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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,2.1900

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Heft 16 (2. Maiheft 1900)
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Was kann der Goethebund thun?
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https://doi.org/10.11588/diglit.7960#0136

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zusteht. Man denke an unsre Theaterzensur. Man denke an die Ver-
suche, Journalisten zur Verletzung des Redaktionsgeheimnisses zu zwingcn,
also zur Verletzung ihrer Berufsehre. Man denke an die entehrende Be-
handlung von Redakteuren, die wegen nicht entehrender Preßvergehen
verurteilt sind. Hat alles dieses noch unmittelbar mit der Rechtspflege
zu thun, so gibt es doch auch auf ganz anderen Gebieten genug zu beobachten
und zu bekämpfen. Gewiß, vor allem auf dem der Presse. Da ist der
Waschzettelunfug, der tagtäglich mit tauscnd Notizen das Publikum
betrügt, indem er Beurteilungen von beteiligter Seite als un-
parteiische Meinungsäußerungen der Redakteure hinstellt. Da ist die
Mißwirtschaft gewisser Telegraphenbureaux zum Vorteil bestimmter
„Jnteressentengruppen". Da ist der Einfluß der Annoncen-Bureaux auf
die Presse und durch sie auf die öffentliche Meinung und der Einfluß
überhaupt des Annoncenteils auf die Haltung der Redaktion, Einflüsse,
von deren ungeheuerlicher Ausdehnung und Macht die meisten Zeitungs-
leser gar keine Ahnung haben. All das sind Dinge, die zu Fälschungen
unsres literarischen, künstlerischen, wisfenschaftlichen, kurz unsres ge-
samten geistigcn Lebens führen, Dinge also, welche den Goethebund un-
bedingt angchen. Und zum mindesten über die allermeisten davon ließe
sich ganz sicherlich eine Einigung herstellen, das heißt: man könnte für
sie mit geschlossener Autorität wirken.

Wie der Goethebund einmal zufammengesetzt ist, glauben wir:
diese das Schädliche abwehrende Thätigkeit wird er am besten leisten
können. Aber vielleicht kann er in der That auch aus sich heraus
positiv fördern? Da sind all die Bestrebungen, der geistigen Arbeit
die materielle Grundlage zu sichern, die über das Urheberrecht hinaus
bis zu jenem „Urheberschatze" führen, den wir im ersten Januarhefte
dieses Jahres als ein schönes Trauinbild gezeichnet haben. Das geistige
Schaffen einer-, das geistige Genießen anderseits nach Menschenmög-
lichkeit unabhängig zu machen vom Gelderwerb — gewiß, was stellt
dieses höchste und letzte Jdeal einer praktischen Kunstpolitik auch dem
Goethebunde für herrliche Aufgaben! Und es ist wahr: die Wege zu
ihrer Lösung treten schon so klar aus den Morgennebeln hervor, daß
es keine Weltenstunde mehr brauchen wird, bis wir sie gemeinsam be-
treten können. Es wird kaum solange dauern, bis wir über die Fragcn
der ästhetischen Erziehung einig sind. Aber für die nächste Zeit wäre dic
Behandlung dieser Dinge, das glaub ich allerdings, doch noch verfrüht.

Wir stehen mit dem Goethebund ja noch in den ersten Anfängen.
Vorläufig ist er noch nicht einmal ein Körper, er gleicht noch den Massen,
die unvcrdichtet um einen Schwerpunkt kreisen. Es wäre wohl gut,
wenn über sein Arbeitsprogramm zunächst recht viele nachdächten und
sich aussprüchen, um Vorarbeiten für die Absteckung unsres Bauplatzes
zusammenzubringen. Dann wirds auch gelten, die Organisation unsrer
Arbeit einzurichten, ihr Wie zu ordnen: den Bau selber zu beginnen.
Ueüer all das entscheiden sollte, glaube ich, ein Kongreß von Beauf-
tragten der verschiedenen Einzelverbünde. Jch schlage vor, diesen zum
Spätsommer oder Herbst nach München als dem Sitze sozusagen des
„Mutterverbandes" einzuberufen. A.

Uunstwart

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