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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 8.1928

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Heft 4 (April 1928)
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Fritz, Ernst: Aus dem Roman ''Matthias Grünewald''
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https://doi.org/10.11588/diglit.27998#0120

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98

„Dnnu schelnl eS inir schlecht um seine Sciche zu
slehen."

„Wcnt', Anrsche, nieiiie Snufeder soll dich zwi-
schen den Nippen luhelii." Die Lene schlitgt aber den
Spiesz ciuf üie Seite. „Lnszt ihn in Nuhe, er weitz
iiicht was er scikit." Dann legt sie ihm den Arni um
öen Naclien. „Sei ruhig, sie tun dir nichts, du bist
lirnnli." Und sie bettet sein Haupt an ihre Schulter,
greift einen Mnntel von der Äanli und deckt ihn
tiber seine Beine. „So, nun schlafe und ruhe dich
aus, ich wache ftir dich."

ES ist ganz dunliel geworden, schwarz und massig
fiehen die Linden gegen den Hiinmel, und llber den
fernen Hvhenzngcn geistert das Welterleuchten,
Nach einer Weile stumpfen Schweigens nehmen die
Hauptleute am Tische ihr Gesprach wieder auf.

„Der Luther ist nbgesallen, daS scheint wahr. Es
bcingk uns Schaden."

„AuS der Puppe wird ein Schmetterling, aber
Mvnch bleibt Niönch, auch wenn er aus der Kutke
springk. Aber jetzt ist es niin einmal so, nun ralet
weitei."

Peler Sküblin lacht dem Haupkmann mit grim-
migem Spokt ins Gesicht. Ein blutiger Fetzen ist ihm
um dle Slirne gebunden und bedeckt das eine Auge:
wie eine Kohle glliht das andere. „Und ich sage:
Eine Hammelherde seid ihr, llber die die Äölfe
liommen. Kein Fiihrer ist mehr da. Erasmus Ger-
ber ift tot, der Florenn Geier ist tot, tzost Fritz ist
lot."

Da reckt sich der Wiegersheim in die Höhe, schlank
und doch zäh, wie die Tannen im Wasgenwald.
Laut tönt seine Stimme: „Der tapfere Geier ist gen
Hinimel geflogen, ewig schade um Ihn, dem Gerber
geschah nur recht, das; fie ihm das eigene Fell ab-
zogen, aber tzost Fritz tok? Dns; ich nicht lache!"

Er fchaut ihnen in die skumpfen Gesichter. „Kannst
du Nebel packen und kotschlagen? So ist der stosk.
Er ist bald da, bald dort, tiberall, nirgends. Schlägk
er mik der Aute an den Aerg, so öffnet er sich
vor ihm." . .

Grotze Augen richken sich auf den Sprecher mit
stummer Frage, wie die Augen eines Hundes.

„Aber die anderen sind tot."

„So sorgt dafiir, datz unsere Meiber Kinder lirie-
gen, Buben mik festen Fäusten."

Tiefes Schweigen lagert sich über die wilden Ge-
sellen, schwtil und lähmend wie Gewitterluft. Die
Lene sumnit mit leiser Skimme ein Lied vor sich
hin, wie fie es wohl gehört hak, als sie noch in der
Wiege lag.

Ein alter Aauer rüuspert sich und spuckt aus.
Scheu, hilsloS liommk scine Stimme aus dem dun-
lieln Minllel hervor. „tzm Wasgenwald irgendwo,
hinker Felsen im Urgestein, schläfk Kaiser Karl. tzost
Fritz weisz den Ork, er war schon einmal bei ihm.
Tansendjährige Tannen rauschen dort, und die Na-
ben tragen dem Kaiser Bokschask. Aus sickernden
Tropfen bauen sich Steine, licb.thKller Kristall. Und
Zwerge ichmieden dort die Kaiserlrrone äus Go d
und Ldelskein. Und ist der letzte Schlag gekan, so
chringen die Felsen auselnander, der Kuiser triit
auS dem Verg hervor und steigt hinab ins Tal. öost
Fritz trägt deS Neiches Skurmfahne vor ihm her ...

und die Bäume neigen sich vor dem Kaiser, die Blu-
men niclien ihm zu ... er reitet auf weitzem Notz
und zieht lcindailf, landab, und ewiger Friede liegt
über der Melt."

