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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 8.1928

DOI Heft:
Heft 10 (Oktober 1928)
DOI Artikel:
Kolb, Gustav: Der 6. Internationale Kongreß für Kunstunterricht in Prag vom 29. Juli bis 12. August 1928
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https://doi.org/10.11588/diglit.27998#0316

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Volkes und cinderer Völker Oflasiens. Wenn mnn
tiefer siehk, nimmk mnn wnhr: Die herrliche nlte jnpn-
„ische Knlkur skirbk durch eigenes M o l l e n.
Inpan libk zurzeik Harikiri nn seinem köstlichsten
Eigengut. Auf dem Kongrejz fiihrte der Berlreter
Iapnns, Shimodn, Sekretcir an der kaiserlichen Kunst-
schule „Tokio", folgendes nus: „Zeute hnt sich Znpnn

It seiner Zivilisnkion dem Melkniveau gennherk.
Dns krifst nuch hinsichklich des Kunstunterrichts zu.
Entsprechend dem Leitsalj: „Inpan den llnpanern!"
erwachten die Schulen aus dem naiven Primitivis-
mus, der auf dem geistlosen Kopieren beruhte, und
begnnnen, sich der Wissenschast des Weskens zuzu-
wenden. Dns fiihrte ziinnchsl zu leidenschnsllichen
Polemiken." — Was will dns nnders heiszen alS:
öapan gibl seine Abgeschlossenheit und damit seine
Mreinzelung und seine Eigenart auf, um seine mnke-
rielle Selbslnndigkeit, seine nationale Existenz im
Weklkampfe der Nnlivnen behnuplen zu können.

Wer inüde von der Besichllgnng der Llusstellung,
von deiiii Slehen! und Gehen wnr, den lud die Lese -
hnlle ein. Hier fand mnn nicht nur die wichligsten
neueren Werke der verschiedenen Gebieke des Zei-
chen- und Kunstunlerrichles, sondern nuch eine
Menge Fnchzeitschrislen nuS nller Well.

Damit schlieszen wir unsere Aetrachlung liber die
Ausstellung, die im Nahmen dieses Berichts nur
das Wichkigste hernusstellen konnle und sich auf die
allgemeinbildenden Schulen beschränken mujzte, die
Fach- und Kunslschulen also nichl berüclisichligle.

Wo-von wäre auszerdem noch! zu berichken? Elwn
von dem „Denlschen Haus", dem ausgezeich-
neten deulschen Aestnuranl, in dem sich die deulschen
Besucher ln den Llbendslunden trnsen und eine wlrk-
liche Heimnl snnden? Keiner von u»S wird die Soim
inernbende vergessen, nn denen wir in dein lusligen
Garlen im nngeregken GednnlienniiSlnusch beiin „Pil-
sener" saszen.

Oder sollen wir noch des Kongresz-Bergniigungs-
progrnniins gedenken, dns dnnk der Fürsorge der
Kongreszleilung überanS reichhallig wnr? Leider
konnle ich neben der Aesichligung der Ausslellung,
die ineine ganze Zeil und Krnst in Anspruch nnhm,
weder den „Freundschaslsnbend" init dem gemein-
sninen Llbendessen und der „Tnnzsviree", noch die
Besichligung der Sladt Prng, noch die Konzerie und
das „Gesellschnflsbnnkell", das deu Kongiesz nb-
schlosz, noch die Fnhrt nnch Brünn „zur AuSslellung
zeilgenössischer Kultur" mit dem nnchsvlgenden „Bnn-
liett der Slndk Brllnn" genies;en.

Lluch von den Einlndungen deS AnterrichlSininislers
und' des Präsidenlen Masarpk konnte ich keinen. Ge-
brniich iiiachen. Doch hörle ich mil Bergnügen die
begeisterlen Schilderungen ineiner Freunde, die noch
heute von den Märchen nuS 1UV1 Nachl schwärmeii,
von den „Tischlein deck dich" und von den musik-
durchrauschten, schatkigen Gnrten, in denen sich nn
diesen Abenden Zunderte von Frauen und Männern
aus aller Melt fröhlich bewegten.

