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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 27.1916

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319

Literatur

320

Mela Escherich, Konrad Witz. Studien zur deutschen
Kunstgeschichte. Heft 183. Straßburg 1916. Heitz.

Eine Monographie über den Maler Konrad Witz konnte
auf zweierlei Art angelegt werden. Entweder sie beschränkte
sich auf die gegebenen Daten und Werke und versuchte
eine übersichtliche Darstellung durch Anordnung der er-
haltenen Tafelbilder und möglichste Klärung des vielfach
verworrenen Urkundenmaterials, oder sie unternahm es,
auf breitester stilgeschichtlicher Grundlage den besonderen
Charakter der Kunst des Witz zu deuten. Mela Escherich
geht den umgekehrten Weg. Sie nimmt den Stil des Witz
als eindeutig bestimmte Größe zur Voraussetzung und sucht,
rückwärts und vorwärts tastend die Spuren seiner Be-
gründung und Auswirkung. Daß die Resultate dieser Methode
nicht einwandfrei sein können, liegt auf der Hand. Denn die
enge Einstellung des Blickes auf eine Einzelpersönlichkeit
muß, selbst wenn deren Bedeutung für die Stilentwicklung
zugegeben wird, das Urteil über die Kennzeichen allge-
mein charakteristischer Art trüben. So wird die Herleitung
des Witzschen Stiles aus einer eigens konstruierten see-
schwäbischen Kunst problematisch, da deren Definition
durch konzentrische Erweiterung des um den festen Mittel-
punkt einer Persönlichkeit gelegten Kreises gewonnen wird,
nicht aber als Ausschnitt aus dem weiteren Bereiche zeit-
genössischer deutscher Kunst überhaupt. Die bedenklichen
Schwächen der Methode werden am deutlichsten offenbar,
wenn die enge Blickbahn bis in weit entlegene Gebiete
geführt wird, wo dann Werke, in denen der Unvorein-
genommene keine Verwandtschaft zu ahnen vermag, wie
die Allegorie auf Leben und Tod im Germanischen Museum,
der Nelkenmeister, Hans Fries, als Abkömmlinge des
Konrad Witz gedeutet werden. In solchen gewagten
Reihenbildungen vermißt man zudem das Gefühl für die
Relativität im gegenseitigen Verhältnis der einander folgen-
den Stilstufen, wie denn die Kunst des Witz als Ausgangs-
punkt den Charakter einer absoluten Größe gewinnt. Fragen
wie die nach der Beziehung des Witz zum Meister von
Flemalle, die wichtigste, wie es scheint, werden gelegent-
lich berührt, aber nicht scharf in Angriff genommen. Die
allgemeinen Züge eines weit verbreiteten und leicht kennt-
lichenZeitstiles sind nicht herausgearbeitet. Auf ihrerGrund-
lage erst ließe sich eine klare Formulierung der indivi-
duellen Eigenart gewinnen. Umgekehrt führt die Über-
schätzung des Anteiles der Einzelpersönlichkeit an der
allgemeinen Stilbildung zu so merkwürdigen Schlußfolge-
rungen wie der, daß die drei Meister Moser, Multscher
und Witz in ihrer Jugend in einer Werkstatt zusammen
gearbeitet haben. Man braucht eine solche etwas eilfertige
Hypothese ebensowenig ernst zu nehmen, wie offenbar
die Verfasserin selbst es will, die sie nur in bedingter Form
aufstellt, aber in solchen Konsequenzen offenbaren sich
die Fehler der Methode, die ebenso wie in derart allge-
meinen Schlußfolgerungen auch in der Beurteilung ein-
zelner Werke zu sichtbar irrtümlichen Einschätzungen führt.
Es sei hier nur erwähnt, daß die beiden sicher kölnischen
Tafeln derGrablegungund Auferstehungin Berlin,die H.Voss
mit überzeugenden Argumenten dem älteren Sippenmeister
zuweisen konnte, auf Grund eines angeblich allein der Schule
von Konstanz eigenen »Systems der Diagonalrhythmik«
für diese in Anspruch genommen werden.

