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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 27.1916

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Maas, Max: Die Ausgrabungen der Amerikaner in Ägypten
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https://doi.org/10.11588/diglit.6189#0113

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213

Die Ausgrabungen der

Amerikaner in Ägypten

214

Bald nach dem Begräbnis des Fürsten wurde der
Grabhügel als Begräbnisstätte für seine Verwandten
und Anhänger benützt. Auf diese Weise entstanden
dann wieder Tragmauern innerhalb des ursprüng-
lichen Tumulus.

Die Amerikaner fanden also: erstens eine Reihe ge-
waltiger Grabtumuli, in welchen ägyptische Gouver-
neure begraben waren, zweitens in dieselben versenkte
Gräber für Verwandte und Anhänger des Gouver-
neurs und drittens im Norden davon einen großen
Friedhof mit Privatgräbern ähnlichen Charakters wie
die Nebengräber der großen Tumuli. — Alle diese
Gräber zeigten dieselben barbarischen Totengebräuche,
wie sie schon in der »Kunstchronik vom 25. Sep-
tember 1914« geschildert waren. Die Lage der Leiche
auf der rechten Seite mit leicht aufgezogenen Knien
und die Gewohnheit, Gegenstände des täglichen
Leben mit ins Grab zu geben, ist ägyptisch. Die
Fürsten, die auf den Ruhebetten liegen, sind Ägypter,
aber die um sie herum begrabenen Menschenopfer
Nubier, wie die Untersuchungen des bekannten eng-
lischen Anthropologen und Mediziners Elliot Smith
ergeben haben. — Dongola war also während des
mittleren Reichs eine ägyptische Provinz, die von
Ägyptern regiert wurde. Aber kein sehr großer Teil
der gefundenen Gegenstände war ägyptischen Ur-
sprungs; die meisten sind lokaler Herkunft, und zwar
sind gerade diese von ganz vortrefflicher Arbeit. Aller-
dings muß man schließen, daß die Entwicklung des
nubischen Handwerks und Kunsthandwerks während
der Zeit des mittleren Reichs ägyptischen Handwerkern
zuzuschreiben ist, die im Gefolge der Okkupations-
armee mit nach Nubien gekommen waren. Nichlsdesto-
weniger ist der schönste Teil der Töpfereien hand-
gemachte Ware, wie man sie in Ägypten damals weder
in Form noch in Material so vollendet darzustellen
imstande gewesen ist. Eine ganze Serie von schwarz-
gedeckter, rotpolierter Topfware aus sehr feinem,
dünnem Ton kann als das Schönste von allen Töpfe-
reien erklärt werden, welche das Altertum vor den
griechischen Vasen der besten Zeit herzustellen im-
stande war.

Die außerordentlich reichen Einzelfunde der Bostoner
Museums Expedition in Kerma sind also Werke ägyp-
tischer Handwerker, die in einem fremden Lande als
die Sklaven oder Gefolgsleute ägyptischer Fürsten
lebten, die über eine unterworfene Rasse herrschten. Die
Handwerker nahmen die lokalen Materialien und tech-
nischen Prozesse auf, borgten Formen vom Sudan
und von Ägypten und schufen eine neue Art von
Kunsthandwerk. Abgesehen von den großen ägyp-
tischen Monumenten wurde niemals ein Fund ge-
macht, der heller den Genius der ägyptischen Kunst-
handwerker illustrierte. Im einzelnen beschreibt der
ausgezeichnete amerikanische Ägyptologe G. A. Reisner
die Funde von Kerma im Dezember-Bulletin des
Museum of fine arts unter reichlicher Beigabe von
Abbildungen: 1. Die Statuen sind nur solche ägyp-
tischer Beamter in den traditionellen ägyptischen Stel-
lungen, jedoch aus nubischem Material gefertigt.
Fragmente von mehreren hundert verschiedenen Statuen

