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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 27.1916

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Der Schnitzer des Rother Altars
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https://doi.org/10.11588/diglit.6189#0224

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435

Der Schnitzer des Rother Altars

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1896). Die Schlußfolgerung aber läßt sich ange-
sichts des Tatbestandes heute nicht gut aufrecht er-
halten1). Die noch vorhandenen, ziemlich zerstörten
Malereien der Chorwand, fünf Darstellungen aus dem
Marienleben auf der Wand selbst und vier weibliche
Heilige in der Fensterwölbung, rühren dem Stile nach
aus der Zeit vor 1450 her. Das stimmt mit der Bau-
geschichte. Die Kirche ist 1425 abgebrannt und wurde
1426 wieder aufgebaut (ebdas. S. 244). Und was den
Bericht selbst anlangt, so gibt es in der Laizer Kirche
zurzeit keine Malereien oder Schnitzereien mehr, die
aus 1505 herrühren könnten.

Eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht zwar da-
für, daß unser Hans Strüb einer der beiden 1505 zu-
sammen genannten Maler Hans und Jakob von Ve-
ringen ist. Der Zeitraum zwischen 1505 und 1513
ist zu gering, als daß er einer jüngeren Generation
angehört haben sollte8). Die sichere Antwort bleibt
aber aus, weil ein Werk von Meister Hans und Jakob
nicht bekannt, eine Vergleichung ihres Stiles mit dem
des Rother Altars demnach nicht durchzuführen ist.

Obschon Hans Strüb nur als Maler bezeichnet
wird, hat er vielleicht zugleich den bildnerischen
Teil des Rother Altars angefertigt, wie er wohl auch
als Übernehmer des Auftrags anzusehen ist. Die In-
schrift der Predellenrückseite bezieht sich eher auf
den ganzen Altar, als nur auf die minder vornehme
gemalte Rückwand und die verlorenen Außenflügel-
seiten. Unzweifelhaft ist das allerdings auch wieder
nicht. Beim Tiefenbronner Altar nennt sich z. B.
Schühlin als Meister, der die »daffel . . . gemacht«,
und hat mit der Schnitzerei gewiß nichts zu tun
(vgl. die Beispiele bei Schuette S. 78 ff.). Es fällt auf,
daß sowohl Hans Strüb, als auch die »Meister Hans
und Jacob« urkundlich immer nur als Maler bezeichnet
werden. Vorsichtigerweise identifiziert man also Hans
Strüb nicht ohne weiteres mit dem Bildschnitzer.

Schauen wir den Rother Altar auf seine Stilmerk-
male an. Charakteristisch ist vor allem der Gesichts-
typus. Ein, bei den männlichen Gestalten längliches,
Oval, in dem die Backenknochen hervortreten. Unter-
halb ihrer sind die Wangen etwas eingeschnürt, be-
sonders die der männlichen Heiligen. Die Augen-
brauen stehen ziemlich hoch. Beides findet sich bei-
nahe zwei Jahrzehnte vorher mehrfach bei Gregor
Erhart, dem Meister von Blaubeuren, der dadurch
den Gesichtern seiner Heiligen den eigenen schwärme-
rischen Zug aufprägt, wie ihn auch die »inwendige
Musik« seiner Gestalten von den Ulmer Zeitgenossen
unterscheidet. Es scheint, daß einige schwäbische
Schnitzer ihm etwas davon abgelernt haben. Zum

1) Wird auch von dem Mitarbeiter Landeskonservator
Laur, wie ich von ihm weiß, längst nicht mehr auf-
rechterhalten.

2) Freilich rücken die Jahreszahlen oft dicht aufein-
ander. Der älteste Hans Strigel ist z. B. 1461 gestorben,
sein gleichnamiger Sohn Hans 1465. Zwischen 1505 und
1513 könnte Hans Strüb, der Sozius des Jakob Strüb, ge-
storben, der 1513 allein arbeitende also ein jüngerer Hans
Strüb sein. Der Rother Altar sieht wie die Arbeit eines
im »modernen« Stil heimischen Meisters aus.

