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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 27.1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.6189#0026

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Forschungen — Literatur

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im zweiten Bande der >Ars asiatica« weiteren Kreisen be-
kannt. Es ist eine Grabstele, die 554 datiert ist und in
interessanter Mischung den nationalchinesischen Stil der
Hankunst neben dem indischen Import der buddhistischen
Heiligendarstellung zeigt. Ähnliche Stelen sind nicht selten.
Das Bostoner Werk ist aber ohne Frage das ansehnlichste
und qualitativ am höchsten stehende seiner Art. Eine Fort-
setzung der Veröffentlichung ist in Aussicht gestellt. Man
darf gespannt sein, ob auch für die Tang- und Sungzeit
gleich bedeutende Repräsentanten der chinesischen Plastik
erworben werden konnten.

FORSCHUNGEN

Zu der kürzlich hier gegebenen Deutung der beiden
Buchstaben V. V. auf dem Berliner Jünglingsporträt
des Giorgione schreibt Paul Schubring in der Vossischen
Zeitung: Die Deutung Rudolph Schreys auf »Vanitatum
vanitas« will wenig zu dem Gesamtcharakter dieses ruhig
geschlossenen Gesichtes passen, und man müßte also an-
nehmen, daß es sich um einen Familienwahlspruch han-
delt, mit dem der hier Porträtierte persönlich nichts mehr
zu tun hat. Aber solche Familiensprüche der Renaissance
haben meist eine positive Lebensauffassung, wie das be-
rühmte Motto der Medici: »Semper», oder sie enthalten
eine Huldigung an die Ewigkeit: Non nobis, Domine
(Vendramin-Venedig), wobei zu ergänzen ist: »Dir allein
sei die Ehre.« Solche Lebensworte wurden außerdem
ausgeschrieben und nicht hinter das Rätsel der Initialen
versteckt. Zur Deutung des V. V. hilft aber vielleicht ein
Kupferstich von Dürer, wo die beiden Buchstaben ebenfalls
am Sockel eines Porträts stehen. Ich meine das Porträt Frie-
drich des Weisen, den Kupferstich von 1524. Die auffallend
breite piedestalartige Inschrifttafel bringt in sechs Abschnitten
die Widmung und Signierung. Die Reihe vor der Jahreszahl
lautet B. M. F. V. V. und bezieht sich auf den Kurfürsten.
Diese Initialen glaube ich zu deuten als Bene merens fuit,
vivit, vivet. Man findet oft über Renaissanceporträts das
Selbstlob des Künstlers über sein Werk; die lebendige
Gegenwart des Porträts ehrt Modell wie Maler. So glaube
ich auch die beiden V. V. Giorgiones auf dem Berliner
Bild als Vivit-Vivet, er lebt, er wird leben, deuten zu
sollen. Eine freundliche Parallele bietet die moderne Kunst.
Auf Manets Grabstein stehen die Worte: manet, manebit.

LITERATUR

Julius v. V£gh, Die Bilderstürmer. Eine kulturgeschicht-
liche Studie. Straßburg, J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel)
1915. 140 S. 8°.
Man kann in diesen Zeitläuften von Bilderstürmern und
»Vandalen« nicht reden, ohne der Vorwürfe zu gedenken,
die seit Beginn der Feindseligkeiten gegen unsere Kriegs-
führung in Belgien und Nordfrankreich erhoben werden»
Darum beginnt der Verfasser seine kulturgeschichtliche Stu-
die über Bilderstürmer, deren ungarische Ausgabe im Januar
1915 bei Singer Sf Wolfner in Budapest erschien, mit einer
temperamentvollen Entgegnung auf die gegen uns erhobenen
Beschuldigungen. Wie uns scheint, hält von Vegh die rich-
tige Mitte, indem er sich einer löblichen Objektivität be-
fleißigt. Der Krieg ist eben auf Gewalttat und Zerstörung
begründet, und es wäre sinnlos, von ihm etwas zu verlangen,

was sein Wesen aufhebt. Auch unsere Soldaten haben, wie
unsere Feinde, Kulturgüter zerstören müssen: Eine fünf-
hundert Kilometer lange, mehrere Meilen breite Zone der
Verwüstung erstreckt sich von Beifort bis an die Nordsee.
Wenn aber wirklich in diesem furchtbarsten Kriege, der je
geführt wurde, kostbare Werte der Kultur zugrunde ge-
gangen sind, so fällt die Verantwortung dafür ungeteilt
denen zu, die diesen ruchlosen Krieg gewollt haben.

