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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 8.1928

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Heft 6 (Juni 1928)
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Siebert, L.: Mit Schülern auf der Fahrt durch Schwabens und Frankens altertümliche Städte
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https://doi.org/10.11588/diglit.27998#0188

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UP, k

"Allsliidt, dec ihre Form durch Gebirge und Neckur
vorneschrlebeu wurde, der „Äitler", die Heiliggeist-
liirche und vor allem iialürlich öas Schlosz gabeu
auf uuserer Fahrl den ersken Anlasz zu deutschliund-
licheu Crläuteruuaeu uud uuverkeuubar die ersteu,
aber auch vielleicht uachhaltigsten Aureguugen. Da
bei dieser Aeise aruudsätzlich weuig „lluueiibesichti-
guugeu , d. h. solche vou Gemäldegalerieu und Mu-
seeu der verschiedeiisteu Arteu, vorgeuommeii, sou-
deru uur üie Städte als solche uud ihre archilektonisch
bemerkeusiverteu und charakleristischeu Bauteu stu-
üierl iverdeu sollten, so hielteu ivir uus iu Heidel-
berg uichl allzulauge auf uud strebteu uach Mimp-
seu am Berg, dieser reizvoll gelegeueu hesslscheu
Luklave. Hier tritt eiuem das ANklelaller schou
greifbar eutgegeu. Gukerhalkeue Befestigungsaulageu,
Aeske der Barbarossaburg (jeht sehr stimmungsvoll
zum TageSraum dec clugendherberge verwandt),
typisch miltelalkerlich enge, winklige Gassen mit
prächligen Durchblicken und so ziemlich jedes Haus
cin sehenswerker Fachwerkbau, ofk mit schöner
Holzarchitekkur in deu geräumigeu Höfeu. Linen bc-
jouders schöueu Aublick gewährt das Städtchen vom
Neckartal auS, es liegt auf einem zum Flust abfnl-
lenden Hang uud erinuert iu dieser Hinsicht etwas
nu Aolheuburg. lieber llagstfeld ueckaraufwärts isl
es uichl welt bis Heilbrouu, uuter desseu reichs-
slndlischcu Schuh Schilier sich im Herbst 1793 begab
uud iu desseu 4ialhaussaal im prächtigeu, ursprüug-
lich golischeu, dnuu nber im Lleuaissauce-Skil um-
gebauleu Aakhnus Göh v. Berlichiugeu Ohrfeigeu
aubol, die „Kvpfweh, Znhuweh uud nlles Weh der Lrde
aus dem Gruud kurieren". Der Kleislverehrer fiu-
dcl üagegen nichtS vor, denn es wird nur ein Haus
gezeigk, üas Käkcheus Baterhaus geweseu sein s o l l.
Trotz mancher alkertümlichen Stratze, manchem
inkeressanken Vauwerk hak die Stadt den Eindruck
mikkelalkerlicher Geschlossenheit nicht bewahren kön-
ueu. Durch ihre güuslige Lage ist sie zu sehr Fabrik-
und Zandelsstadt geworden. Auch von oer ehemali-
gen Skadkbefestigung ist kaum etwas erhalten. Des-
halb erschelnk das gut eine Wegstunde östllch Heil-
broun gelegene Weinsberg uugleich reizvoller. Das
Skädkchcu wird beherrscht von der wohl allgemein
bekauukeu Burg „Welbertreu", die eineu so gleich-
mäszig geformtezi Kegel kröut, datz mau meinen
köunte, er sei acl kao künstlich angelegt. Mas iu
Weinsberg, uud uakürlich auch in anderen süddeut-
schen Städtchen, besouüers auffällt, das sind die gro-
szen, kuuskvoll geschmiedeken, weit in üie Skraszen-
mlkke vorspriugendeu Wlrtshausschilder. Autzer üem
3uskinus Kernerhaus mit seinem düskern Geisterkum
und autzer dem skiminungsvoll gelegenen, uralken
Gerichtsplah, der im Bauernkrieg eiue so blukige
Aolle spielte, hat übrigeus Weiusberg iu der neue-
skeu Zeit elue weikere Sehenswürdigkelt bekommeu,
die viel zu wenlg beachket wird, in einer freigeleg-
len und zur Zeit geschickk rekonskruierken römlschen
Lndeaulage. " ,

DaS nächste Ziel war die berühmte ehemalige
Liskercienser-Ablei Maulbronn, also keine urspclliig-
iiche Sladkaniage, sondern eine wpische Klosker-
grüuduug mit umfangreichem Kloskerhof. Wenn man
biesen durch daS alte Tor bekritt und damit abseits
uommt von der Landstratze mit ihrem unangenehm
lebhafleu Autoverkehr, so umfängt einen ein solch
ivunderbnres Geftthl der Auhe, der Aeschaulichkeit

und des Geborgeuseius, datz mau Stundeu in ihm
verträumt, ohne es gewahr zu werden. Bon den
zahlreichen, erhallcne'n Klosleranlagen Deutschlands
ist die vou Maulbrouu uach meiucm Geschmack un-
zweifelhaft die architektonijch bedeulendste und, was
mir persöulich immer wichtiger ist, die stimmuugs-
vollste. Datz die Gokik zwar vorherrscht, aber uichl
allein herrscht, datz spätromanischer und Ilebergangs-
stil für das Auge immer neue Auhe- und Auregungs-
punkke zugleich bieten, ist depi Stilreinheitsfaniikcr
wohl zuwider, dem Stimmungsmenschen aber spin-
pathisch. Der Gesamteindruck von Maulbronn war
mir von meinen ersten Besuchen aus laugverkluuge-
uen Heidelberger Skudentenkageu iusofern in bes-
secer Erinnerung, als die volllrommene Abgeschiedeu-
heit des Städtcheus diesem nur zugute kam. Heute
verbindet eine Nebenbahn Ork und Station der
Hauptbahn und zahllose Besucher kommen aus der
Nähe und der Ferne im Krastwagen dorthin. Ge-
witz wird das vom wirkschaftlichen Skandpunkt aus
von vieleu begrlltzk, wir altmodischen Meuschen je-
doch sehen darin in diesem Fall keinen Fortschcitk,
sonderu uur das unentrinnbare Schicksal unserer
Zeit, in der die Aomantik stirbt.

Den südlichsten Punkt unserer Fahrt erreichten
wir in Ulm, wohiu wir vou Maulbronn aus durch-
fuhren, uicht als ob es auf uud au dieser Skrecke
uicht allerhaud SeheuswerkeS gäbe, uud wir habeu
mnuches geseheu u. a. den Hoheu-Asperg und deu
Hoheuslauseu, souderu weil uuser Programm sich ja
von voruherein auf Slädkebilüer, Befestigungsaulngeu
uud Liuzclbauken beschräuk! halle und auch üaS uur,
soweit daS ANklelaller iu Frage kam. Deshalb fuhreu
wir auch stolz durch Mllrllembergs stolze Hauplstadl
durch, die vielleicht wie so manche durchsahrene Stadk
bei einer anders eingestellkeu Neise zu ihrem Rechk
kommei! wird. Zn Ulm hat man mehr den Lindruck
in einer alten Stndt zu seln als etwa in Heilbronn,
dabei spricht wohl auch der Charakker als Festung
mit. Am meisten imponierte uns die alke Skadt-
mauer, die auf lange Strecken erhalten ist und ek-
was zeigke, was uns ganz neu war. Auf der mäch-
tigen Mauer hatten die Ulmer nach der Autzenseite
zu eine Unzahl winziger Häuschen errichtet, die sie
ihren Skadtsoldaten als Wohnuug gaben. Dadurch
verteidigten diese bei einem Angriff auf die Skadt-
inauer mit gleichem tzukeresse sich selbst und die
Stadt, wahrlich, gar nicht übel ausgedacht. Elnen
herrlichen Spaziergang gewährk der Teil der Skadt-
mauer, der sich an der dork tatsächlich wunderschönen
blauen, aber auch sehr reitzenden Donau hiuzieht,
-besonders in üer Gegend des schiefen Mehgerkurms.
Alt-Ulm, vou üer dork in die Äonau mündenden
Blau iu verschiedeuen Armen durchflossen, hak man
oft wie Alt-Aamberg mit Benedig verglichen. Hier
fiudet der Liebhaber und Kenner milkelalterlicher
städtischer Verhältnisse eine Menge inkeressanker
Dinge: die Skratzen der einzelnen Gewerbe, Rat-
haus, Schwörhaus, Kaiserpfalz, Patrizierhäuser mit
wunderbaren Türen und bie verschiedenen Märkte.
Einer von ihnen, der Schweinemarkt, auf gut würk-
tembergisch Säumarkt, zeigt, datz der bekannte Ulmer
Humor noch nicht ausgestorben. Die Streikfrage:
Schweine- oder Säumarkt löst eine im lehten tzahr
an einem der dorkigeu Häuser angebrachte Tafel in
launlger Weise: „Auch auf dem Markt der Säue,
wohnt rechte deuksche Treue!" Und nicht nur echke
 
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