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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 27.1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.6189#0054

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Literatur

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nehmen, wie nicht anders zu erwarten ist, die Artikel ein,
die sich mit dem Großmeister der holländischen Kunst,
mit Rembrandt beschäftigen; und diese bilden unstreitig
den interessantesten und wertvollsten Teil der Sammlung,
zumal gerade in der Klärung und Lösung der künstle-
rischen und psychologischen Probleme, die Rembrandts
geheimnisvolle Kunst noch bietet, die bedeutendsten älteren
und die meistversprechenden jüngeren Forscher miteinander
wetteifern. — Mit einer kleinen geistreichen Studie über
Entlehnungen oder vielmehr Umformungen entlehnter Mo-
tive eröffnet N. Beets den gelehrten Reigen; er weist hier
insbesondere auf die Ähnlichkeit hin, die zwischen ein-
zelnen Radierungen von Tempesta, vor allem seinen Löwen-
jagden, und verschiedenen Rembrandtschen Radierungen
besteht. Schmidt-Degeners feinsinnige Betrachtungen
gelten Rembrandt und Homer; er bespricht die mehrfachen
Darstellungen Homers, sowohl des Dichters selbst wie
seiner Büste, die sich im Werke Rembrandts finden; zum
Vergleich, um das Geniale oder vielmehr Kongeniale in
Rembrandts Schöpfungen noch besser hervortreten zu lassen,
zieht er die Homerdarstellungen eines niederländischen
Primitiven, des Justus van Gent, und eines französischen
Barockkünstlers, des Valentin, heran. Der Kunstforscher
und Dichter ist hier in gleicher Weise am Worte. Schmidt-
Degener bleibt nicht an der Außenseite der Erscheinung
haften; er dringt tiefer; die Seele von Künstler und Kunst-
werk, die bloß gelehrter Analyse ewig unzugänglich ist,
sucht er zu erfassen. Leider verbietet es der Raum, eine
für des Verfassers Betrachtungsweise charakteristische Probe
hier anzuführen. — Zwei kleinere Beiträge zu dem Thema
Rembrandt haben Frau J. Goekoop de Jongh und Pro-
fessor J. Six beigesteuert; erstere handelt über den Mann
mit der Lupe im New Yorker Museum, in dem die Dame
durchaus den Philosophen Spinoza sehen möchte; sie ver-
sucht diese Identifizierung durch eine sehr gewagte Argu-
mentierung wahrscheinlich zu machen, die aber wenig
Überzeugendes hat. Professor Six glaubt in Rembrandts
letzter Radierung, der Frau mit dem Pfeil (B. 202), das von
Rembrandts Sohn Titus, der für seinen Vater in Leiden
hausieren gehen mußte, bei einer solchen Gelegenheit als
»een vrouwtje met en pappotgen by haer hebbende« an-
gepriesene Blatt erkennen zu müssen; unter dem »pap-
potje«, wörtlich Breitopf = Breiesser, wäre dann der im
Hintergrund befindliche Knabe Amor zu verstehen, der der
Frau Venus den Pfeil entwendet hat! — Eine für die
kunstgeschichtliche Forschung sehr wichtige Frage schneidet
Hofstede de Groot in seinem Aufsatz »Rembrandt als
Lehrer« an; er zeigt hier, wie Rembrandt in Arbeiten seiner
Schüler selbst Veränderungen anbrachte oder durch den
Schüler anbringen ließ, wie er die Gemälde, die er selbst
gemacht hatte, kopieren ließ, und wie ferner seine Schüler
lange, nachdem sie des Meisters Atelier verlassen hatten,
Zeichnungen ihres Lehrers für eigene Kompositionen ver-
wendeten. Er führt eine ganze Reihe von Beispielen an,
die durch zahlreiche Abbildungen erläutert werden. Von
einer kürzlich von der Prestelgesellschaft veröffentlichten,
im Weimarer Museum befindlichen Zeichnung eines Rem-
brandtschülers ausgehend, die uns des Meisters Werkstatt
mit verschiedenen, nach dem nackten Modell zeichnenden
Lehrlingen vorführt, unterzieht Hofstede de Groot einige
Aktstudien, die von Rembrandt oder seinen Schülern her-
rühren, einer eingehenden Prüfung; aus der Stellung und

