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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 9.1893-1894

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Woermann, Karl: Raphaels Sixtinische Madonna, [1]
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Herbert, Wilhelm: Künstlers Weihnachten: Skizze
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https://doi.org/10.11588/diglit.11970#0136

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Raphaels Sixtinische Madonna, von Karl Wo ermann. — Künstlers Weihnachten.

(8Lnt6 convsrsnrioni), die auf italienischen Kirchenbildern gemalt sind, zugegen sind. Aber durch eine aus-
drückliche Geberde pflegt auf solchen Bildern höchstens einer der Heiligen die Vermittlung zwischen dem Beschauer
und der Madonna auszusprechen. Auf Raphaels „Madonna del Baldachins" thut es der hl. Augustinus, auf
seiner „Madonna di Fuligno", wie auf Correggios Madonna mit dem hl. Franziskus, thut es Johannes der
Täufer, auf Correggios Madonna mit dem hl. Sebastian der hl. Geminianus. Es genügt also vollkommen,
daß auf unserem Bilde der hl. Papst die Hinweisungsgeberde macht; und es ist nicht nur überflüssig, sondern
auch unerlaubt, dem Gedanken eines mißverstandenen Parallelismus zuliebe einer einfachen, natürlichen Geberde
eine falsche Deutung zu geben.

Hätten wir also keine schriftlichen Nachrichten über die sixtiuische Madonna, kännten wir ihre Geschichte
nicht, träte sie uns zufällig nicht an ihrem jetzigen Platze, sondern an irgend einem einsamen Orte der Erde
entgegen, so würden wir gleichwohl nach unserer Kenntnis anderer italienischer Bilder jener Zeit keinen Augen-
blick im Zweifel sein, eine jener „Heiligen Unterhaltungen" vor uns zu haben, wie sie bald als Maria mit dem
Kinde und zwei Heiligen, bald als Maria mit dem Kinde und vier oder mehr Heiligen, die italienischen
Kirchenaltäre schmückten und schmücken; aber freilich eine »snntn conversumonk« von besonderer, visionär-
durchgeistigter Art. Stellen die meisten früheren Gemälde dieses Schlages die Madonna auf festem Throne
sitzend, die Heiligen auf Marmorfliesen unter Säulenhallen zu ihren Füßen stehend dar, so ist klar, daß auch
in allen diesen Fällen als der Ort der „Heiligen Unterhaltung" nur der Himmel selbst, etwa ein Saal oder eine
offene Halle jenes großen Himmelspalastes gedacht sein kann, in dem der himmlische Vater viele Wohnungen
hat. Raphael führte den Gedanken in unserem Bilde also eigentlich nur realistischer aus, wenn er den Himmel
nicht als Bauwerk mit Mauern, Säulen, Fliesen und festem Throne, sondern als ein Wolkeneiland im himm-
lischen Lichtmeere darstellte. Erst dadurch konnte das Bild den Beschauer wie eine wirkliche Himmelserscheiuung
packen oder, wenn wir der landläufigen Kunstsprache getreu bleiben wollen, den visionären Charakter erhalten,
der den Beschauer blenden und überzeugen mußte.

So also würden wir das Bild ansehen und verstehen, wenn wir weiter nichts von ihm wüßten. Die

hl. Barbara würden wir auch an ihrem Turm sofort als solche erkennen. In Bezug auf den heiligen Papst

aber müßten wir uns bescheiden, seinen Namen nicht nennen zu können, ohne die Kirche oder den Altar, für
die das Bild gemalt worden, und deren Schutzheilige zu kennen. Sicher würden wir auch sofort von der
einzigen Schönheit des Bildes hingerissen sein. Ehe wir uns dieses Mal aber unserem Entzücken hingeben,
wollen wir uns vergegenwärtigen, was wir ans anderen Quellen als unserem Bilde selbst von ihm wissen

und was uns über seine Schicksale von dem Augenblick seiner Entstehung an bis zum heutigen Tage bekannt ist.

(Die Fortsetzung im nächsten Hefte.)

MmstlerF Weihnachten.

Skizze von tvilbelm Norbert.

as schönste Mädchen in der Stadt und den reichsten
Vater dazu! Mich wundert's nicht, wenn die jungen
Herren wie ein Bienenschwarm hier Herumsummen und
süße Gesichter machen!"

So brummte einer der Diener dem andern zu, als
sie beide in einer Ecke des großen Saales für einen
Moment zur Ruhe kamen, da Fräulein Olga Steinbach
eben die kleinen Geschenke verteilte, welche die Familie
zu Weihnachten den Freunden des Hauses spendete.

Es war so althergebracht bei Kommerzienrat Stein-
bach. Der Weihnachtsvorabend gehörte der Familie
ganz allein. Es brannte da im kleinen Salon der
Christbaum für die nächsten Angehörigen und das echte
trautfreundliche Bild einer deutschen Weihnachtsbescherung
entwickelte sich dort. Der Abend des darauffolgenden
Festtages aber vereinigte alles, was in enger oder wei-
terer gesellschaftlicher Beziehung zu dem gastlichen Hause
stand, in den großen Festräumen, die es für derartige
Gelegenheiten barg, und keiner, der da kam, ging ohne
eine kleine sinnige Gabe, welche die lieben Leute für
ihn schon vor der Einladung ausgewählt und heute unter

einer Riesentanne voll blendenden Lichterschmuckes zurecht
gelegt hatten.

„So!" lächelte die reizende schwarzäugige Tochter
des Hauses und schob mit einer Hand die prächtige
Lockenfülle zurück, die sich unter ihrer Spendethätigkeit
zum Teil über die Schultern vor und an die rosigen
Sammtwangen hin gestohlen hatten. „Nun hat Christ-
kind nichts mehr! Wer brav und zufrieden ist, der kommt
in den Himmel — wer aber nicht zufrieden ist, muß
in die Brummecke und so lange dort Punsch trinken,
bis er wieder lustig wird!"

Ein allgemeines, lachendes Bravo lohnte diese kleine
Improvisation und es war wirklich für einige Minuten
wie in einem Bienenschwarm — so summte und schwirrte
es von Schmeicheleien, Anerkennungen und Lobesworten
um die junge Dame her.

„Und Sie", sagte sie eine Minute später, als sich
die ganze Gesellschaft vor dem Souper in kleine zwang-
lose Gruppen aufgelöst hatte und über die empfangenen
Gaben scherzte — „und Sie, Herr Rolf? Sie scheinen
mir wieder derjenige von allen unseren Gästen zu sein,
 
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