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Ausstellungen — Vereine — Berichtigung
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(degli Scalzi) zu Venedig mitgeteilt: In den Tagen vor dem
Kriegsausbruch war alles Bewegliche aus der Kirche ent-
fernt worden; so wurden ein kleines Gemälde von Gian
Bellini, wertvolle Leuchter von Murano und Glaskameen,
die zu den besten Beispielen der Glaskunst des Settecento
gehören, vorher gerettet. Die österreichische Bombe drang
von der Mitte des Daches in die Kirche, durchschlug zwei
Dachböden und das Stabwerk, an dem das Deckengemälde
Tiepolos befestigt war, stürzte dann auf den Fußboden und
explodierte dort. Die Explosion verursachte den Einsturz
des Daches (das schon von früher zwei starke Querspalten
aufwies), beschädigte die Statuen, zersprengte die Tür und
zerschlug den vielfarbigen Marmor des Fußbodens in Stücke.
Die Deckenmalerei liegt jetzt zwischen Ziegeln, Stein- und
Balkenspliitern am Boden zerstreut. Die Dachstuhlbalken
drohen an verschiedenen Stellen herabzustürzen. Von der
Malerei Tiepolos blieben nur da und dort, wo die Decke
auf den Säulen aufruht, einige Reste. Die Wiederher-
stellungsarbeiten sind sofort in Angriff genommen worden.
Alle Teile, die einzustürzen drohen, sollen beseitigt werden.
Auf die Frage nach der Möglichkeit einer ganzen oder teil-
weisen Rekonstruktion des Deckengemäldes hat Prof. Fogo-
lari, Direktor der Galerien von Venedig, eine negative Ant-
wort gegeben. Für den Fall, daß man später an der Decke
der Kirche eine Kopie der zerstörten Malerei anbringen
sollte, ist es wichtig, daß der Bildhauer Antonio dal Zotto
in Venedig eine angeblich eigenhändige Wiederholung in
Öl besitzt, die nur in wenigen Einzelheiten von dem großen
Deckengemälde abweicht.
AUSSTELLUNGEN
Eine unbekannt gebliebene Jugendarbeit Max Klingers
wird derzeit in der Kunsthandlung von P. H. Beyer & Sohn
in Leipzig gezeigt. Das aus Privatbesitz aufgetauchte Bild
war wirklich bisher vollständig unbekannt und ist noch
niemals irgendwo abgebildet gewesen. Es ist der 90X44 cm
messende Entwurf zu einer großen dekorativen Wand-
malerei, entstanden etwa 1878, als Klinger an der Berliner
Akademie bei Gussow studierte. Damals wurde aus einem
Stipendium für Freskomalerei ein Wettbewerb ausge-
schrieben, wofür entweder eine Wand im großen Saal des
Architektenhauses oder ein Raum in der Villa eines Ber-
liner Privatmannes zur Verfügung gestellt war. Auch der
junge Klinger beteiligte sich an der Konkurrenz und zielte
dabei auf eine Verherrlichung des damals noch frischen
Sieges über die Franzosen. Der Entwurf ist in regelmäßige
Felder geteilt: in der Mitte thront Mars, die Schwerter
wägend, rechts ein deutscher Sturmangriff durch ein Korn-
feld, links die todesmutige Abwehr der Franzosen. Als
Predellen zwei antikische Szenen, grau in grau gemalt,
der Abschied des Kriegers und das Gebet um Sieg. Diesen
den Raum abschließenden Bildern entsprechen am Kopfe,
oberhalb der Schlachtenszene, kleine, leicht improvisierte
Medaillons, Kampfspiele, die an die bezaubernde und ver-
zauberte Welt der ovidischen Opfer anklingen. Das kleine
Opus ist jedenfalls eine höchst interessante Überraschung.
VEREINE
© Der Deutsche Verein für Kunstwissenschaft hielt
am 1. November in Berlin seine Generalversammlung ab. Aus
dem Geschäftsbericht ergab sich die erfreuliche Tatsache,
daß auch während des Kriegsjahres ein Teil der in Angriff
genommenen Arbeiten weiter gefördert werden konnte.
