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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 9.1893-1894

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Heilbut, Emil: G. F. Watts
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https://doi.org/10.11588/diglit.11970#0097

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von kjerman kelferich.


der sie kennt, täglich lieber. Ich bedanre nur, daß nnsern
Lesern das glänzende Kleid, die Märchenfarbe, nicht offen-
bar werden kann ans den einfarbigen Nachbildungen, die
wir nur geben können. Denken Sie sich das Schönste
und Sie erraten vielleicht, wie schön Watts ist. Wem aber
diese Abbildungen nicht zusagen und mein Text nicht gefällt,
der muß nicht glauben, daß Watts die Schuld trägt. Und
wem Watts nicht gleich gefällt, der muß auch nicht glauben,
daß Watts die Schuld trägt. Denn Watts, das ist sicher,
gehört zu denjenigen Meistern, die nicht überall überrumpeln.
Es giebt Meister in der Kunstgeschichte, von denen langsam
nur die ungeheure Bedeutung offenbar wird, wie Böcklin,
Männer, von denen es auch nicht genügt, zwei oder drei
Bilder zu sehen, so fremdartig sind sie zuerst; man muß in
ihre Sphäre hineintreten und auch zu sehen lernen, was sie
sehen, nicht nur wie sie sehen, zu sehen lernen die Gegen-
stände, hier den englischen Idealismus, dann die Vorgänger,
die englischen Mpsticisten der Malerei, selbst die der Dichtung;
und man muß Watts dann nicht auf einer deutschen Aus-
stellung, wo er als eine von ihrem Boden entfernte sonder-
bare Kraft wirkt, sondern dort, wo er heimisch ist und wo
seine Anreger vereinigt sind, sehen, wo die jungen Mädchen
so frisch sind wie die von ihm gemalten, und wo die Männer,
deren geistige Schönheit Watts kündet, ihre Thaten der
Philanthropie und staatsmännischen Einsicht geübt, ihre Dich-
tungen geschrieben haben. Man muß in England Watts kennen
lernen; man suche doch, wenn man nach London kommt,
Watts' Haus ans an einem Sonntag Nachmittag. Und
wer dann gar nicht in seine Werke hineindringen lernt,
den wird ihr Echo belehren, das er auf den Gesichtern der
übrigen Beschauer sieht, daß Watts in England ein großer
Faktor der öffentlichen Wohlfahrt, ein Künstler nach dem
Herzen aller guten Menschen, einer jener Begnadeten ist, die
die Größe einer Nation tragen Watts war wiederholt die
Mobilisierung angeboten worden; um nicht zu zu großen
Ausgaben gebracht zu werden, nahm Watts sie nicht an, denn
seine Werke will er der Nation hinterlassen, und verdient
darum nicht so viel Geld, wie sein Talent es ihm sonst leicht
machen würde, zu erwerben. Auch dieser Zug muß erwähnt
werden, denn er ergänzt das Bild der Hochherzigkeit, das
Watts in allen Beziehungen darbietet. Er ist eine der edelsten
Erscheinungen des modernen England, ja, ich wage zu sagen,
die je gewesen sind, und die Natur in ihrer Güte hat es
gewollt, daß hier sich auch der Geist den Körper zu schaffen
schien; denn die Züge von Watts lassen die edelsten Seelen-
eigenschaften erraten. Der jüngere Mann, der zu ihm kommt
und dem der Greis begegnet, glaubt sich in einer schöneren
Welt, glaubt wieder an Idealismus, schwärmt, hofft und ist
beglückt. Jedes seiner milden Worte bleibt als Wohlthat im
Gedächtnis zurück; und man sieht in Watts' Gemeinde wieder
einmal, voll Freude, wie nicht immer die Reklame nötig ist,
das Verdienst hervorzuheben, wie vielmehr dieses in seiner
stillen Zurückgezogenheit Wunder wirkt, so daß selbst jene,
die es nur streiften, es nie vergessen können, da unwider-
stehlich und beseligend der dem Aufenthalte nach flüchtige
Eindruck sich des Herzens für immer bemächtigt.

Arradia. von G. F Watts.
 
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