wurden gefunden. 2. Die Inschriften in ägyptischen
Hieroglyphen des mittleren Reichs geben nur ägyp-
tische Namen. 3. Die Töpfereien zeigen 19 ver-
schiedene Arten in 293 verschiedenen Formen, die
bis 700 Variationen aufweisen. Darunter sind die
feinsten, jemals in Ägypten hergestellten Gefäße. Im
ganzen zerfallen die Gefäße und Vasen in ägyptische
auf der Töpferscheibe gemachte Ware, in lokale Nach-
ahmungen von solcher und, als das Feinste, in die
lokale handgearbeitete Töpferware. 4. Siegel und
Skarabäen sind teilweise ägyptischen, teilweise lokalen
Ursprungs, meist aus blau oder grün glasiertem Steatit.
Der schönste von der Expedition gefundene Skarabäus
war ein blau glasierter Stein mit Gold eingelegt und
einem menschlichen Kopf; auf seinem Rücken waren
Reihen von Fliegen dargestellt. Abdrücke von Skarabäen
und Siegeln fanden sich auch auf den Tonverschlüssen
von Gefäßen und Türen. 5. Abgesehen von Schwertern
und Dolchen waren alle Bronzegegenstände von ägyp-
tischem Typus. Letztere umfassen dekorierte Spiegel,
Rasiermesser in hölzernen Kästchen, Scheren, Na-
deln usw. Die Messer waren teils Fleischermesser
und gewöhnliche Küchenmesser, teils dekorierte Zere-
monien- und Priestermesser. Von Waffen fanden sich
nur Schwerter und Dolche, die von 35 cm bis zu
60 cm lang waren. Sie unterscheiden sich in der
Form von den bekannten ägyptischen Schwertern und
wurden an geflochtenen, um dieSchulter geschlungenen
Lederriemen getragen. 6. Unter den Holzgegenständen
fanden sich Kopfpolster, Schemel, vierfüßige Stühle
mit Sitzen von ungegerbter Haut, Bettstellen, Kisten
und Kasten und Wurfstöcke — nur ägyptische Formen.
Als Dekoration wurde vielfach Elfenbeineinlage ver-
wandt, die für Fußschemel und Betten in Ägypten
nicht bekannt ist. Über die Natur des gebrauchten
Holzes hat man noch nichts herausgefunden. 7. Diese
Elfenbeineinlagen zeigen in Ägypten unbekannte De-
korationsformen und Tierdarstellungen wie Giraffen,
Strauße, Hyänen und einen großen Vogel wie eine
Trappe. Außerdem Ameisenbär und das zweihörnige
Rhinozeros. Wenn auch die beiden letzteren Tiere
sich in den ägyptischen Darstellungen nicht finden,
so ist doch die Art, wie sie die Künstler von Kerma
dargestellt haben, durchaus ägyptisch. 8. Der größte
Teil der Steingefäße trägt ägyptische Formen und isi
aus dem in Ägypten üblichen Material (meist Ala-
baster, blauer Marmor, Diorit; der Quarzit ist nubisch)
hergestellt, -wahrscheinlich sind die Steingefäße Import
aus Ägypten. 9. Die charakteristischsten, für Her-
stellung von verschiedenartigen Gegenständen be-
nützten Materialien in Kerma waren blaue Fayence,
blauglasierter Quarzit oder blau- oder grünglasiertes
Kristall. Nicht allein daß diese Gegenstände in Kerma
überaus reichlich waren, sie zeigen auch Formen und
Dekorationen, die sich in diesen Materialien in Ägypten
niemals finden. 10. Von den übrigen Funden, als
Perlen, Amuletten, Straußfedern, Körben, geflochtenem
und geschnittenem Leder, gewebten Stoffen, Geräten
aus Knochen, Paletten und Farben, sind nur die auf
Kleider genähten Ornamente aus Mica (Glimmer),
ferner ein teppichartiger Stoff, vielleicht aus Flachs,
 
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