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Der Zustand der Kunstdenkmäler auf dem östlichen Kriegsschauplatz
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im Inneren barockisiert ist, eine reiche, höchst male-
rische Baugruppe. Zu dem fialengeschmückten West-
giebel treten noch zwei Seitengiebel an der Südfront.
Die ganze Anlage ist stark zerschossen. In der Nord-
mauer der Kirche klaffen zwei Breschen, das Gewölbe
im Mittelschiff ist eingestürzt, die Klostergebäude und
der Kreuzgang sind, zumal im Nord- und Südflügel,
ganz zerstört. Eine Wiederherstellung ist ohne die
Aufwendung großer Mittel nicht möglich. Die vor-
läufige Sicherung kann nur in der Absperrung der
Kirche bestehen. Das Dach über dem Langhaus wird
noch weiter zusammenstürzen; nur der Chor, in dem
ein reichvergoldeter zweigeschossiger Spätrenaissance-
altar steht, kann gehalten werden. Ganz zerschossen
ist in Prasnysz auch die alte Synagoge, von der nur
die barocke Front noch steht, während die Pfarrkirche
bis auf Granatschüsse im Turm im wesentlichen er-
halten geblieben ist.
An der Bzura-Rawka-Linie haben nun noch eine
ganze Reihe von Bauten zu leiden gehabt. Die schöne
Klosterkirche zu Czerwinsk, eines der wichtigsten bau-
geschichtlichen Denkmäler im nördlichen Polen, neben
der Kathedrale zu Plock die bedeutendste zweitürmige
Anlage, ein romanischer Bau vom Jahre 1107, der
schon 1450 und dann ein zweites Mal 1700 umge-
baut worden ist, ist bei der Beschießung vom süd-
lichen Ufer der Weichsel zum Glück nur am Dach
getroffen, die Schrapnells haben einige Fenster zerstört,
im Klostergebäude hat eine Granate das Dach durch-
schlagen, alles Beschädigungen ohne großen Umfang.
Und auch in dem hochgelegenen malerischen Städt-
chen Wysogrod, das sich auf dem Weichselufer über
dem dort breit sich hinwälzenden Strom aufbaut,
haben die beiden Kirchen ein paar Treffer aufzuweisen,
zum Glück ohne größere Beschädigung. Dafür ist
in Sochatzew am anderen Ende der Bzuralinie die
1784 erbaute Kirche zusammen mit dem Ort völlig
zerstört und zerschossen. Die Chorgewölbe sind durch-
schlagen, das Innere ist ausgebrannt. Südlich ist
ebenso die Kirche von Rawa Stara an der Rawka mit
dem Ort fast ganz zerstört. In Lowicz, das im vorigen
Dezember lange unter Feuer gestanden hat, ist die
große zweitürmige Hauptkirche, ein üppiger Barock-
bau, der in der Mitte des 17. Jahrhunderts an die
ältere Kapelle des Heiligen Sakraments angefügt worden
ist, nur äußerlich beschädigt. An der West- und Süd-
seite ist je eine Granate eingeschlagen, die Fenster
sind zerstört, das Dach war durch Schrapnells viel-
fach verletzt, der malerische Torbau durch Granaten
zur Hälfte zerstört. In Kaiisch sind bei dem Brand
der Stadt doch die Hauptdenkmäler erhalten geblieben.
Die St. Nikolaskirche in der Domherrenstraße hat durch
Granaten etwas gelitten, stärker am Äußeren wie im
Inneren die Reformatenkirche in der Breslauerstraße.
Von ländlichen Kirchen an der Westgrenze sind noch
die von Kozminek im Kreise Kaiisch und von Rend-
ziny im Kreise Czenstochau zu nennen, die beide,
die erste am Turm, die zweite am Dach, größere Ver-
letzungen durch Granaten aufweisen. Um Lods sind
einej ganze Anzahl von Orten fast völlig zerstört,
darunter Zgierz mit seinen Kirchen, ebenso im Norden
die Orte um Mlawa auf Makow zu. Hier haben die
Kirchen von Grudusk, Lyzekow, Glinojezk, Niedzborsh
sehr gelitten. Die Kirche zu Krasne im Kreis Cie-
chanow, ein Bau der Spätrenaissance mit reicher Aus-
stattung und den Grabmälern der Familie Krasinski,
ist durch die Artillerie zerstört.
In Kowno hat bei der zweiten Beschießung die
an der Mündung der Wilija in den Njemen liegende
malerische Altstadt ziemlich gelitten. Hier ist vor
allem die aus dem 15. Jahrhundert stammende Georgs-
kirche stark beschädigt worden. Die Kirche war ein
feingegliederter Backsteinbau mit runden Strebepfeilern,
die unterhalb des Daches durch Bogen verbunden
waren. Granaten haben in den Chor eingeschlagen
und haben hier den mächtigen reichen Barockaufbau
völlig durcheinander geworfen. In einem Flügel des
gegenüberliegenden Klosters ist eine 30,5 cm Granate
eingeschlagen und hat hier die ganze Wand heraus-
gerissen. Auch die Trinitatis-Pfarrkirche vom Jahre
1634 ist beschädigt. In die auf der Südseite gelegene
Kapelle hat eine Granate eingeschlagen, sämtliche
Fenster sind durch den Luftdruck zersprungen. Der
spätgotische Backsteinbau des Domes ist im Langhaus
und im Chor von je zwei Granaten getroffen worden.