Der „D eutfcheAben d" am 1. August, der die
deutschen Kongreszbesucher mit deu Bertrekern des
Deutschkums in der Tschechoslowakei in Fühlung brin-
gen sollke, wnr aber kein Bergnügen. Man sasz bei
der Gluthihe in den viel zu engen Miuinen des
„Deutschen Hnuses" dicht gedrängk beieinnnder wie in
Nebukaduezars Feuerofen, hielt seine Pslichlreden

mik allem Ausgebot seiner versagenden Kraft, obwohl
die schönsten Äedeblumen, alsobald, wie sie geboren
waren, in der schwülen Luft verwelkten.

Ilnvergeszlich wird mir aber der Abend sein, an
dem ich init einem lieben Freund nach Schlusz der
Aussteliung das Moldauufer ^ntlang wanderte, bis
wir vor der alken herrlichen, von unserem Lands-
mann Peter Parler erbauken Vrücke standen, Dort
rasteten wir, snhen den Frauen, die ihre Wäsche im
Flusse wuschen und den Booken zu, die sich im Wasser
schaukelken. Bor uns lag die türmereiche Sbadt, und
über die massige graue Brücke, die den Flutz mit
kühnem Bogen überspannt, zogen feierlich die Abend-
ivolken.

3n der Däinnierung gingen wir dann wieder in die
Stadt zurück: über die Moldaubrücke ani Hl. Nepo-
muk, an hochgiebeligen alten Patrizierhäusern und
Kirchen vorbei, durch dunkle winklige Gassen. in
denen die Aahrhunderte schlafen und träumen. Doch
welche Ileberraschung! Plöhlich, ohne Uebergang,
standen wir im Nlenschengewoge des internakionalen
Groszskadtlebens mit seinem gcellen Lichterspiel und
Autolärm. So hart ineinander spielen in dieser
Stadt die Gegensähe von alk und jung, von Ge-
schichte und Gegenwart, von verkräumter Nomanlik
und wachem, harken Wirklichkeilsleben. Melche
zweike Stadt könnle darin mit dem „goldenen Prag"
wechseln!

Boll Poesie war dann noch die Dnmpferfahrt, die
wir Schwaben mit einigen norddeutschen Freunden
nm SnmSlag iiachmittag unternahmen. Man halle
zuin ersten Nlal daS Gefühl, Ferien zu habe».
Wunschlos glücklich fuhr man im Sonnenschein die
Nloldau hinauf, an grauen, phantastisch geformten
Felsen vorbei, aus denen ab und zu uralte Türme
wachsen, dnnii den slachen Stränd enllang, der mit
den lustigen Farbflecken der Badenden übersäl war.
^tach elwa zweistttndiger Fichrt slieg mnn ans und
genosj in der Schenke eines nahegelegenen Dorfes
unter heilereu Gefprächen eine Ersrischung. Wie köst-
lich mundete das billige „Pilsener , das man auch
hier ivie in Prag in groszen bauchigen Gläsern
schenkte. And wie wundervoll war dann die Liück-
sahrl durch den lauen Soininernbeiid! slhr lieben
Freunde: Wijzk ihr es noch, wie die Mellen melo-
disch um unser Schifflein rauschten, und der Abend-
wind unS den schwerinüligen Snng der Prager
Glocken enlgegenlrug? llch grüsze euch!

So war der Prager Kongrejz sür u»s Deulschen,
vbwohl wir mik unserer Arbeit nbseitS standen, doch
nicht ergebnislos, sondern eine Qnelle inannigfacher
Anregung iind Auffrischung. D.aS dürfen wir sest-
slelle», wenn wir, unseren Bericht nbschlieszend, die
einpfnngenen Eindrücke nochmalS überschaiien und
einige bedeutsame Lehren, die wir empfingen, ins
Licht stellen.

Man lernk oft am meisten an „Gegenbeispielen",
an Fehlern anderer — und an seinen eigenen Feh-
lern.

Bon dem groszen belgischen Künsller Meunier wird
erzühlt, er sei einmal vom Vesuch einer Pariser Kunst-
ausstellung, von der er viel Anregung erhofst haltc,
rechl gedrückk zurückgekehrk und habe seinen Freun-
den immer ivieder die Morte wiederhvll: „Eine leise
zikternde Linie hat dle Kunst gerellet." Äas wollle
 
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