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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 8.1928

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Heft 4 (April 1928)
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Stiehler, Georg: Arbeitsschule - Kunstunterricht - Die gegenwärtige Krise der Schulreform
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https://doi.org/10.11588/diglit.27998#0118

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lisches LoSlösen von der Denkarbeii": isl dcis wirli-
liche ssreittiliglieil?

iln den M ä d ch e n s ch u le n mirkk sich der Ar-
beilsnnleirichk nm verhängnisvollsken aus. Das Er-
leben In der Gesamlheik, das Seelische, Synkhekische
koininl bei dieser analysierenden Ärbeiksschulkechnik
zu kurz.

Liebevolles Versenken, Inluilion inacht die Frau
schöpferisch. Die Naturgemäkheik wurde der Kul-
tui'geiiiäuheik, die Gleicharkinkeik der Knaben- unü
Mädchenei'ziehiing der Gleicywerkigkeit geopferk.

„So wandelt die M ä d ch e n b i I d u n g
den Meg z u r Ei^karkung der Frau."

Auch wir sehen in der libersteigerksn Freikäkig-
keit am libersordernden Skoff elne Schädigung für
die Lugend: die Einschulung des Arbeiksweges, wie
sie von Gaudig, Fischer Scheibner u. a. Arbeiks-
schulmännern zielbewußt begründet ist, gibt neben
voller Freikäkigkeit die makivoll gebundene Form.

Was über die Mädchenbildung P. Hoffmann aus-
fllhrk, kann restlos unterstrlchen werden. Es ist eine
Fehldedukation, möglichst reichlich Makhematik, Lo-
gik, Grammakik In die höhere Mädchenschulbildung
einzubeziehen, damik die Gleichwerkigkeik mit der
Knabenerziehung erreicht und gegen den in der
weiblichen Nakur liegenden Hang zum Verallgemei-
iiern genrbeiket werde.

3sk der Grundzug des arbeitsunterrichklichen
Gestaltens Eile, Hask, vorschnelles Urteilen und
nur lkizzenhafkes Gestalken, dann ist der Vorwurf
der Ueberhastung am Plasz. Wir bekonten aber
schon oben, dasz gerade das S i ch v e r s e n k e n,
der stete, zähe Arbeiksfortschrikk, das Durch-
halken von der Themaslellung bis zur Verabschie-
dung des Werkes ein Kennzeichien ernsten
arbeiksunterrichklichen Tuns isk. Diese
Mlnuken-Nokizen und -Skizzen sind aber duräiaus
am Plahe auf der Wanderung. Als der Ner-
fasser dieser Zeilen von Stockholm nach Angora im
Exprest reiske, hak er nichk Minuten-, sondern Se-
k u ndenskizzen vom Fenster aus in fliege n-
der Hask gesammelt und als wertvollsten
Ertrag gebucht. stm Bazar von Angora aber hat
er Skudien mit stundenlangem Eifer gekrieben. Goe-
thes Wort aus der italienischen Reise besteht zu
rechk: „Die wenigen, ofk llberhasteten, selken rich'-
tigen Striche, die ich zu Pavier brachte, erleichterken
mir gleichwohl die Vorskellung von den Dingen."
Diese S ch la g fe r ti g k e i ts- Skizzen sind nichk
vom Berstand, sondern von der st e k S b e r e i k e n
G e sk a l t u n g S k r a f t geboren. — Und mit Schwind
ging es uns genau so wie „jener Schlllerin".

„Sponkane A n c i g ii u n g", die Synthese von Arbeils - u n d E r l e b n i s u n t e r r i ch t.