Dem gegenüber darf man hervorheben, daß, zumal
in Kongreßpolen, die wichtigsten Denkmäler aus dem
Gebiete der deutschen Besetzung unversehrt erhalten
sind, vor allem an der Grenze Masoviens die Bau-
werke, die in enger Verbindung mit der Kunst unserer
östlichen Provinzen gewachsen sind, Plock, Wlozlawek
mit der gotischen zweitürmigen Kathedrale vom
Jahre 1365, die noch voll ist von Schätzen mittel-
alterlicher Ausstattung, von Altären, Grabmonumenten,
Totenschilden, und Brest-Kujawsk mit seiner alten
Kirche. Plock, die einstige Residenz der Masovischen
Herzöge, ist völlig unversehrt, insbesondere ist die
an der Weichsel hochgelegene zweitürmige Dom-
kirche aus dem Anfang des 12. Jahrhunderts, die, wie
die Kirche von Czerwinsk, im letzten Jahrzehnt eine
sehr geschickte Wiederherstellung gefunden hat, un-
berührt geblieben mit den Grabmälern der polnischen
Herzöge und Könige und dem reichen Inhalt der
Schatzkammer, den Stiftungen von polnischen Herr-
schern, Bischöfen und Großen. Endlich ist bei
Czenstochau auf dem Klarenberg das Pawlaner-Kloster,
der berühmteste Wallfahrtsort von ganz Polen, mit
seiner 1690 neu errichteten Barockkirche und allen
den Schätzen und Kostbarkeiten, die der schwarzen
Muttergottes, der regina regni Poloniae, im Laufe von
fünf Jahrzehnten gewidmet sind, unversehrt und erfreut
sich heute (als Enklave in unserem Gebiet) des be-
sonderen Schutzes der österreichischen Regierung wie
vorher der deutschen Verwaltung.
Die zweite große Bauperiode dieser östlichen
Länder, die Zeit des Barock, hat vor allem in Warschau
und Wilna unvergleichliche Denkmäler geschaffen.
Seit 1697 war Polen durch seine neuen Könige, die
sächsischen Kurfürsten August II. und August III., eng
an das Kurfürstentum Sachsen angeschlossen und damit
noch enger mit der ganzen Kultur Deutschlands ver-
knüpft. Wie im letzten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts
Der Zustand der Kunstdenkmäler auf dem östlichen Kriegsschauplatz
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im Inneren barockisiert ist, eine reiche, höchst male-
rische Baugruppe. Zu dem fialengeschmückten West-
giebel treten noch zwei Seitengiebel an der Südfront.
Die ganze Anlage ist stark zerschossen. In der Nord-
mauer der Kirche klaffen zwei Breschen, das Gewölbe
im Mittelschiff ist eingestürzt, die Klostergebäude und
der Kreuzgang sind, zumal im Nord- und Südflügel,
ganz zerstört. Eine Wiederherstellung ist ohne die
Aufwendung großer Mittel nicht möglich. Die vor-
läufige Sicherung kann nur in der Absperrung der
Kirche bestehen. Das Dach über dem Langhaus wird
noch weiter zusammenstürzen; nur der Chor, in dem
ein reichvergoldeter zweigeschossiger Spätrenaissance-
altar steht, kann gehalten werden. Ganz zerschossen
ist in Prasnysz auch die alte Synagoge, von der nur
die barocke Front noch steht, während die Pfarrkirche
bis auf Granatschüsse im Turm im wesentlichen er-
halten geblieben ist.
An der Bzura-Rawka-Linie haben nun noch eine
ganze Reihe von Bauten zu leiden gehabt. Die schöne
Klosterkirche zu Czerwinsk, eines der wichtigsten bau-
geschichtlichen Denkmäler im nördlichen Polen, neben
der Kathedrale zu Plock die bedeutendste zweitürmige
Anlage, ein romanischer Bau vom Jahre 1107, der
schon 1450 und dann ein zweites Mal 1700 umge-
baut worden ist, ist bei der Beschießung vom süd-
lichen Ufer der Weichsel zum Glück nur am Dach
getroffen, die Schrapnells haben einige Fenster zerstört,
im Klostergebäude hat eine Granate das Dach durch-
schlagen, alles Beschädigungen ohne großen Umfang.
