Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 8.1928

DOI issue:
Heft 2 (Februar 1927)
DOI article:
Rasser, E. O.: Die Ambidextrie (Doppelhändigkeit), [2]
DOI article:
Rilke, Hans: Der künstlerische Führer der Schule
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.27998#0047

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
mciten deS Sä)reckens, elner plötzltä-en Gefahr —
liotz Aebnng der rechlen Land —inik der linlren zinu-
nacken oder abzumehren versucht. Krimlnalisten wissen
von der zlrlielförmigen Spnr zu erzählen. Es komint
vor, datz eine ausgesprochene Elnseikigkeit einen
Verbrecher dahin bringk, im völligen Dunlrel einen
Kreis zu laufen, mährend er doch geradeaus wollke.
Tolstoi erzählt in seiner Novelle „Herr und
Kncchl" von der Slurmnachk im Schnee, als
Wasilij auf seinem Pferde an einen Grenzrain
stotzt, mo Beifutzstauden Im weitzen Gestöber wan-
ken. Er reiket weiker, den verlorenen Weg endlich
wlederzufinden und gebät nach qualvollem Suchen
wicder an elnen Nain mik Beifutzskauden. Dort aber
ist elne Pferdespur zu erkennen. Er war im Kreise
geritken.

Bersuche haben gezeigk, datz ein Nechkshänder,
dem man ein Ziel zelgk und dann die Augen ver-

bindet, dies Ziel 'mit einer Abweichung nach rechts
anskrebt, der Linkshänder umgekehrt. Die Ueber-
legung mutz uns sagen, datz ein Linkshänder, der
ja seine Ausbildung doch nur haupksächlich rechks
erfährt, eigenklich besser daran ist, denn er hat zwei
geschickke Zände. lledenfalls sollie man es in der Er-
ziehung eher anregen, als verbieten, die linke Hand
in Dienst zu nehmen. Beobachkung wird dem Er-
zseher bald sagen, wo die stärkere Befählgung steckt.
Eine Reihe moderner Forscher verkrikt den Sland-
punkk, und kann ihn mit unzähligen Beweisen be-
legen, datz künstlerisch veranlagte Menschen zur
Linkseikigkeit nelaen. Kopf- und Gesichksmessungen
ergeben bei Künstlern häufig eine starke Asymmekrie
zugunsten der linken Hälfte. Doch mutz man ein
sehr geschürfkeS Auge haben und mutz auch von
diesen Äingen wissen, um es im ersten Anblick wahr-
nehmen zu können.

Der künstlerische Führer der Schule

(Theorie und Praxis.)

Von Hans Ni

Die neuen Nlchklinien für das „künstlerische Lehr-
fach an den häheren Schulen" fordern, datz der Leh-
rer für den Zcichen- und Kunstunkerrichk der künst-
lerische Führer Üer gesamken Schule sein solle.

Mit wenigen Worken umschlietzk diese Forderung
eine Aufgabe, deren Bedeutung für die künstlerische
Kultur kaum überschätzt werden kann. UnS Zeichen-
lehrern hak steks dieses Ziel vorgeschwebki wir be-
grützen eS mtk besonderer Genugtuung, datz diese
unfere alke „Privakansicht" nunmehr eine offizielle
Forderung geworden ist! sthre Verwirkliä)ung be-
deuket fchiechthln eine Kulkurkak: die Erziehung unse-
rer llugend zu kunstfreudigen, kunstverstehenden,
liunstwürdigLiiLen und kunskverlangenden Mensä)en
und weilerhin: die Aufwärksenlwickelung der künst-
lerischen Vildung und Bereicherung Deutschlands!

Es erhebk sich nun die Frnge:Vst es uns möglich,
unker den bestehenden Verhälknissen diese Forderung
fo zu ersüllen, wie es uns und ohne Zweifel auch
den Schopfern der neuen Nichtlinien, vor Augen
stehk? Erlauben uns die Amstände, an uns so zu
arbeilen, datz wir kaksächlich zuverlässige Führer sein
können in allen Gebieken der bildenden Kunst? Es
genllgk nichk, ein künstlerisch veranlagter Mensch zu
sein und eine guke Verufsvorbildung genoffen zu
haben! Ein solcher Mann kann zweifellos sä)on vle-
les geben, damit er aber Führer und Veraker auf
dem überaus weilen Gefilde menschlicher Kunst-
bekäklgung werde, wird es für ihn notwendig, ln
zäher Acbeit und mlk grotzen Geldopfern weikerhin
und unermüdlich sein ganzes Leben lang die engste Füh-
lung zu suchen mik allem künstlerischen Leben. Lr wird
sich unablässig auf den verschleoenen künstlerischen
Gebieken selbsl beläligen müffen, er mutz sich fork-
laufend innig bekannkmachen mik allem im Neiche
der bildenden Kunst Erreichkew und Erstrebken, er
mutz selnen Geschmack und fein Ürkeil in all den
kausend Dingen deS Allkags, die Irgendwie Schön-
heit wollen, schärfen. Der wirkliche Führer mutz in
Ler Lage sein, mit demselben Verständnis und Ein-
fühlungsvermögen z. V. Dinge der modernen Ge-

lke-Düffeldorf

brauchsgraphik wie ekwa griechische Plastik zu wür-
digen und sie seinen Schülern nahe zu bringen. Dle
neuzeikliche Bühnenbildkunst mutz ihm ebenso ver-
kraut sein wie die Bestrebungen ües Bauhauses um
moderne Archikekkur, — er mutz Liebe und Freude
an Dingen schlichkester Bauernkunst erwecken kön-
nen, die Schönheit norddeukscher Vacksteindome er-
schlietzen können. Das — Auge des Geschäftes —:
das Schaufenster, der Messestand, Möbel und Klei-
dung haben für ihn dieselde lebendige Ankeilnahme
wie ein indifcher Tempel, die Tokenmaske eines
Neuseeländers, eine Nembrandkzeichnung, eine neu-.
zeikliche Fabrikanlage, ein Nichkerscher Zolzschnilt
oder ein gukes Filmband.

Soweik diese Eigenschafken zum kllnstlerischen Füh-
rer durch eigenes künftlerisches Schaffen und durch
ständiges triebhafkes Kunsk- und Schönheikssuchen
enkwickelk werden können, werden wir Zeichenlehrer
wohl alle an uns arbeiken. Aber wie bikker wenig
ist für das grotze Ziel zii erreichen in dem engen
Äahmen, der durch die Besoldung gegeben ist. Car-
negle saak in seinen Erinnerungen, datz der Lehrer
der am besten besoldeke Beamke sein mlltzke! Kunst-
erzieher und künstlerische Führer der Schulen fcheink
er nichk gekannk zu haben, fonst häkke er sie „noch
mik ganz besonderen Zulagen beglückk"!

Ernskes, eingehendes und ausgiebiges künstlerisches
Schaffen (ohne jegliches Schielen nach dem Ge-
schmack des kaufenden Publikums) und Fühlung-
nahme mik der Kunst ringsum ist nun einmal sehr
kostspielig! Akelier, Makerial, Zeikschrifken, Buch-
kunst und Likerakur (die wiffenschaftlich eingestellken
Büchereien versagen für diefen Fall!), Kunsterleben
auf Äeisen und in Museen, Theater, prakkische Ge-
schmacksbetätigung in Dingen der Wohnung und
Kleidung (ein gar wichkiges Moment in der Kunst-
erziehung!) — alles das kostet in demselben Matze
viel Geld, wie es für den künsilerischen Führer un-
erlätzlich ist!

Führer auf den tausendfältigen Wegen leiden-
schaftlichen Schönheitssuchens unü -fchaffens kann
 
Annotationen