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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 8.1928

DOI issue:
Heft 4 (April 1928)
DOI article:
Fritz, Ernst: Aus dem Roman ''Matthias Grünewald''
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https://doi.org/10.11588/diglit.27998#0124

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103

Sclieu wcichon die Männev zurnck, Schrikt um
Schrili, Furchlsnin hcifkel ihr Blick nn dem Bilde,
dns sie in seinem Znuberbnnne hnlt. Anf den Zehen
jiehen sie, die plumpen Füfze in den derben Schuhen
schlcichen qernnschlos, lief kriechen die Schndel in
die Schulkern hinein.

Dn reckk einer den Arm und rveisk nuf die Altnr-
tnfel. Gellend lönt seine Slimme: „Ln, schnut hin,
der koke Anuer nm Krcnz hcbk den Kopf ... er lebk
... o Grnuen, jehk hnk er die Auc>en c>eöffnek! Mör-
der sind wir, Mörder ... Der Tod sitzt uns im
Aacken!" ! '

lln wilder Fluchk drnngen sie zur Kirche hinnus.

Skrnhlend hnk sich die Sonne höher aehoben. tzn
breiken Bnhnen flulek dnS Licht zu den Fenstern des
LhoreS hsrein. lleht gleikek ein goldener Skrnhl nm
Alknrbilde empor, veriveilt nuf dem Auklih des gölt-
lichen Dulders und wirkt ihm eine Skrahlenkrone
um dns Hnupk.

Allmnhlich verskummk drnutzcn dnS wilde Treiben.
Nocheinmnl briillk dns Stierhorn, die Mngen rollen
fork, der Snufe ziehk nb.

,<seilige Slille breikek EngelSflkigel über das Klo-
sler zu tzsenheim ...

Lnnge hak die Lene neben dem Todwunden ge-
kniek. Leise hebk und senkk sich seine Brusk, knum
»lerklich gehk der Akem, Mnkhicis Grünewnld liegk
in tiefer Ohnmncht. Dn greift dns Mädchen eine
Schnle vom Alknr, fliegk zum Brunnen Im Klosker-
hof, lnszk sich ivieder nn der Seike des fremden Mnn-
nes nicder, wäschk ihm mik linder Znnd dns Bluk
nus dem Gesichk und legk ihm dns ktihle nnsse Tuch
um dns wunde Lnupt. Dnnn raffk die Lene die
snmkene Alknrdccke zusnmmen als Pftthl und bektek
ihn weich dnra'uf.

Nichks regk sich in der Kloskerkirche. Goldene
Sonnenstn'ubchen tnnzen im Lichke, als wären es be-
schwingke Limmelsboken.

Da zuckk es wie Schmerz über das blasse Gesicht
des SchlnferS, ein lieser Seufzer enkrinnk seinem
Munde. Tnslend greifk seine Äechte umher. „Wo
bin ich?"

Die Lene neigk dns Haupk bis nahe zu seinem
Munde, um ieden leisen Lauk aufzufangen. Sie
flüskerk: „Du bist bei mir."

Cin glückliches Lächeln spielk um seine Lippen ...
Nach eineni lnngen Schweigen öffnet er makk das
Auge und fragk: „Wo bisk du?"

Sie beugk sich auf seine Hnnd nieder und ktiszt sie.

„Bisk du es, Marln?"

Knum hörbnr klingk ihr „2a", nber der Skerbende
hak es dennoch vernommen. Lächelnd schließk er die.
Augen und verharrk in seliger Nuhe. Kräfkiger hebk
und senkk sich nnch einer Wcile seine Brust, eine
znrke Nöke färbk seine Mnnge. Dnnn skkitzt er die
Nechke nuf den Boden und versuchk sich nufzurichten.
Die Lene hälk ihn im Arme und lehnt sein Hnupk
gegen ihre Brusk. Dn fliegk es wie Sonnenglanz
über sein Gesichk, und deuklich vernimmk das Mäd-
chen die Worke: „Maria, ... sie haben ihm nichks
g'eknn ..." Dnnn hebk er die'inlideiwMugen zum
Gekreuzigken empor und lächelt ihm zn ... lange,
lnnge ... Ilnruhig knsten nuf einmnl seine Zände,
eS legk sich wie ein Schleier tiber selne Augen,
röchelnd gehk sein Akem.

