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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 27.1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.6189#0142

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Vermischtes — Krieg und Kunst

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schneiden, das bisher als »Schule von Frans Hals« aufgeführt
war und das nun auf Anregung von J. O. Kronig dem
Haarlemer Jan de Bray zugeschrieben wird. Von einem
anderen Gemälde, dem Bildnis eines katholischen Priesters
in seiner Studierstube, von Metsu (Nr. 188), wurde von
A. Bredius der Name des Dargestellten ermittelt; aller Wahr-
scheinlichkeit nach haben wir es hier mit dem Porträt des
Pastors Simon Kleyn zu tun, das von dem Dichter Jan Vos
besungen worden ist. — Zwei Neuerwerbungen sind in der
modernen Abteilung des Museums zu verzeichnen. Von
der Familie Mauve wurde eine große nicht vollendete
Heidelandschaft Mauves aus seiner späteren Zeit geschenkt,
die in seine Art zu arbeiten einen interessanten Einblick
gewährt; obwohl nur ein erster Entwurf, so macht das Werk
doch schon einen abgerundeten und in sich geschlossenen
Eindruck. Erworben wurde eine sonnige, farbige Landschaft
des Rotterdamer Künstlers J. H. Weyns. Erwähnt werden
muß zum Schluß eine Sammlung von chinesischem Porzellan,
die dem Museum durch Vermächtnis zugefallen ist.

Über eine Neubenennung eines Bildes des Rotter-
damer Museums handelt ein Artikel des Direktors in einem
der letzten Hefte des Burlington-Magazine (Oktober 1915);
es handelt sich um ein in der letzten Ausgabe des Kata-
loges (1907) dem Veronese zugeschriebenes Werk (Nr. 307);
ein Faun preßt mit nervigem Arm eine sich sträubende Frau,
deren purpurne Gewandung von der Brust herabgeglitten
ist, an seinen nackten Oberkörper; die Frau hat den Mund
zum Schreien geöffnet und sucht sich zu wehren, indem
sie den Faun am Schöpfe fast; es sind Halbfiguren oder
besser Hüftbilder in Seitenansicht. Der Kontrast zwischen
dem muskulösen männlichen und dem weichen weiblichen
Körper, der sehr gut zum Ausdruck kommt, wird erhöht
durch den Gegensatz in der Farbe, dem weißen elfen-
beinernen Fleischton der Frau und ihrem goldblonden Haar
einerseits und dem gebräunten dunkeln Teint des Mannes
mit seinem schwarzen Negerhaar andererseits. Das Werk
ist restauriert worden, und dabei kam unter der entfernten
Übermalung ein noch wohlerhaltener schöner landschaft-
licher Hintergrund zutage: ein Abendhimmel, rechts die
untergehende Sonne, links weiße Wolken, und in der Mitte
ein dicker Baumstamm. Auch die Rückseite des Gemäldes
wurde von seiner alten Übermalung gesäubert, und dabei
kam eine Landschaft mit einem Ölbaum, von dem Oliven
herabfallen, zum Vorschein; an dem Baum, der sich in der
Mitte erhebt, und dessen Äste die ganze obere Bildfläche
füllen, ist ein Pappstreifen befestigt, auf dem der leoni-
ninische Vers steht: Infoelix fatum cadit ah! de ramis
oliva; vielleicht eine Anspielung auf den vorzeitigen Tod
eines Mitgliedes der Familien Olivi, Olivieri oder Olivati,
die in Ferrara blühten. Denn nicht nach Venedig, sondern
nach Ferrara weist dieses schöne Werk, und zwar sieht
Schmidt-Degener in dem romantischen Dosso Dossi den
Künstler, was er in dem genannten Artikel näher begründet.
Das Gemälde ist nicht identisch mit einer von Dosso Dossi
gemalten Darstellung eines Satyrs und einer Nymphe, das
der Sammlung des Kaisers Rudolf II. angehört hat (Reper-
torium 1885, Seite 12 und 18). Für den Kenner ist Dosso
Dossis Urheberschaft ohne Frage; jedes Detail spricht da-
für, so unter anderem der weibliche Typus mit dem ge-
öffneten Mund, das eigentümliche Hellgelb ihrer Locken
und die starke Purpurfarbe, die die linke Ecke des Ge-
mäldes füllt. Dann die ganze dramatisch-leidenschaftliche
Stimmung, die in dem Werke zum Ausdruck kommt;

charakteristisch ist auch der niedrige Bogen, der die Kom-
position oben abschließt und unter dem die Landschaft wie
aus einer Höhle heraus gesehen erscheint. Ganz besonders
deutlich offenbart sich Dosso Dossis Stil aber in der Land-
schaft auf der Rückseite des Werkes. m. d. h.

