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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 8.1928

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Heft 10 (Oktober 1928)
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Kolb, Gustav: Der 6. Internationale Kongreß für Kunstunterricht in Prag vom 29. Juli bis 12. August 1928
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https://doi.org/10.11588/diglit.27998#0312

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Aeberblicki deim um 10 Ahr sand die Eröffnung
ües KongresseS im weii ubgelegenen Pcirla-
inentsgebäude statt. Mir inujzten — einige biedere
schweizerische Ainlsgenvssen haiten sich uns inzwischen
brüderlich zugesellt — uns beeilen und liamen nach
einer inühseligen Orrsahrt durch verschiedene Bezirlre
der Stadt, die wir unserer Uickennlnis der tschechi-
schen Sprache — wer versleht sie auszer den Tsche-
chen? —, in der alle Strajzenbezeichnungen und son-
stigen öffentlichen Aufschriften gehnlten sind, und
einigen iniszglücklen Ausluinslen verdnnlilen, gernde
noch rechl jin unlerirdischeii, öichlgefülllen Aiesen-
sanl des Parlamentsgebnudes an.

Bon den vielen B e g r i! sz u n g s r e d e n, die in
englischer, französischer, öeutscher und tschechischer
Sprache gehalten wurden, svllen nur zrvei, dle uns
näher angehen, hervvrgehobe» werden. Äach der
Eröffnung des Kongresses dnrch den Borsihenden öer
ckrternationalen Bereinigung fllr den Zeichen- und/
Kunstunterrichl Dr. A. Speclrer, nahm der schoi/s
genannte tschechische Ilnlerrichksininisker Hodza das
Work rind begrüszle die Kvngreszleiliiehiner iinAaineii
der tschechischen Aegierung. Er stelite fest, dasz die
Teilnehmerzahi öes VI. Kongresses alle früheren Kon-
greise übertreffe.^ Besonders erfreulich sei es, dasz
auch die Deulschen, wenn auch inoffiziell, so zahlreich
nnwesend seien. Die Kunsterziehung sei ja auch ein
völlierverbindendes und völlierversöhnendes Eleinent.
Ein freundschaftliches Zusammenarbeiten der groszen
nnchbarlichen Kulturnationen der Deutschen und der
Slaven, die schon seit Oahrhunderten Kulturgllter
miteinander auskauschlen, sei nicht »ur wünschenS-
werl, sondern auch mvglich. Sie hätten zu ihrem
eigenen Wohl und zum Mohle der Menschheit mit-
einander zu arbeiten und nicht einander zu bekämp-
en. Deshalb begrüsze er die deutschen Gäste, die ihm
esvnders willlivminen seien, mit Osfenheit und Herz-
lichlieil.

Solche FriedenS- und FreuiidschaflSschalineien
hörte mnn gerne und innn inöchle nur wlinschen, dasz
diese „Offenheit und Herzlichlreit" der tschechlschen
Negierung sich auch der deulschen Minderheit gegen-
über sich wirlrsam erweise.

Mil besvnderer Anleiliiahme lauschlen wlr den
warmen, mil groszem Beisall nusgenommenen Worlen
nnseres AeichSverbandsvorsihers, des Herr» Studien-
rals F r i h . Dortmund. Wir sind in der Lage, die
fAede wörllich wiederzugeben. Sie lauleli

„2ch habe die Ehre, im Mimen der deiilschen Kon-
v greszleilnehmer Ohnen allen herzliche Grüs;e aus-
zusprechen und dem Prager Kongresz den besken Ber-
lnuf zu wünschen.

2n Sonderheit enlbiele ich Ihnen Grusz und Glüclr-
wunsch der beiden grosien ?KeichSverbände aliade-
misch gebildeter Zeichenlehrer und Zeichenlehrerlnnen
nn höheren Schulen. Wenn auch unersieuliche inner-
pollllsche Erfahrungen der lehlen Zeil die Arsache
waren, dasz die deutschen Kunslerzieher nicht so alitiv
bei dem Äufbau dieses Kongresses tälig sein lionn-
ken wfe sie es gewünschl hatten, schmerzliche Ent-
täuschungen, da die deutschen Kunskerzieher, namenl-
lich die preuszischen, bei ihren Aegierungen nichk das
Berskändnis fanden, das sie erwarken durflen, so
darf lch Ihnen dennoch sagen, dasz die deukschen

* Aach Zeitmigsberichte» folle» cs etwci 3SÜ0 Tciliishmer ge-
«efeii seiii, dariiiiter iiber lüüü Miiierlkniier imd Engliiiider.