Ruinen bezeichnen den Weg der Weltgeschichte. Sieg-
reiche Heere verwüsten in Feindesland Bauwerke, die meist
stumme Zeugen einer höheren Kultur sind. Jedoch nicht
ohne weiteres ist die Zerstörung von Kunstdenkmälern ein
Zeichen von Barbarei. Die Päpste des Mittelalters und der
Renaissance haben viel Schönes vernichtet, um an dessen
Stelle — ihrer tiefen Überzeugung nach — etwas Schöneres,
Besseres zu setzen. Jene Zerstörungen antiker Bauten waren
die Folge überströmender Schaffenslust einer sich selbst
vertrauenden Gegenwart, und immer trat neue Schönheit
an die Stelle der Alten. Wo aber die kunstfeindliche An-
schauungsweise sich zum System, zum Prinzip erhebt, wo
sie die Kunst in ihren einzelnen Äußerungen oder in ihrer
Gesamtheit aus Überzeugung nicht nur verurteilt und be-
kämpft, sondern zerstört, da haben wir nach Ansicht des
Verfassers es mit dem Bildersturm zu tun. — Das Buch ist
sehr anregend geschrieben. b.

Paramentik. Von Helene Stummel. Verlag der Jos. Kösel-
schen Buchhandlung in Kempten und München. 15 Liefe-
rungen zum Preise von je 3 Mark.

Es ist eine unleugbare Tatsache, daß einzelne Zweige
des kirchlichen Kunstgewerbes unserer Zeit einer gründlichen
Reform bedürfen, vor allem wohl die Paramentik. Der
feine Farbensinn, der die liturgischen Gewänder des Mittel-
alters auszeichnet, ist uns verloren gegangen; die Anilin-
farben, wie sie unsere Fabriken zu billigen Preisen liefern,
haben eine verheerende Wirkung auf das Farbenempfinden
ausgeübt. Die Dutzendware überwiegt. Gewiß hat es
nicht an Bemühungen gefehlt, hier bessernd einzugreifen,
aber die Paramentenvereine haben es nicht verstanden,
das Übel an der Wurzel zu packen.

Bei solcher Sachlage ist es zu begrüßen, daß eine
wohlbekannte Schrittmacherin des guten Geschmacks im
Fache der Paramentik, Frau Helene Stummel in Kevelaer,
sich dazu entschlossen hat, die Ergebnisse ihrer langjäh-
rigen Studien und Arbeiten der Allgemeinheit nutzbar zu
machen. In einem auf fünfzehn Lieferungen veranschlagten
Text- und Tafelwerke gibt sie an Hand von etwa 200 Illu-
strationen und 20 Farbentafeln eine Anleitung für die
Rhythmik der Formen und der Farben und für die Art der
Zeichnung, einleuchtende Auseinandersetzungen über den
Wechsel der Technik, das Wesen des Ornaments, die
inneren und äußeren Ursachen der malerischen Wirkung.
Von der ornamentalen Stickerei des Mittelalters ausgehend,
ist die Verfasserin schließlich zu einem durchaus persön-
lichen Stil gelangt, der sich von der Anlehnung an die
Kunst der Alten emanzipiert. Nach dem Eindruck der so-
eben erschienenen ersten Lieferung darf man für den Inhalt
und die Ausstattung der vierzehn späteren das allerbeste
erhoffen. Möge es den Bemühungen der Verfasserin ge-
lingen, eine vernünftige Reform der Paramentik herbei-
zuführen und diese lange vernachlässigte »ars sacra« auf
eine höhere Stufe zu heben. b.

Inhalt: Reiseeindrücke. Von Ernst von Liphart. III. Venedig und Florenz. — Fritz Lißmann t; Kurt Schäfer t- — Berliner Kaiser-Friedrich-
Museum. Museum of fine Arts in Boston. — Berliner Jünglingsportriit des Oiorgione. — Juliu« v. Vegh, Die Bilderstürmer. Paramentik.
Von Helene Stummel.

Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstraße IIa
Druck von Ernst Hedrich Nachf., q.m.b.H., Leipzig
 
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