Schwere Atemzllge ringen sich aus gequälter Brust
und brechen die Stille, die drückend wie Todesnähe
auf den Männern lastet.

„tza, Brüder," sagt öer Prädikank, „so ist es. Mir
hat es Gokt im Traum gezeigt. Die Glocken schwin-
gen von Turm zu Turm, die Menschen tragen weitze
Kleider und halten sich an der Hand. Der Engel
des Friedens zieht lächelnd durch üas Land. Es gibk
keine Herren mehr und keine Knechte. Frei ist der
Mensch, frei ist der Bauer, frei ist das Land ...
Faltek üie Hände, liebe Brüder, zuvor aber wascht
das Blul von euren Händen mit heitzen Tränen.
Erst mutz Friede in euch selbst sein, in euern Herzen,
nur dann kann der Kaiser kommen."

Mit einem wilden Lachen springt Peter Stüblin
auf und wirst seinen Schemel mit einem Futzkrlkk
in die Ecke. „Halts Maui, Pfaffe! Memmen seid
ihr, alke Weiber alle miteinanüer." Mie ein Peit-
schenhieb fährt der beitzende Spott seiner Worte
ihnen ins Gesicht. „tza, träumt nur und faltet
Hände. Legt eure üicken Köpse auf den Älock uilöd'
latzt sie euch abhacken. Was faselt ihr vom FriedetW
ihr Äarren, solange sie uns hehen wie üie MöMM!
- -. Der Frühling ist weit, wir sind noch mitten WZ,
Winter ... Mit den Waffen müht ihr dem KaW'Z'
den Meg bahnen ... Der ewige Friede wächst nuvrj
aus Blut." ^

Wieder Stille, herzbeklemmend, grau und schwer
wie wallende Nebel. Stumm hocken die Bauern
nebeneinander am Boden und starren vor sich hin.
Die Knie haben sie an üen Leib gezogen und die
Arme daruni gelegt. Das Feuer im Kamin malt die
Schatten der Männer riesengrotz an die rutzige
Wand.

„Geht schlafen, Leute," mahnt die Stimme des
Haupkmanns. „Morgen müssen wir weiter."

Keiner rührt sich, kräge guält sich die Zeit hin.

Da hebk sich eine Stimme aus dem Dunkel, wesen-
los, langsam, Wort um Work, als tastete ein Blin-
der sich den Meg: „lla, schlafen ... so schlafen wie
srüher ... mit todmüden Knochen ... wer üas noch
könnte ..."

„tzch habe kein Haus mehr," ächzk eine gequälke
Männerstimine. „Kein Weib und kein Kind. Alles
kok."

„Auch ich weitz nichk, wo ich hausen könnke."

„Und all das Bluk, das schrecklich viele Blut!"

„Frieden?," wimmert es aus dem Dunkel, „gibt's
denn das noch? Seit tzahr und Tag nur Morden und
Brennen. Und auf üem Acker stehen üie Diskeln
mannshoch." Hark reiben schwielige Hände anein-
ander, als machten sie sich gelenkig zum lieben
Werke.

„Haupkmann, lieber Bruder," schluchzk eine zer-
brochene Stimme, — slotzweise, wie wenn Bluk nus
der Ärustwunde quillt, — „ich gehe nicht mik -dir über
öie Grenze ... ich bleibe im Lande ... ich gehe nach
Haus."

„Narr, der du bist, du hast keine Heimat mehr,
bist vogelfrei."

„Dann latzk sie kommen und mich kokschlagen ...
ich will liegen, wo Baker und Mutker liegen," sagk
ein junger Bauer. Berzweifelk legk er selnen Kopf
 
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