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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 27.1916

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Ausstellungen — Sammlungen

116

mit den Gesichtszügen des Großadmirals v. Tirpitz zur
Nagelung aufzustellen.

Die Akademie der Künste hält es für ihre Pflicht, die
Stadt Wilhelmshaven im künstlerischen Interesse vor der
Ausführung eines solchen Plans zu warnen. An zahllosen
Stellen in Deutschland sind Nagelungen von Standbildern
und Wahrzeichen zur Sammlung von Mitteln für die Kriegs-
hilfe vorgenommen worden, und es läßt sich vom künst-
lerischen Standpunkt aus schließlich wenig gegen die Fälle
einwenden, bei denen es sich um ein ganz einfaches Ge-
bilde, ein Eisernes Kreuz, Türen, symbolische oder heral-
dische Wahrzeichen usw. handelt. Etwas künstlerisch ganz
Unmögliches ist aber die Benagelung von Porträtstatuen.
Das Beispiel des Hindenburg-Kolosses in Berlin sollte allen
anderen Städten warnend vor Augen stehen. Es ist doppelt
traurig, daß gerade die Ereignisse unserer großen Zeit einen
Niederschlag in so minderwertigen Erzeugnissen unterge-
ordneter künstlerischer Kräfte gefunden haben, und es wäre
tief beklagenswert, wenn der Geschmack des Publikums
durch solche Verirrungen noch mehr verwirrt und verbildet
werden sollte.

Wir möchten daher im Interesse des Ansehns unserer
deutschen Kunst und Kultur Euer Hochwohlgeboren und
den städtischen Körperschaften der Stadt Wilhelmshaven
dringend ans Herz legen, die Ausführung des Plans der
Benagelung einer Tirpitz-Figur zu verhindern.

gez. Franz Schwechten.«

Es ist ein mannhaftes Wort, das der Akademie unver-
gessen bleiben soll, auch wenn man noch zweifeln darf,
ob es von dem gewünschten Erfolg begleitet sein wird.
Aber es ist ein Verdienst, daß eine öffentliche Körperschaft
den Mut gefunden hat, als erste sich gegen eine Geschmacks-
verirrung auszusprechen, die unseren Feinden nur allzu
willkommenen Anlaß zu billigem Spott geboten hat. Auf
Hindenburg und Tirpitz soll Emmich in Lüttich folgen.
Wird nicht ein energisches Halt geboten, so bleibt schließ-
lich kein Heerführer mehr von dem Schicksal der Nagelung
befreit und wir erleben zum Schluß noch einen eisernen
Bethmann-Hollweg. Die künstlerische Kritik hatte es nicht
leicht, sich mit diesen Nageldenkmälern, Kriegsmosaiken
und anderen Auswüchsen eines gewiß sehr wohlmeinenden
Geschäftssinnes zu befassen, da die Absicht der Geldbe-
schaffung für gute Zwecke über manche Bedenken hinweg-
helfen kann. Über manche, aber nicht über alle. Es muß
möglich sein, auch ohne Jahrmarktkünste zum Ziele zu ge-
langen. Und wo die Kunst in den Dienst der Wohltätig-
keit gestellt wird, soll es nur die beste sein. Was soll
man dazu sagen, wenn zum Besten einer Kinderspeisean-
stalt ein sogenanntes Kunstblatt in die Häuser geschickt
wird, das auf einer so tiefen Stufe steht, daß jede Möglich-
keit einer Kritik versagt. Und in der Beischrift wird die
Hoffnung ausgesprochen, daß in jedem Heim sich ein Plätz-
chen für dieses Kunstblatt finden wird. Gegen solche Ver-
seuchung mit schlimmster Kunstware muß energischer
Protest eingelegt werden, auch wenn sie nur als Begleit-
erscheinung gemeinnütziger Veranstaltungen auftritt. Denn
wir zweifeln keinen Augenblick, daß so gut wie in zahl-
reichen Wohltätigkeitskonzerten die besten Sängerund Schau-
spieler sich freiwillig in den Dienst der guten Sache stellten,
so auch unsere besten bildenden Künstler in dieser Zeit
zur Verfügung ständen, wenn nicht eifrige Mächler ihnen
zuvorzukommen wüßten. Die Zeit, in der wir leben, kann
gewiß nicht stets an künstlerische Zwecke denken. Ein
gut Teil edler Hand werksarbeit geht eben jetzt in der Metall-
sammlung unwiederbringlich zugrunde. Die Sache ver-
langt es, und wir müssen schweigend zusehen. Aber wenn
es sich später um den einmal notwendigen Ersatz handeln
wird, wenn die Frage der Denkmäler auftauchen wird, und

jetzt schon, wo im Dienste der Wohltätigkeit auch die Kunst
das ihre zu leisten berufen wird, da soll auch die Stimme
derer gehört werden, deren Amt es ist, nicht über den
Zweck, wohl aber über das Mittel zu Gericht zu sitzen.