Für das Werk des Konrad Witz selbst sind durch die
Bemühung der Verfasserin neue Erkenntnisse kaum gewon-

nen worden. Eine chronologische Anordnung der be-
kannten Tafeln gelangt in überzeugender Weise nicht über
die bisher allgemein angenommene Scheidung in zwei
Gruppen früherer und späterer Werke hinaus. Ein neuer
Versuch der Rekonstruktion des Basler Altars darf nicht
eben glücklich genannt werden. Die Verfasserin hat recht,
wenn sie darauf aufmerksam macht, daß Ecclesia und Sy-
nagoge in einem einheitlichen Räume stehend gedacht sind,
also ursprünglich nebeneinander angeordnet gewesen sein
müssen. Aber sie hat an anderen Stellen solche eindeutige
Voraussetzungen in ihrem Rekonstruktionsversuch geflissent-
lich vernachlässigt, wenn sie etwa die Tafel mit dem König
David von der unmittelbar zugehörigen der zwei Feldherren
durch eine hypothetische Anbetung der Könige trennt, oder
die von den übrigen Zweifigurenbildern abweichende Hin-
tergrundbehandlung der Tafel mit Salomo und der Königin
von Saba außer acht läßt. Der Priester des alten Bundes
wird aus dem Zusammenhang des Heilsspiegelaltars aus-
geschieden und als heiliger Bartholomäus umbestimmt,
wesentlich auf Grund eines Heiligenscheines. Ist ein sol-
cher" wirklich vorhanden? Der schwache Schimmer, den
die Photographie an der Stelle erkennen läßt, entspricht
sehr wenig den Gewohnheiten des Witz, der sehr hand-
feste Teller- oder Strahlennimben zu bilden pflegte. Aber
auch abgesehen von der Frage der Zugehörigkeit dieser
Tafel zum Heilsspiegelaltar ist der Rekonstruktionsversuch,
den die Verfasserin bietet, ebensowenig befriedigend wie
die früher aufgestellten Hypothesen. Besonders unglück-
lich erscheint die Idee, das merkwürdige Berliner Bild der
Dreieinigkeit und Heimsuchung mit dem verlorenen Mittel-
stück in Zusammenhang zu bringen. Auch hierin zeigt
sich die Tendenz der Verfasserin, alle Werke des Stiles in
unmittelbare Beziehung, mit der Tätigkeit des von ihr be-
handelten Meisters zu setzen. Eine einleuchtende Deutung
des sehr schwer zu bestimmenden Berliner Stückes ist der
Verfasserin nicht gelungen. Sie behandelt es als teilweise
mißverständliche Kopie eines Nachahmers des Witz. In
ähnlicher Weise wird unter der allgemeinen Überschrift
»Umkreis und Schule« eine Anzahl von Werken in die Ge-
folgschaft des Witz eingereiht wie die Verkündigung in
Aix, die Beweinung aus Villeneuve-Ies-Avignons in Paris,
die Ruhe auf der Flucht in Richmond und andere Werke,
die aus dem Bereiche der oberdeutschen Kunst hinaus-
führen, und die eher für die Bestimmung der Herkunft des
Witzschen Stiles als für dessen Auswirkung in Betracht
kommen werden. Insbesondere wird die Verwandtschaft
der Pariser Beweinung mit der Rückseite der Basler Georgs-
tafel zu beachten sein, wenn die ganze, ziemlich weitläufige
Bildergruppe, von der die Werke des Witz nur ein Teil sind,
einmal im Zusammenhang behandelt werden wird. Man ver-
gißt heut leicht, daß schon der erste Schritt der Identifizierung
des Conradus sapientis de basilea vom Genfer Altar mit dem
Konrad Witz von Rottweil der Basler Zunft- und Ratsbücher
eine Hypothese bedeutete. Andere ähnliche Namen, die sich
in den Urkunden der Zeit fanden, haben zu Kombinationen
geführt, denen gegenüber die Verfasserin mit Recht eine vor-
sichtige Haltung einnimmt. Von dieser Seite die Herkunft
des Konrad Witzzuklären, erscheintwenigaussichtsvoll. Aber
zur Ableitung seines Stiles, zur Beurteilung seiner Kunst im
weiteren Rahmen der Geschichte seiner Zeit ist auch in der
umfangreichen Monographie von Mela Escherich gewiß noch
nicht das letzte Wort gesprochen. Glaser.

Inhalt: Tagebuchblätter von einer Studienreise nach Rußland. Von Theodor Hampe. — Rudolf Hirth du Frenes f; Moritz Röbbecke f. —
Personalien. — Preisausschreiben der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft. — Verein zum Schutze der Denkmäler der Vergangenheit in
Warschau. Heimatschutz in Ostpreußen. — Ausstellung in Hannover. — Sammlung neuerer Meister des Bayrischen Staates. — Der ältere
Furttenbach. Zuweisung eines Steinreliefs an Ad. Kraft. — Westfälische Kommission für Heimatschutz. Mela Escherich, Konrad Witz.

Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstraße IIa
Druck von Ernst Hedrich Nachf., o.m.b.H., Leipzig
 
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