Kunsterzieher nlcht nur init ihren Gedaicken und
Siimpalhien, sondern mil ihrein ganzen Herzen hier
zugegen sind.

Mit besonderer Genugtuung erfüllt es uns, dasz
diese glanzvolle Tagung stallfindet in Prag, der
schönen, alten Stadt, deren Geschichle so viele Be-
rührungspunlrte mit der deutschen Geschichle hat.

Es erhebt sich die Frage: Hat ein solcher inter-
nationaler Kongreh überhaupk eine Berechtigung?
Kein anderes Gebiek hat !n den lehten Lahrzehnlen
eine so gründliche Umstellnng erfahren, wie daS dec
Kunsterziehung. Aus langem Schlafe wachte Aschen-
brödel auf, und siehe da, es wurde zum KönigSltind.
Das Wunder vollzog sich in ganz kurzer Zeik, fast
über Nncht. And in jiingsrischer Krafk, ihrer hohen
Aufgabe bewuszt, schritt — nein stiirmle — die Be-
freite dahin, voli Schwung, voll Äegeislerung. 2eder
von uns weijz es — sonsk wären wir ja nicht hier —,
es ist heute eine Freude, Zeichenlehrer zu sein. Der
ernste Methodiker aber, der sich verantiporklich fühlt,
srngt sich: Sind wir auf richkigem Mege? Wie können
wir dieser stürmischen BorwärtSbewegung Dauer und
Sicherheit geben? Und da ist dann eine solche Aus-
stellung, wie die des Kongresses, mit der Flllle ihrer
Anregungen und Bergleichsmöglichkeiten ein wun-
dervolles Mittel. Auf diese Meise zeigl der Kon-
gresz nichk nur seine Beiechtigung sondern seine Aol-
wendiglieit. Man weis; sich e i n s mit vielen Gleich-
strebenden auf der ganzen Welt, llberall regl eS sich,
überall, llberall die gleiche Begeislerung, daS gleiche
restlose Sicheinsetzen. Gewisz, die Kunslerziehung
marschiert, sie läszt sich nichk mehr vom einseikigen
Ontellelitualismus in Kellen legen, sie siegl!

Wir Kunsterzieher glauben ckn die hohe AUssion
unseres Faches, wir glauben, an die Berechtigung
unserer Ideale, wir glauben an die Zugend und somit
glauben wir auch an die Zickunft. Der Kongresj ist
ein Meilenstein auf dem Mege zu diesem Ziele: wir
hvssen, dasz er für alle Zeilen in der Geschichle des
Zeichen- und Kunstunkerrichts als bedeulungsvolleS
Ereignis gelten möge und in der Erinnerung aller
Kongrejzteilnehmer hafteri möge, so strahlend hell,
wie sich heule morgen ber blaicke biaue Himmel über
der' allen Sladl Prag wölbl."

Den Begrüszungen folgten noch Borkrüge llber
„Die kulturelle Bedeukung der K u n sk -
erzieh u n g". Mir hosfen, die auSgezeichnele Aede
des Freiherrn Dr. v. P e ch m a n n , des Direülors
der iieuen Kunslsammlungeii in Aiünchen, die slür-
mischen Beifall sand, demnächst in „Kunsl und 2u-
gend" verösfenklichen zu können.

Damit war man schon mil vvllen Segeln in daS
schier uferlose Meer der mündlichen Erörlerungen
eingelaufen, die in zwei gelrennten Abteiluiigen iind
Näumen Tag für Tag, vvrmittags und nachmillags,
die ganze Woche hinduich slnllsanden. Da ich dcr
Bersinbarung m!t Skudienrat Ftilz gemäs; den Be-
richl über die Ausstellung übernvmmeii halle, fand
ich wenig Zeit zum Besiiche dieser Aedeschlachlen.

Am unseren Lesecn einen Ueberblicli über das Ge-
botene zu geben, sollen hier wenigstens die Haupt-
themen, abgesehen von denen, die in der Ableilnng
Fach- und Kunstschulen erörtert wurden, genannl
sein, über die jeweils von Aedner» verschiedener
Aationen berichtet wurde.
 
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