Und auch in dem hochgelegenen malerischen Städt-
chen Wysogrod, das sich auf dem Weichselufer über
dem dort breit sich hinwälzenden Strom aufbaut,
haben die beiden Kirchen ein paar Treffer aufzuweisen,
zum Glück ohne größere Beschädigung. Dafür ist
in Sochatzew am anderen Ende der Bzuralinie die
1784 erbaute Kirche zusammen mit dem Ort völlig
zerstört und zerschossen. Die Chorgewölbe sind durch-
schlagen, das Innere ist ausgebrannt. Südlich ist
ebenso die Kirche von Rawa Stara an der Rawka mit
dem Ort fast ganz zerstört. In Lowicz, das im vorigen
Dezember lange unter Feuer gestanden hat, ist die
große zweitürmige Hauptkirche, ein üppiger Barock-
bau, der in der Mitte des 17. Jahrhunderts an die
ältere Kapelle des Heiligen Sakraments angefügt worden
ist, nur äußerlich beschädigt. An der West- und Süd-
seite ist je eine Granate eingeschlagen, die Fenster
sind zerstört, das Dach war durch Schrapnells viel-
fach verletzt, der malerische Torbau durch Granaten
zur Hälfte zerstört. In Kaiisch sind bei dem Brand
der Stadt doch die Hauptdenkmäler erhalten geblieben.
Die St. Nikolaskirche in der Domherrenstraße hat durch
Granaten etwas gelitten, stärker am Äußeren wie im
Inneren die Reformatenkirche in der Breslauerstraße.
Von ländlichen Kirchen an der Westgrenze sind noch
die von Kozminek im Kreise Kaiisch und von Rend-
ziny im Kreise Czenstochau zu nennen, die beide,
die erste am Turm, die zweite am Dach, größere Ver-
letzungen durch Granaten aufweisen. Um Lods sind
einej ganze Anzahl von Orten fast völlig zerstört,
darunter Zgierz mit seinen Kirchen, ebenso im Norden
die Orte um Mlawa auf Makow zu. Hier haben die
Kirchen von Grudusk, Lyzekow, Glinojezk, Niedzborsh
sehr gelitten. Die Kirche zu Krasne im Kreis Cie-
chanow, ein Bau der Spätrenaissance mit reicher Aus-
stattung und den Grabmälern der Familie Krasinski,
ist durch die Artillerie zerstört.
In Kowno hat bei der zweiten Beschießung die
an der Mündung der Wilija in den Njemen liegende
malerische Altstadt ziemlich gelitten. Hier ist vor
allem die aus dem 15. Jahrhundert stammende Georgs-
kirche stark beschädigt worden. Die Kirche war ein
feingegliederter Backsteinbau mit runden Strebepfeilern,
die unterhalb des Daches durch Bogen verbunden
waren. Granaten haben in den Chor eingeschlagen
und haben hier den mächtigen reichen Barockaufbau
völlig durcheinander geworfen. In einem Flügel des
gegenüberliegenden Klosters ist eine 30,5 cm Granate
eingeschlagen und hat hier die ganze Wand heraus-
gerissen. Auch die Trinitatis-Pfarrkirche vom Jahre
1634 ist beschädigt. In die auf der Südseite gelegene
Kapelle hat eine Granate eingeschlagen, sämtliche
Fenster sind durch den Luftdruck zersprungen. Der
spätgotische Backsteinbau des Domes ist im Langhaus
und im Chor von je zwei Granaten getroffen worden.
Dem gegenüber darf man hervorheben, daß, zumal
in Kongreßpolen, die wichtigsten Denkmäler aus dem
Gebiete der deutschen Besetzung unversehrt erhalten
sind, vor allem an der Grenze Masoviens die Bau-
werke, die in enger Verbindung mit der Kunst unserer
östlichen Provinzen gewachsen sind, Plock, Wlozlawek
mit der gotischen zweitürmigen Kathedrale vom
Jahre 1365, die noch voll ist von Schätzen mittel-
alterlicher Ausstattung, von Altären, Grabmonumenten,
Totenschilden, und Brest-Kujawsk mit seiner alten
Kirche. Plock, die einstige Residenz der Masovischen
Herzöge, ist völlig unversehrt, insbesondere ist die
an der Weichsel hochgelegene zweitürmige Dom-
kirche aus dem Anfang des 12. Jahrhunderts, die, wie
die Kirche von Czerwinsk, im letzten Jahrzehnt eine
sehr geschickte Wiederherstellung gefunden hat, un-
berührt geblieben mit den Grabmälern der polnischen
Herzöge und Könige und dem reichen Inhalt der
Schatzkammer, den Stiftungen von polnischen Herr-
schern, Bischöfen und Großen. Endlich ist bei
Czenstochau auf dem Klarenberg das Pawlaner-Kloster,
der berühmteste Wallfahrtsort von ganz Polen, mit
seiner 1690 neu errichteten Barockkirche und allen
den Schätzen und Kostbarkeiten, die der schwarzen
Muttergottes, der regina regni Poloniae, im Laufe von
fünf Jahrzehnten gewidmet sind, unversehrt und erfreut
sich heute (als Enklave in unserem Gebiet) des be-
sonderen Schutzes der österreichischen Regierung wie
vorher der deutschen Verwaltung.
Die zweite große Bauperiode dieser östlichen
Länder, die Zeit des Barock, hat vor allem in Warschau
und Wilna unvergleichliche Denkmäler geschaffen.
Seit 1697 war Polen durch seine neuen Könige, die
sächsischen Kurfürsten August II. und August III., eng
an das Kurfürstentum Sachsen angeschlossen und damit
noch enger mit der ganzen Kultur Deutschlands ver-
knüpft. Wie im letzten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts