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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 27.1916

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Die Schwarz-Weiss-Ausstellung der Berliner freien Sezession
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https://doi.org/10.11588/diglit.6189#0148

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Die Schwarz-Weiß-Ausstellung der Berliner Freien Sezession

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zarten Gestalten, in denen ein ursprünglicheres
Empfinden sich Ausdruck schafft.

Neben den beiden Malern, die in der Ausstellung
in den Vordergrund treten, muß auch einer der Bild-
hauer, denen eigene Räume gegeben wurden, unter
dem gleichen Gesichtspunkt eines eklektischen Forma-
lismus beurteilt werden, nämlich Ernst Barlach, dessen
russische Bettlertypen auf vielen Ausstellungen weithin
bekannt und berühmt geworden sind. Eine wie es
scheint, nahezu vollständige Sammlung seiner Holz-
skulpturen und eine große Reihe von Zeichnungen
gibt Gelegenheit, sich von neuem eingehender mit dem
Werk des Künstlers zu beschäftigen, das an dieser
Stelle ja bereits des öfteren gewürdigt wurde. Man
erinnert sich noch sehr wohl des überraschenden und
starken Eindrucks der ersten von diesen Figuren, die
man vor Jahren gesehen hatte. Durch die Wieder-
holung wurde die Wirkung nicht stärker. Im Gegen-
teil, es mehrten sich die Bedenken,, die man dieser
neuesten Gesamtausstellung gegenüber nur schwer
mehr zurückhalten kann. Denn Barlachs Stil erweist
sich nicht als ursprüngliche Äußerung einer starken
Persönlichkeit, vielmehr als das künstliche Produkt
einer eklektischen Synthese. Asiatische Plastik einer
bestimmten Art gab die Form, ein gewisser fremder
Menschentypus das Material. So entstand eine artisti-
sche Neuschöpfung, die überraschen konnte, der ein
besonderer Reiz auch noch immer eignet, die aber
zugleich ohne die Möglichkeit einer inneren Entfaltung
und Bereicherung blieb. Es entstehen neue Figuren
nach dem alten Schema, aber der künstlerischen Persön-
lichkeit erwächst nur die Möglichkeit der Betätigung,
nicht auch der Auswirkung. Zudem ist es eine Täuschung,
wenn oft darauf hingewiesen wurde, daß Barlachs Stil
eine ideale Materialgerechtigkeit bedeute, denn es sind
im Gegenteil alle Möglichkeiten einer freien und leichten
Bearbeitung des Holzes in dieser schwerfälligen und
wahrhaft steinernen Großflächigkeit ungenutzt geblieben.

So unähnlich äußerlich der Stil Lehmbrucks dem
Barlachs erscheint, so sehr gehören beide doch inner-
lich zusammen. Auch Lehmbruck fand eine Manier,
die als Überraschung wirkte, als sie zuerst bekannt
wurde. Aber alles Bemühen, sich aus eigenen Fesseln
zu lösen, führte nur erst zu zwitterhaften Bildungen
wie dem künstlich zu gotischer Empfindung empor-
stilisierten Jüngling mit den überdetaillierten Händen
und Knien und dem absichtlich verschmälerten Kopfe.
Man wendet sich von solchen Versuchen doch schließ-
lich gern zu den liebenswürdig einfachen Schöpfungen
Georg Kolbes, der wie Barlach in einer umfassenden
Kollektivausstellung sein Werk ausbreiten darf. Der
zierlich bewegte Tänzer, die schön geschlossene Figur
einer Kauernden sind Erfindungen, die ohne den Zwang
einer vorausgewollten stilistischen Bindung frei ent-
standen sind und nach so viel absichtsvollem Bemühen
auf den Beschauer wahrhaft befreiend wirken.

Leicht findet man von hier den Weg zu Slevogts
spielenden Improvisationen, die ein ganzes Kabinett
füllen. Niemals ist Slevogt so sehr in Ausstellungen
hervorgetreten wie in den Jahren des Krieges. Und
niemals zeigte sich seine Kunst so von ihrer glück-

lichsten Seite wie in dierer Sammlung kleiner Feder-
und Tuschzeichnungen. Da sind die reizenden Aqua-
relle aus dem zoologischen Garten, von denen man
hie und da wohl schon Proben gesehen hat. Da sind
vor allem vorbereitende Skizzen zu Illustrationswerken
wie dem Ali Baba und dem Lederstrumpf und Ge-
legenheitsarbeiten wie Tischkarten, in denen eine wahr-
haft geistreiche Phantasie ungehemmt durch die Schwere
des Materials sich ausleben darf. Es ist oft an Menzel
erinnert worden vor diesen Blättchen. Nicht ganz mit
Recht. Denn Menzels Charakteristikum ist immer die
Präzision, während Slevogt sich gern mit einem an-
deutenden Ungefähr begnügt, das der schnellen Nieder-
schrift der Zeichnung entspricht und der Phantasie
des Beschauers Spielraum der Mittätigkeit überläßt.

Aus dem Rahmen der übrigen Ausstellung fällt
dieses Kabinett mit Zeichnungen Slevogts weit heraus.
Sie stehen in ihrer Eigenart ganz für sich und lassen
sich keiner der Gruppen anschließen, in die man die
Zahl der übrigen Aussteller aufteilen könnte. Der
Eingangsraum gehört wesentlich dem Holzschnitt, auf
dessen Neubelebung einstmals so große Hoffnungen
gesetzt wurden. Wie gründlich er im Dekorativen
endete, zeigen gerade die jüngsten Versuche von Gustav
Schaffer und Bruno Seewald, die im besten Falle als
geschmackvolle Illustrationen gelten dürfen. Mit besserem
Gelingen bemühen Erich Heckel und Ernst L. Kirchner
sich um die monumentalen Möglichkeiten dieserTechnik.
Zumal des letzteren »Schwarze Segel« sind als ernste
und eindrucksvolle Erfindung zu rühmen. Und als
neuen Namen verzeichnen wir Valeria Teltscher, die
in einem in Holz geschnittenen Stilleben starkes Stil-
gefühl und einen nicht gewöhnlichen farbigen Ge-
schmack verrät. Man darf hoffen, der Künstlerin öfter
zu begegnen. An einen der ersten, aber darum nicht
auch der besten Vertreter der Holzschnittkunst erinnert
eine kleine Kollektivausstellung von Wilhelm Laage,
die als Ehrenrettung gedacht, doch nur das alte Urteil
über die etwas dürftige Zeichnung und wenig originale
Schneidetechnik des Künstlers bestätigt. Selbst die in
der Zeichnung gewiß anspruchslosen, aber mit großem
Geschick geschnittenen Blätter von Hoberg, die da-
nebenstehen, sind den schwerfälligen Arbeiten Laages
nicht allein im Technischen überlegen.

Unter den Radierern tritt überraschenderweise Beck-
mann diesmal stark hervor. Er gehört zu denen,
auf die das Erlebnis des Krieges stark gewirkt hat.
Er hat Grausiges gesehen, und in einer seltsam bi-
zarren Formengebung, die hie und da an Kokoschkas
Art erinnert, gelingt ihm gelegentlich ein unmittelbar
packender Eindruck. Vielleicht das beste sind einige
gezeichnete Köpfe. Aber es gibt auch Radierungen,
in denen das besondere Material glücklich gemeistert
ist, und Schwarz-Weiß-Wirkungen von großer Schön-
heit erzielt werden. Die gewisse Großartigkeit der
Wirkung, die einzelnen der Bleistiftzeichnungen Theos
von Brockhusen eignet, geht leider in den kahlen,
großen Landschaftsradierungen noch zugrunde. Endlich
seien die sauber gezeichneten und technisch sicher
beherrschten Bildnisradierungen erwähnt, in denen der
vielgewandte Emil Orlik sein bestes Können zeigt.
 
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