Haltung des Modells auf solchen Blättern, die offenbar
gleichzeitig in derselben Sitzung angefertigt sind, sucht er
dann Rückschlüsse auf den Urheber der betreffenden Zeich-
nung zu ziehen, was zum Teil zu sehr überraschenden Er-
gebnissen führt. — Eine sehr ausführliche und gründliche
Studie über die in Rembrandts Werk topographisch fest-
legbaren Arbeiten hat F. Lugt unter dem Titel »Wande-
lingen met Rembrandt in Amsterdam« beigetragen, die in-
zwischen in wesentlich ausgebreiteter Form als Buch erschie-
nen ist. Diese Abhandlung wirft nicht nur auf Rembrandts
Arbeitsweise und Gewohnheiten ein neues Licht, sondern
zeigt auch, mit wie ganz andern Augen als die Mehrzahl
seiner Kunstbrüder Rembrandt die Stadt, in der er lebte,
betrachtete; denen war es in der Regel nur um die archi-
tektonisch, historisch oder aus sonst einem äußerlichen
Grunde merkwürdigen Stadtteile zu tun, während Rem-
brandt immer nur auf das Malerische des Aspektes aus-
ging. Dennoch erscheinen unter dieser neuen Beleuchtung
auch Rembrandts Amsterdamer Zeichnungen für die Ge-
schichte des Amsterdamer Stadtbildes als sehr zuverlässige
Zeugnisse. — In dem dann folgenden Rembrandt-Aufsatz
verbreitet sich J. F. M. Sterck über die Beziehungen, die
zwischen Rembrandt und Vondel bestanden haben; aller
Wahrscheinlichkeit nach sind sie einander in dem Hause
des kunstliebenden Jan Six, der mit den beiden befreundet
war, zu wiederholten Malen begegnet; sie besaßen außer-
dem noch verschiedene andere gemeinsame Bekannte. Daß
aber Rembrandt den großen Dichter auch abkonterfeit
habe, dafür ist kein Beweis zu erbringen. Die auf beider
Namen gehenden Zeichnungen stellen entweder nicht
Vondel dar oder rühren nicht von Rembrandt her. Das
von Freise in den Berliner Rembrandtzeichnungen repro-
duzierte Blatt z. B. ist offenbar ein Werk von Rembrandts
Schüler Philips Koning, der Vondel öfters porträtiert hat,
und die andere in Berlin bewahrte Zeichnung (H.d.G. 102),
die unter dem Namen »Der Dichter Vondel vor seinem
Hause« bekannt ist, kann nicht als ein Bildnis des Dichters
angesehen werden. — Die Reihe der Rembrandtbeiträge
wird beschlossen durch Jan Veth, der die Entwicklung
eines (Bewegungs-) Motivs bei Rembrandt verfolgt. Es
ist dies »het betoogend gebaar« (die darlegende Gebärde),
die Bewegung mit der Hand, mit der man z. B. bei einem
Gespräch oder einem Vortrag einen Gedanken unterstreicht,
einem Beweisgrund mehr Kraft und Nachdruck verleiht.
Dieser Geste begegnen wir besonders in den verschiedenen
Bildnissen des Mennonitenpredigers Ansloo und den dazu
gehörigen Vorstudien, und hier findet das Problem in dem
großen Berliner Zweifigurenbild (Bode -282) seine end-
gültige Lösung für Rembrandt. Wir treffen die Gebärde
unter anderem noch bei dem Goldwäger auf der gleich-
namigen Radierung (B. 281), auf der Darstellung des
Gleichnisses von den Arbeitern im Weinberg (Bode 220)
und bei dem Banning Cocq auf der Nachtwache. — Von
den übrigen Beiträgen zur holländischen Kunstgeschichte,
die in dieser Sammlung vereint sind, seien noch erwähnt
einige Artikel, die sich mit dem holländischen Kunst-
gewerbe befassen; so schreibt Dr. H. E. van Gelder über
eine Haager Fabrik von Delfter Fayencen, Dr. Elisabeth
Neurdenburg über die Delfter Fliesenfabrik der Familie
Hoppesteyn und Ida Peelen über Hans Coenraed
Brechtel, einen Haager Silberschmied deutscher Ab-
stammung. M. D. H.

Inhalt: Pariser Museumsphantasien. Von O. v. Falke. — Ein neuer Hercules Seghers. Von A. Bredius. — Dresdner Brief. — Ausstellung
deutscher Kunst des 19. Jahrhunderts aus Privatbesitz im Leipziger Kunstverein. Ausstellung im Museum für Kunst und Gewerbe in
Hamburg. Ausstellung dreier Generationen Schwartze in Amsterdam. — Oud-Holland's Kunst. Rembrandt-Studien en andere opstellen.

Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E.A.Seemann, Leipzig, Hospitalstraßella
Druck von Ernst Hedrich Nachf., G.m.b.H., Leipzig
 
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