Lnuklos bewegen sich seine Lippen. Endlich ver-
nlmmk die Lene den leisen Lauch: „Mein Kind."

Sie meitz sich keinen Nat und legk ihre kiihle Hand
nuf seine fieberheitze Nechke, die unruhig suchend sich
bewegk. Ermaktet schlieszt er wieder die Augen und
ruhk ein Weilchen. Auf den Fußspltzen stiehlk sie
sich von seinem Lager zum Vrunnen und kehrk
eilends wieder zuriick. Behutsam klihlk sie ihm die
brandigen Lippen und flötzk ihm einige Tropfen des
klnren Wnssers ein. Bnld hebk sich seine Vrusk freier,
und leichker geht der Akem. Wieder schlägk der
Maler die Augen nuf und blickk die Lene an mik
Augen voll kiberirdischen Glanzes. Er murmelt: „Das
Kind sehen ..." und mik den Händen versuchk er
seine Worke deuklicher zu machen, Indem er die
Finger zusammenlegk und dann, so jämmerlich die
krafklosen Glieder auch zitkern, sie wieder öffnek.

Mik brennender Gier sind seine Vlicke auf den
Alkar gerichlck, sie weisen der Lene den Weg. Plötz-
lich verskeht sie den Sinn seines hilflosen Flehens.
Sie eilt die Alkarskufen hinan und stemmk die ganze
Wuchk ihres jungen Körpers gegen den Niegel des
Lllkarflügels. Langsam drehk sich die schwere Holz-
iafel in den Angeln und enkhüllk die Wunder der
önnenbilder: „Mukker und Kind" und daneben „Die
Lluferstehung".

Skrahlender Himmelsglanz erfiillt den Altarraum.
Die Schakken sind gewichen und ducken sich scheu in
die Ecken und unker die Bänke.

Das isk ein Gleiszen und Funkeln, ein tzubeln und
Singen in Fnrben!

Aus Erdennncht hebk sich die Seele in Himmels-
lichk, aus drückender Erdenschwere in himmlische
Freiheik.

Wirbelnde Flammenkreise reitzen den staunenden
Alick Ins Grenzenlose. Die engenden Hlillen fallen,
die Erde versinkk in Nichts, vergeiskigk schwingt sich
die Seele mik dem Oskerfürsten hinauf zur Skernen-
fahrk.

Der Sieger liber Tod und Grab kehrt heim ln sein
Neich.

Er gehörk nichk mehr der Erde. Den Skernen fliegt
er zu mit welkenumspannenden Armen.

Sein Anklitz wird zur Sonne, flimmernde Licht-
körperchen füllen das weike Nund des Firmamenkes
und kreisen in leuchkenden Bahnen um das körper-
lose Chrlstushaupt als Lichkguelle und Melkenmikkel-
punkt.

Nauschende Siegeslieder sind in Farbköne gefaszk
von unerhörker Kiihnheik. Bom blendenden Meif;
schwingk siä) das Ewigkeikslied himmlischen Lebens
über liä)kfakkes Gelb zum flnmmenden Nok und liber
zaubrisch leuchkendes Blaugrün zu lichtkrunkener,
fnmtener Dunkelheik, wo es leise verklingk.

Geheiinnisvoll rnuschen die Fiktiche der Geisker-
welt, verlunken ist alles Erdenleid.

Gokk ist nahe.

Makhias Grünewald hat sich mik der lehken Lebens-
krnfk aufgerichkek. Die Lene kniek hinker ihm und
skützk ihn mik sorgenden Armen.

Weilgeöffnek sind seine Augen, Himmelsglanz
leuchkek aus ihnen. Er grützt die sugendliche Gokkes-
mukker ... berauscht von Licht freuk er sich ihrer
 
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