Diese Ausflihrungen treffen zum groszen Teil den gesunden Arbeiksunterricht, wie Ihn die führenden
Männec Gaudig, Kerschenskeiner, Fischer, Scheibner, Lehrerverbände (Leipziger, Dortmunder, Dresdener),
freie Schulgemeinden pflegen. Die freie „Sponkaneikät" wird allerdings nicht von ihnen ausgeschalket wie
bei Hoffmann, bildet aber nur für gewisse Fälle und vornehmlich für die Unterstufe, dle intuikiv
und geflihlsmäßig, naiv und primitiv triebarkig eingestellt ist, den A u s g a n g s p u n k t. Der Direktor der
höheren Mädchenschule nimmt auf diese Lage kelne Rllcksicht. Er siehk ein Zerrbild, sucht Einzelfälle
und zitierk die Unbekümmerkenl Kein vernünftig eingeskellter Arbeitsschulmann, auch das Gros der Äus-
flihrendcn, verkennt die Aufgabe, „Tyche" und „D aimon", Kulturgemähheit und Naturgemäszheit in
Linklang zu bringen. Schwierig bleibt Immer die Zeik, die den Uebergang von der freien Selbstbestimmung
und Ausdriicksechkheit des licl> zur Autonomie und Sachgemüszheik darskellk: die Sachgebundenheit aner-
kennk, typische werkvolle Skofse verarbeitet, ohne ab er die Persönlichkeit zu erslicken: die mit Respekk vor
üer Sache am Ende erziehlich-unkerrichtlicher Ärbeit auch das restlose Unkerordneii unker Geseh und gefühls-
abgezogener Arbeik erkennk, soweik wissenschafkliche Belange und sitklich soziale Velange in Frage kommen.
Als Aektung auS dem skarren, rakionalen, begrisflichen Tun werden aber die Bildungsgebieke eine Enk-
spannilng geben, die die persönlichen Kräfte, die Gestaltunaskräfke pflegen, frei oder material und werk-
gerecht gebunden. Der Zeichen-, Kunsk- und Werkunkerrichk an den allgemeinen Schulen, Bolks-wie höhe-
ren Schulen, wird diese Enkspannung, diöse Synthese bringen, und es ist ein Unrechk an der Seele und s
dem Geist der stch enllvickelnden Iugend, wenn ein einseikig gerichteter intellektualistisch eingestellter Ge- i
sehgeber* diese Nokweiidigkeit nichk siehk. Mir müssen P. Hoffmann dankbar sein, daß er die Notwendigkeik
von Zelchnen und Werkkäligkeit aiich der höheren Schulen anerkennt un-d in üiesen Bildungsgebieten jene
Au s g e g li ch enh e it zwischen Daimow und T y ch e sieht, die gewissen wissenschafklichen Bildungs-
'gebieken nach Mekhode und Slruktur'-des Faches verschlossen bleibt. Seine Ausführungen über Deutsch-
unkerrichk und Kunstunkerrichk sllinmen mik dem überein, was in diesen Blättern ausgeführt wird, und kref-
fen auch den Wunsch nach Bermehrung der Stunden für Zeichen- und Werkunker-
r _

* I» Sachse» streicht >»»» i» U I »»dlOI de» Zeiche»»»terrtcht, wemr der Schüler leine Reigung dazu begtzt.

„Ueberhastung, die Folge des falschen Sponkanei-
läksprinzips." Eine Schülerfahrt zeiligte innerhalb
18 Tagen durch Harz, Thliringen und Frankenwald
200Ü notiz- und skizzenbedeckke Quarkseiken, Vunk-
skizzen, Grund- und Aufrisse, Bermessungen Pro-
sile mit dem Bermerk wie: 3 Min. oder 4 Min.
oder 6 Min. Diese Hask, diese Schnellebigkeik, die
kein Schaffen auS der Gesamlseele darskellt, musz
zur Oberflächenreife flihrcn und brtngt „jene Schü-
lerin" dahin, von den „wunderlichen Farben" der
Schwindschen Marlburgbilder enkläuschend zu spre-
chen.

Die Zeikkrnnkheit, die Nervosikäk, greifk über auf
die Schnlkranliheik. Goethe wird zikierk, der die
„Beloziferikät" an dem aufkommenden Maschlnen-
zeitalker tadelk.

Die wahre, die innere Sponkaneität verküm-
merk unker der „veloziferen" Scheinsponkaneität des
Berskniides, der das ArbeitStempo bestimmt.
 
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