmreichen 83 jährigen Pilgerfahrt seines irdischen
Wirkens.

Die Jugend unseres am 19. Oktober 1810 in
Bürgstein — im nördlichen Böhmen — geborenen
Emanuel v. Max fällt in die „gute alte Zeit!" In der
Ortsschule kostete damals der Unterricht nur 4 Groschen,
nach jetzigem Gelde 2 Kreuzer, die Woche und mit
Erlernung der Violine 3 Kreuzer — o tempora, o
inorss! Und diese glückliche Schuljugend genoß zu-
weilen das Vergnügen, einen — Guldenzettel auf der
Straße zu erhaschen, denn als z. B. der Erzherzog
Franz Karl am 31. Juli 1822 Bürgstein besuchte, warf
er nach seiner Abfahrt unter die Jungen Guldenzettel,
und auch Emanuel hatte das Glück, einen solchen zu
erwischen. Es waren idyllische Zeiten, die längst dahin
sind. Hier nur ein Exempel. Die Mutter des Knaben
war eine große Tierfreundin und sie brachte den Kindern
zahme Lämmer und zahme Tauben ins Haus. Sonn-
tags ging Frau Max gewöhnlich in die Frühmesse.
Einst als sie mit frommen Gedanken auf dem Wege
beschäftigt war, hatte sie keine Ahnung, welche Be-
gleitung ihr dahin folgte. Erst als sie in die Kirche
trat, hörte sie hinter sich trappeln; sie sah sich um
und erblickte das Schaf, welches ihr nachgelaufen war,
und auf dessen Rücken die zahme Taube. . .

Dem 28jährigen Jüngling, der schon frühzeitig
ein hervorragendes plastisches Talent bekundete, wurde
durch die Prager Statthalterei die Alois Klarsche
Künstlerstiftung von 300 Gulden C. M. zuerkannt und
mit diesem Gelde machte er sich auf den Weg, um das
Land, wo die Citronen blühen, wo die Goldorangen
glühen, das Dorado jedes Künstlers, Italien, aufzu-
suchen. Er, welchen stets ein warmes Heimatsgefühl

*) „82 Lebensjahre. Bon Emanuel Max, Ritter von Wach-
stem. Prag, 1893." Selbstverlag des Verfassers.

Porkräk rinrs Knaben, von M Fortuny.

auszeichnete, schloß sich überall im klassischen Lande
den dort lebenden österreichischen Künstlern an; einem
derselben, dem Bildhauer Rammelmeier, begegnete in
Florenz ein kleines Malheur, als er das Atelier des
nordamerikanischen Bildhauers Bauer besuchte. Derselbe
führte eben die Statue der Eva in Marmor aus.
Rammelmeier, welcher sich auf seinen ästhetischen Sinn
sehr viel zu Gute that, wollte bei dieser Nudität seine
Kenntnisse zeigen, indem er dem Meister gegenüber mit
Wohlgefallen sagte : inan-o s bello«.

»carns« sagte er »rnan^o«, also: „Dieses Rindfleisch
ist schön!" Das mußte er nachher noch oft hören,
daß er der Mutter Eva Fleisch — Rindfleisch ge-
nannt hatte!

Im Cafs Luigi zu Rom machte Emanuel v. Max
die Bekanntschaft des 80 Jahre alten Malers Rein-
hardt, des bekannten Freundes Schillers. Hierbei er-
eignete sich folgende komische Episode. Einer der An-
wesenden stellte Max als neu angekommenen Österreicher
aus Prag vor. Da wurde Reinhardt warm und sagte:
„Diese Stadt kenne ich gut". Er setzte hinzu: „Da
sind Sie gewiß auch in Karlstein bekannt und kennen
die beiden schönen Försterstöchter?" Max fragte: wie
er sie kenne? Da fuhr er mit der Hand übers Gesicht
mit den Worten: „Ja, richtig, das ist schon lange
her!" Man lachte über diese Zerstreuung, denn es
stellte sich heraus, daß es vor einigen fünfzig Jahren
war, wo er längere Zeit in Böhmen gelebt hatte und
Studien in Karlstein machte. Reinhardt erzählte bei
 
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