So liegt vor allem die durch Prof. Dvorak besorgte vier-
bändige Veröffentlichung der vorkarolingischen Buchmale-
reien vor. Mit Bedauern wurde der Rücktritt Prof. Koetschaus
von dem Amte als Schriftführer vernommen. Durch Koet-
schaus Fortzug von Berlin ergaben sich Schwierigkeiten
der Amtsführung, die von Anfang an diese Lösung nahe-
gelegt hatten. Als Nachfolger trat Geheimrat v. Falke in
den Vorstand ein, in dem übrigens auch Prof. Koetschau
weiterhin verblieb — Als Jahresgabe des Vereins ging den
Mitgliedern ein Band »Caspar David Friedrich« von Andreas
Aubert zu, der ein Kapitel aus dem leider unvollendet
gebliebenen Werke des verstorbenen norwegischen For-
schers über den Künstler darstellt. Der Untertitel »Gott,
Freiheit, Vaterland« bezeichnet den besonderen Inhalt, der
mit seiner Darstellung von Friedrichs Stellung zu den Be-
freiungskriegen in besonderer Weise der Stimmung unserer
Zeit entspricht. Zwanzig Tafeln gewähren ein gutes An-
schauungsmaterial. Nicht ganz unbedenklich scheint es
nur, daß die Lichtdrucke auf Büttenpapier abgezogen sind,
was ihre Schärfe beeinträchtigt. Hier hätte doch wohl die
Einheitlichkeit der Ausstattung geopfert werden dürfen, die
im übrigen sehr zu loben ist.
BERICHTIGUNO
In der Kunstchronik (Neue Folge, XXVII. Jahrgang,
Heft Nr. 2) vom 8. Oktober 1915 lese ich den Artikel
»Ein Tizian im Magazin der Wiener Akademie-Galerie«,
und darunter den Namen Bode.
Hätte sich Exzellenz Bode um Auskunft an die Ver-
waltung der Galerie gewendet, so würde er erfahren haben,
daß das in Rede stehende Bild durch die Galerie-Kom-
mission im November 1907 auf einer öffentlichen Ver-
steigerung in der Kunsthandlung Pisko in Wien, nicht wie
der Diener sagt: »um bare 40C0 Kronen«, sondern um den
Betrag von 682 Kronen für die akademische Gemälde-
Galerie käuflich erworben wurde, daß das Bild fernerhin,
nicht wie der Diener gesagt hat, »nicht zur Aufstellung
gekommen sei«, sondern, daß es vielmehr weit über ein
Jahr lang eigens auf einer Staffelei in den Räumen der
Galerie bereits öffentlich ausgestellt war, so wie dies bei
allen Neuerwerbungeu an der hiesigen Galerie üblich ist,
und daß es für die Professoren der Galerie-Kommission,
wie für den Kustos, Regierungsrat Eduard Gerisch, auf
dessen Vorschlag das Werk angekauft wurde, stets außer
Zweifel gewesen ist, daß es sich hier um ein hochinter-
essantes, unvollendetes Gemälde der venezianischen Schule
handle, welches gerade dieses bezeichneten Zustandes
halber für die akademische Gemälde-Galerie und deren
Lehrzwecke eine sehr wertvolle Bereicherung bedeute. —
Bei genauem und wiederholtem Studium des Bildes in den
Räumen der Akademie gelangten die Mitglieder der Galerie-
Kommission zur Überzeugung, daß ein Gemälde Tizians
aus dessen spätester Zeit vorliege.
Gelegentlich der Neuordnung der italienischen Ab-
teilung wurde dem Bilde ein hervorragender Platz zuge-
wiesen, derselbe, auf dem es dann Herr Geheimrat Bode
zu sehen bekam.
Rudolf Bacher,
derzeit Rektor der k. k. Akademie der bildenden Künste
in Wien.
Inhalt: Franz Zauner, ein klassizistischer Bildhauer Österreichs. Von Hans Mackowsky. — Lodewijk de Deyster (1656—1711). Von Hermann
Voss. — Wiederherstellungsarbeiten an der Barfüßerkirche in Venedig. — Ausstellung in Leipzig. — Generalversammlung des Deutschen
Vereins für Kunstwissenschaft. — Berichtigung von Rektor Rudolf Bacher in Wien.
Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E.A.Seemann, Leipzig, Hospitalstraßella
Druck von Ernst Hedrich Nachf., q.m.b.H., Leipzig
Ausstellungen — Vereine — Berichtigung
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(degli Scalzi) zu Venedig mitgeteilt: In den Tagen vor dem
Kriegsausbruch war alles Bewegliche aus der Kirche ent-
fernt worden; so wurden ein kleines Gemälde von Gian
Bellini, wertvolle Leuchter von Murano und Glaskameen,
die zu den besten Beispielen der Glaskunst des Settecento
gehören, vorher gerettet. Die österreichische Bombe drang
von der Mitte des Daches in die Kirche, durchschlug zwei
Dachböden und das Stabwerk, an dem das Deckengemälde
Tiepolos befestigt war, stürzte dann auf den Fußboden und
explodierte dort. Die Explosion verursachte den Einsturz
des Daches (das schon von früher zwei starke Querspalten
aufwies), beschädigte die Statuen, zersprengte die Tür und
zerschlug den vielfarbigen Marmor des Fußbodens in Stücke.
Die Deckenmalerei liegt jetzt zwischen Ziegeln, Stein- und
Balkenspliitern am Boden zerstreut. Die Dachstuhlbalken
drohen an verschiedenen Stellen herabzustürzen. Von der
Malerei Tiepolos blieben nur da und dort, wo die Decke
auf den Säulen aufruht, einige Reste. Die Wiederher-
stellungsarbeiten sind sofort in Angriff genommen worden.
Alle Teile, die einzustürzen drohen, sollen beseitigt werden.
Auf die Frage nach der Möglichkeit einer ganzen oder teil-
weisen Rekonstruktion des Deckengemäldes hat Prof. Fogo-
lari, Direktor der Galerien von Venedig, eine negative Ant-
wort gegeben. Für den Fall, daß man später an der Decke
der Kirche eine Kopie der zerstörten Malerei anbringen
sollte, ist es wichtig, daß der Bildhauer Antonio dal Zotto
in Venedig eine angeblich eigenhändige Wiederholung in
Öl besitzt, die nur in wenigen Einzelheiten von dem großen
Deckengemälde abweicht.
AUSSTELLUNGEN
Eine unbekannt gebliebene Jugendarbeit Max Klingers
wird derzeit in der Kunsthandlung von P. H. Beyer & Sohn
in Leipzig gezeigt. Das aus Privatbesitz aufgetauchte Bild
war wirklich bisher vollständig unbekannt und ist noch
niemals irgendwo abgebildet gewesen. Es ist der 90X44 cm
messende Entwurf zu einer großen dekorativen Wand-
malerei, entstanden etwa 1878, als Klinger an der Berliner
Akademie bei Gussow studierte. Damals wurde aus einem
Stipendium für Freskomalerei ein Wettbewerb ausge-
schrieben, wofür entweder eine Wand im großen Saal des
Architektenhauses oder ein Raum in der Villa eines Ber-
liner Privatmannes zur Verfügung gestellt war. Auch der
junge Klinger beteiligte sich an der Konkurrenz und zielte
dabei auf eine Verherrlichung des damals noch frischen
Sieges über die Franzosen. Der Entwurf ist in regelmäßige
Felder geteilt: in der Mitte thront Mars, die Schwerter
wägend, rechts ein deutscher Sturmangriff durch ein Korn-
feld, links die todesmutige Abwehr der Franzosen. Als
Predellen zwei antikische Szenen, grau in grau gemalt,
der Abschied des Kriegers und das Gebet um Sieg. Diesen
den Raum abschließenden Bildern entsprechen am Kopfe,
oberhalb der Schlachtenszene, kleine, leicht improvisierte
Medaillons, Kampfspiele, die an die bezaubernde und ver-
zauberte Welt der ovidischen Opfer anklingen. Das kleine
Opus ist jedenfalls eine höchst interessante Überraschung.
VEREINE
© Der Deutsche Verein für Kunstwissenschaft hielt
am 1. November in Berlin seine Generalversammlung ab. Aus
dem Geschäftsbericht ergab sich die erfreuliche Tatsache,
daß auch während des Kriegsjahres ein Teil der in Angriff
genommenen Arbeiten weiter gefördert werden konnte.
So liegt vor allem die durch Prof. Dvorak besorgte vier-
bändige Veröffentlichung der vorkarolingischen Buchmale-
reien vor. Mit Bedauern wurde der Rücktritt Prof. Koetschaus
von dem Amte als Schriftführer vernommen. Durch Koet-
schaus Fortzug von Berlin ergaben sich Schwierigkeiten
der Amtsführung, die von Anfang an diese Lösung nahe-
gelegt hatten. Als Nachfolger trat Geheimrat v. Falke in
den Vorstand ein, in dem übrigens auch Prof. Koetschau
weiterhin verblieb — Als Jahresgabe des Vereins ging den
Mitgliedern ein Band »Caspar David Friedrich« von Andreas
Aubert zu, der ein Kapitel aus dem leider unvollendet
gebliebenen Werke des verstorbenen norwegischen For-
schers über den Künstler darstellt. Der Untertitel »Gott,
Freiheit, Vaterland« bezeichnet den besonderen Inhalt, der
mit seiner Darstellung von Friedrichs Stellung zu den Be-
freiungskriegen in besonderer Weise der Stimmung unserer
Zeit entspricht. Zwanzig Tafeln gewähren ein gutes An-
schauungsmaterial. Nicht ganz unbedenklich scheint es
nur, daß die Lichtdrucke auf Büttenpapier abgezogen sind,
was ihre Schärfe beeinträchtigt. Hier hätte doch wohl die
Einheitlichkeit der Ausstattung geopfert werden dürfen, die
im übrigen sehr zu loben ist.
BERICHTIGUNO
In der Kunstchronik (Neue Folge, XXVII. Jahrgang,
Heft Nr. 2) vom 8. Oktober 1915 lese ich den Artikel
»Ein Tizian im Magazin der Wiener Akademie-Galerie«,
und darunter den Namen Bode.
Hätte sich Exzellenz Bode um Auskunft an die Ver-
waltung der Galerie gewendet, so würde er erfahren haben,
daß das in Rede stehende Bild durch die Galerie-Kom-
mission im November 1907 auf einer öffentlichen Ver-
steigerung in der Kunsthandlung Pisko in Wien, nicht wie
der Diener sagt: »um bare 40C0 Kronen«, sondern um den
Betrag von 682 Kronen für die akademische Gemälde-
Galerie käuflich erworben wurde, daß das Bild fernerhin,
nicht wie der Diener gesagt hat, »nicht zur Aufstellung
gekommen sei«, sondern, daß es vielmehr weit über ein
Jahr lang eigens auf einer Staffelei in den Räumen der
Galerie bereits öffentlich ausgestellt war, so wie dies bei
allen Neuerwerbungeu an der hiesigen Galerie üblich ist,
und daß es für die Professoren der Galerie-Kommission,
wie für den Kustos, Regierungsrat Eduard Gerisch, auf
dessen Vorschlag das Werk angekauft wurde, stets außer
Zweifel gewesen ist, daß es sich hier um ein hochinter-
essantes, unvollendetes Gemälde der venezianischen Schule
handle, welches gerade dieses bezeichneten Zustandes
halber für die akademische Gemälde-Galerie und deren
Lehrzwecke eine sehr wertvolle Bereicherung bedeute. —
Bei genauem und wiederholtem Studium des Bildes in den
Räumen der Akademie gelangten die Mitglieder der Galerie-
Kommission zur Überzeugung, daß ein Gemälde Tizians
aus dessen spätester Zeit vorliege.
Gelegentlich der Neuordnung der italienischen Ab-
teilung wurde dem Bilde ein hervorragender Platz zuge-
wiesen, derselbe, auf dem es dann Herr Geheimrat Bode
zu sehen bekam.
Rudolf Bacher,
derzeit Rektor der k. k. Akademie der bildenden Künste
in Wien.
Inhalt: Franz Zauner, ein klassizistischer Bildhauer Österreichs. Von Hans Mackowsky. — Lodewijk de Deyster (1656—1711). Von Hermann
Voss. — Wiederherstellungsarbeiten an der Barfüßerkirche in Venedig. — Ausstellung in Leipzig. — Generalversammlung des Deutschen
Vereins für Kunstwissenschaft. — Berichtigung von Rektor Rudolf Bacher in Wien.
Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E.A.Seemann, Leipzig, Hospitalstraßella
Druck von Ernst Hedrich Nachf., q.m.b.H., Leipzig