VERMISCHTES
Hugo Lederer hat ein Bildwerk im großen Modell
vollendet, das für die Stadt Charlottenburg bestimmt ist.
Es soll neben einer schon kurz vorher entstandenen Figur
Lederers in den städtischen Anlagen Aufstellung finden,
die sich am Lietzensee-Ufer auf der Seite zum Kaiserdamm
entlang hinziehen. Die neue Figur ist ein monumentaler
Bogenschütze. Das Motiv schuf der Künstler in Erinne-
rung an eine Anregung, die das russische Ballett mit seinen
laufenden Bogenschützen bot. Es ist ein nackter Kämpfer,
der im Laufen in starker Drehung zurückgewandt mit dem
Bogen schießt. Sein Gegenüber ist die große Figur einer
Läuferin. Die beiden Bildwerke sind zur Ausführung in
Bronze bestimmt und werden daher voraussichtlich erst
nach dem Kriege aufgestellt werden können.

KRIEG UND KUNST
Die Gemeinde Worpswede beabsichtigt, im Helden-
hain ein Denkmal zu errichten. Bernhard Hoetger in
Darmstadt hat einen Entwurf für die Statue eines Helden-
jünglings geschaffen.

Die Skulpturensäle des Louvre sind wieder eröffnet
worden, während von der Bildergalerie die größte Zahl der
Hauptwerke aus Paris fortgeschafft worden ist. Die Pariser
Zeitungen fordern zu regem Besuche auf.

Sicherung der tirolischen Kunstdenkmäler. Die

Tätigkeit des k. u. k. Landkonservators in Innsbruck be-
zog sich in den beiden abgelaufenen Monaten sowie über-
haupt seit Ausbruch des Krieges mit Italien in erster Linie
auf die Sicherung der hervorragendsten tirolischen Kunst-
schätze, insbesondere im südlichen Teile des Landes, gegen
Kriegsgefahr und auf die Intervention bei den Kriegsmetall-
sammlungen. In ersterer Beziehung wurden — außer der
Fortführungder bisherigen Bergungs- und Sicherungsarbeiten
— von einzelnen, besonders gefährdeten Objekten auf Kosten
des k. k. Landeskonservatorates photographische Aufnah-
men gemacht, wie z. B. in der Villa Fogazzaro, in der
Lodronschen Kapelle in Villa Lagarina usw. Hinsichtlich
der Kriegsmetallsammlung hat das k. k. Landeskonserva-
torat Schritte unternommen, um die ausgewählten kunst-
geschichtlich in Betracht kommenden Objekte dem Lande
zu erhalten.

In Görz sind die durch den kürzlich erfolgten An-
griff eines italienischen Flugzeuges verursachten Schäden
im Dachwerk und in der Decke des Domes durch provi-
sorische Maßnahmen behoben worden. Die anfangs August
durch feindliches Artilleriefeuer zerstörten Anbauten hinter
dem Presbyterium werden vorläufig nicht wiederhergestellt,
zumal der eigentliche Baukörper des Domes durch einen
glücklichen Zufall unversehrt geblieben ist. Im Görzer
Ursulinerinnenkloster wurde die durch feindliches Artillerie-
feuer beschädigte Marienkapelle in ihrem Dachwerk soweit
gesichert, daß der Raum gegen Regeneinbruch verwahrt
ist. Der Bau besitzt einigen Kunstwert in dem bemalten
Holzwerk des offenen Dachstuhles aus dem 18. Jahrhundert.

Inhalt: Alte deutsche Soldatengräber. Von Dr. P. Kutter. — Georg Hirth f. — Wettbewerb der Berliner Bildhauervereinigung. — Zuwendung
der Kgl. Skulpturensammlung in Dresden. Neues aus dem Museum Boymans in Rotterdam. — Bildwerk Hugo Lederers. — Krieg und Kunst.

Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstraße IIa
Druck von Ernst Hedrich Nachf., G.m.b.H., Leipzig
 
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