Auch in England macht sich das Bestreben geltend,
öffentliche Plätze nicht durch geschmacklose Kriegsdenk-
mäler verunzieren zu lassen. In London hat sich jetzt
unter dem Titel »Civic Arts Association« eine Gesellschaft
gebildet, deren Bestreben es ist, gegen die Errichtung von
Monumenten aufzutreten, die das Landschafts- oder Stadt-
bild verschandeln könnten; vor allem will man verhindern,
daß die Bestimmung über die Ausführung von Denkmälern
für die Gefallenen örtlichen Komitees überlassen bleibt.
Die Gesellschaft will Preisausschreiben veranstalten und
Ausstellungen arrangieren, sie hofft auf diese Weise die
wirklich besten Künstler für die Ausführung der nach dem
Kriege zu errichtenden Denkmäler heranziehen zu können.
Angesehene Gelehrte gehören dem Komilee an.

AUSSTELLUNGEN
0 Berliner Ausstellungen. Das graphische Kabinett
von J. B. Neumann hat am Kurfürstendamm im Vorderhause
der »Corinth-Sezession« neue Räume eröffnet, anstatt des
engen Ladens, in dem es sich bisher behelfen mußte, drei
schöne, helle Säle, die geschmackvoll und mit einfachen
Mitteln für Ausstellungszwecke hergerichtet wurden. Zur
Eröffnung wird ein Ausschnitt aus Edvard Münchs graphi-
schem Werke gezeigt, ein guter Überblick über die reiche
Fülle seines Schaffens. Man staunt, wie auch gut Bekanntes
und oft Gezeigtes in der würdigen Aufstellung gewinnt und
gleichsam neu erscheint. Es war in den letzten Jahren kein
Mangel an Ausstellungen Munchscher Graphik in Berlin.
Neumann selbst zeigte zwei solche, kurz vor dem Kriege
war bei Amsler und Ruthardt eine Reihe seltener und
schöner Drucke zu sehen, und erst jüngst waren die Be-
stände des Königlichen Kupferstichkabinetts zur Schau ge-
stellt. Aber gerade im Vergleich zu den früheren zeigt
diese neue Ausstellung, wie not es tat, in Berlin Räume
zu schaffen, in denen Graphik gezeigt werden kann. Man
darf dem Unternehmen darum eine gedeihliche Fortent-
wicklung wünschen. Mag die schöne Ausstellung, mit der
es ins Leben tritt, als ein gutes Zeichen gedeutet werden.

SAMMLUNGEN
Neuerwerbungen des Bayerischen Nationalmu-
seums. Nach der ungewöhnlich wertvollen Erwerbung
der frühgotischen Maria der Verkündigung im vergangenen
Jahre ist dem Bayerischen Nationalmuseum vor kurzem
ein Ankauf geglückt, der an Bedeutung hinter jenem nicht
viel zurückbleibt: eine überlebensgroße Sitzfigur des Apostels
Jakobus (in Holz mit Resten der ursprünglichen Fassung)
von Hans Leinberger. Die wohl gegen 1530 entstandene,
machtvolle Gestalt des in einem Buch blätternden Apostels
gehört nicht nur zu den reifsten Schöpfungen des bekannten
niederbayerischen Künstlers, sondern zu den großartigsten
Leistungen der deutschen Plastik überhaupt. Die Monu-
mentalität der Auffassung, die Wucht der Gestaltung, die
außerordentlich kühne Gewandbehandlung, in der Auf-
gewühltheit der Falten und den tiefen Unterschneidungen
von staunenswerter technischer Meisterschaft machen dieses
Stück zu einer besonderen Zierde des Nationalmuseums,
das bereits drei sehr gute Arbeiten von der Hand Lein-
bergers besitzt. Neben dieser Plastik verdient unter den
Neuerwerbungen dieses Instituts die Tonfigur eines hl.
Johannes Evangelista besonders hervorgehoben zu werden,
eine Ingolstädter Arbeit vom Ende des 14. Jahrhunderts,
offenbar von einer Kreuzigungsgruppe stammend. In der
 
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