Beispiel auch der des Thalheimer Altars (Stuttgart,
A. M.), dem unser Schnitzer überhaupt nicht allzu
fern steht. Hände und Füße sind auf dem Rother
Altar tauglich, aber nicht fein gebildet. Der Rücken
der Mittelhand ist ein wenig zu konvex. Die Finger
quellen derb, oft gleichfalls in nicht natürlicher Kon-
vexe, aus der Mittelhand hervor. Die Hände be-
wegen sich richtig, aber etwas eintönig. Die Haare
wirken nicht so waldartig dick wie bei Gregor Erhart
und wie (etwas weniger) selbst bei dem Meister
des Thalheimer Altars, trotzdem sie — besonders bei
den zwei männlichen Heiligen — gleichfalls in tief
eingeschnittenen lockigen Strähnen herunterfallen. Man
hat vor den Gestalten den Eindruck eines wenig
über mittelgroßen, ziemlich blonden, schlanken (nicht
geradezu hageren) Typus von mäßiger Gliederstärke
und weicherem Haar. Der Faltenwurf ist der von
schweren Seidenstoffen mit tiefen Einbuchtungen und
vielfachen schmäleren und breiten, immer scharf ge-
kanteten Stegen; im ganzen ähnlicher dem des jüngeren
Syrlin, als dem des Blaubeurers. Erharts beschwingter
Rhythmus geht dem Rother Altar ab.

M. Schuette hat (S. 121/2) dem Rother Altar einige
andere, vielleicht aus derselben Werkstätte, wie sie
vermuten möchte, herrührenden Schnitzereien angereiht.
Auch Hebeisen hat einige Werke frageweise der
»Werkstatt der Strüb« zugewiesen. Auf eine Nach-
prüfung der beiden Listen lasse ich mich hier nicht
ein, sondern möchte nur diejenigen mir bekannt ge-
wordenen Werke aufführen, die mir dem Rother Altar
zunächst zu stehen und von demselben Meister oder
unter ihm von seiner Werkstatt gearbeitet scheinen.
Mit Ausnahme des Rother Altars wird die Beurteilung
dieser Stücke durch die neue und gewöhnlich üble
Fassung erschwert.

Sehr nahe stehen dem Rother Altar verschiedene
Heiligenfiguren der Pfarrkirche in Veringendorf (3 km
von Veringenstadt nach Sigmaringen zu); nämlich die
etwa gleichzeitigen Magdalena und Johannes Ev. (je
0,95 m hoch), sowie die in einen barocken Neben-
altar eingesetzten etwas früheren Sebastian und Georg
(0,63 und 0,62 m hoch).

Noch früher muß die in den neuen linken Seiten-
altar der Veringenstädter Pfarrkirche zu oberst eingebaute
bartlose jugendliche Heiligengestalt mit einem Gefäß
in der Rechten entstanden sein. Sie wird kaum richtig
als »Jacobus« bezeichnet. Ihr entspricht ein »Thomas«
benannter bärtiger Heiliger im reiferen Mannesalter
auf dem rechten Seitenaltar. Er trägt gleichfalls ein
Gefäß und ich hätte kein Bedenken, die heiligen Ärzte
Kosmas und Damian in den beiden Figuren zu erkennen.

Nach dem Rother Altar scheinen drei bisher nir-
gends genannte Heiligengestalten der Haidkapelle ent-
standen zu sein. Das ist ein kleines, 1475 von dem
Grafen von Werdenberg erbautes Gotteshaus, das bei
Trochtelfingen in Hohenzollern dicht an der württem-
bergischen Grenze liegt. Dargestellt sind Johannes
Ev., Maria mit dem Kind und der Apostel Jacobus;
Höhe je etwa 1,20 m. Die Lippen sind hier alle-
mal etwas dünn gebildet, wie nach innen gezogen.
Maria trägt den bei den Schwaben häufigen, auf der
 
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