NEVERS, TORTURM
Stadt münden, die in einem anderen Sinne die
Hauptstadt Frankreichs ist als irgendeine Stadt
sonst die Hauptstadt ihres Landes, und wenn man
dann endlich von Versailles her einfährt, durch die
Champs Elysees zur Place de la Concorde, durch
einen Straßenzug, dessen majestätische Breite der
Hauptstadt allein gebührt, der alle übrigen Städte
des Landes willig sich unterordnen.
Man weiß das. Es ist keine Neuigkeit. Aber
man muß es so einmal selbst erlebt haben, um es
ganz zu begreifen, was Paris bedeutet, und man
versteht auch das Land nur, wenn man es emp-
findet, wie es in allen seinen Teilen nach dieser
Stadt hin orientiert ist, wie alle seine Kräfte zentri-
petal nach diesem Mittelpunkt gerichtet sind, wie
es in all seinen Provinzen gar kein
selbständiges Leben entfalten kann,
weil der stärkste Teil dieses Lebens
der Hauptstadt gehört. Andere
Hauptstädte großer Länder sind zu-
erst die Hauptstadt einer Provinz
und dann erst die Hauptstadt des
Landes. Es ergeben sich aus sol-
chem Verhältnis Rivalitäten, die
nicht für Paris und nicht für Frank-
reich existieren, denn Paris ist
Frankreich, und die Pariser sind
Franzosen, so gut sie Pariser sind.
Alle schöpferischen Kräfte sammeln
sich hier, und ob ihre Träger zeit-
weise hier und zeitweise wieder in
ihrer engeren Heimat leben mögen,
sie gelten mit Recht so gut als Pa-
riser; wie sie als Franzosen gelten.
Es gibt nicht in diesem Sinne eine
Unterscheidung zwischen dem Sü-
den und dem Norden, obgleich
die landschaftlichen und klimati-
schen Gegensätze viel schroffer sind
als in anderen Ländern. Es gibt
keine Main grenze in Frankreich.
Die Loire ist nicht zu einer Tren-
nungslinie, sondern zu einem Sam-
melpunkte geworden. An der Loire
wurde in den Zeiten der Jungfrau
von Orleans, die heute zur heili-
gen Johanna geworden ist, die Einig-
keit Frankreichs erkämpft, hier ste-
hen noch heute die Schlösser der
Fürsten, die sich der königlichen Macht unter-
warfen, sie wurden zu Landsitzen des Adels, der
um den Hof in Paris sich scharte, das sich dünken
durfte, der Mittelpunkt der Welt zu sein, nach-
dem das römische Kaisertum in unfruchtbaren
Kämpfen seine alte Herrlichkeit vertan hatte.
Den Deutschen, der durch Frankreich reist, ver-
läßt niemals dieser starke Eindruck des Gegen-
satzes eines in allen Teilen nach einem beherr-
schenden Mittelpunkte orientierten Landes zu der
heimatlichen Gewohnheit einer Vielzahl gleichge-
ordneter Zentren alter Kultur und neuen Erwerbs-
lebens. In Deutschland führen die Chausseen von
Hauptstadt zu Hauptstadt. Der Reisende durch-
fährt viele große Städte, die kaum voneinander zu
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Stadt münden, die in einem anderen Sinne die
Hauptstadt Frankreichs ist als irgendeine Stadt
sonst die Hauptstadt ihres Landes, und wenn man
dann endlich von Versailles her einfährt, durch die
Champs Elysees zur Place de la Concorde, durch
einen Straßenzug, dessen majestätische Breite der
Hauptstadt allein gebührt, der alle übrigen Städte
des Landes willig sich unterordnen.
Man weiß das. Es ist keine Neuigkeit. Aber
man muß es so einmal selbst erlebt haben, um es
ganz zu begreifen, was Paris bedeutet, und man
versteht auch das Land nur, wenn man es emp-
findet, wie es in allen seinen Teilen nach dieser
Stadt hin orientiert ist, wie alle seine Kräfte zentri-
petal nach diesem Mittelpunkt gerichtet sind, wie
es in all seinen Provinzen gar kein
selbständiges Leben entfalten kann,
weil der stärkste Teil dieses Lebens
der Hauptstadt gehört. Andere
Hauptstädte großer Länder sind zu-
erst die Hauptstadt einer Provinz
und dann erst die Hauptstadt des
Landes. Es ergeben sich aus sol-
chem Verhältnis Rivalitäten, die
nicht für Paris und nicht für Frank-
reich existieren, denn Paris ist
Frankreich, und die Pariser sind
Franzosen, so gut sie Pariser sind.
Alle schöpferischen Kräfte sammeln
sich hier, und ob ihre Träger zeit-
weise hier und zeitweise wieder in
ihrer engeren Heimat leben mögen,
sie gelten mit Recht so gut als Pa-
riser; wie sie als Franzosen gelten.
Es gibt nicht in diesem Sinne eine
Unterscheidung zwischen dem Sü-
den und dem Norden, obgleich
die landschaftlichen und klimati-
schen Gegensätze viel schroffer sind
als in anderen Ländern. Es gibt
keine Main grenze in Frankreich.
Die Loire ist nicht zu einer Tren-
nungslinie, sondern zu einem Sam-
melpunkte geworden. An der Loire
wurde in den Zeiten der Jungfrau
von Orleans, die heute zur heili-
gen Johanna geworden ist, die Einig-
keit Frankreichs erkämpft, hier ste-
hen noch heute die Schlösser der
Fürsten, die sich der königlichen Macht unter-
warfen, sie wurden zu Landsitzen des Adels, der
um den Hof in Paris sich scharte, das sich dünken
durfte, der Mittelpunkt der Welt zu sein, nach-
dem das römische Kaisertum in unfruchtbaren
Kämpfen seine alte Herrlichkeit vertan hatte.
Den Deutschen, der durch Frankreich reist, ver-
läßt niemals dieser starke Eindruck des Gegen-
satzes eines in allen Teilen nach einem beherr-
schenden Mittelpunkte orientierten Landes zu der
heimatlichen Gewohnheit einer Vielzahl gleichge-
ordneter Zentren alter Kultur und neuen Erwerbs-
lebens. In Deutschland führen die Chausseen von
Hauptstadt zu Hauptstadt. Der Reisende durch-
fährt viele große Städte, die kaum voneinander zu
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