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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 26.1928

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Heft 3
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Georges, Jeanniot: Ein Besuch bei Manet: Deutsch von Margarete Mauthner
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https://doi.org/10.11588/diglit.7393#0137

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Auge behalten, das übrige kommt dann schon
von selbst und nebstbei bleibt dann gewöhnlich
garnicht mehr so viel zu tun. Und vor allem
muß man das Gedächtnis üben, denn die Natur
erteilt nur die notwendigen Auskünfte. Man sollte
sie als ein Geländer auffassen, das einen vor dem
Sturz in die Banalität schützt. Man muß immer
ihr Meister bleiben und nur das Amüsante machen.
Nur nicht ein Pensum herunterarbeiten, um Gottes-
willen kein Pensum! — Na, da Sie sich für die
Sachen interessieren, gehen Sie mal da hinein." Und
er wies dabei auf eine Tür. Ich öffnete sie und
trat in eine Art Rumpelkammer, wo eine Menge
Bilder herumstanden. Bilder über Bilder! Die
Wäsche, die Olympia, das Restaurant des Pere
Lathuille, der Christus mit den Engeln*, Argenteuil.
Der Pere Lathuille fiel mir vor allem ins Auge,
denn das Bild stand im besten Licht, und ich er-
innerte mich seiner aus dem Salon von 1880, wo
es auf mich als die wunderbarste Darstellung des
Pariser Gasthauslebens tiefen Eindruck gemacht
hatte. Jetzt wurde ich von dem ganz eigenartigen
Zauber ergriffen, der von dieser unvergleichlich
feinen Malerei ausging, und ich hätte mich wohl
nicht so bald davon losreißen können, hätte mich
nicht Manets Stimme aus meiner Versunken-

* Hier muß ein Irrtum vorliegen. Im Jahr 1882 befand
sich dieses Bild nicht mehr bei Manet, wahrscheinlich han-
delt es sich um den Christus mit den Kriegsknechten.

heit geweckt. So verließ ich denn diesen arm-
seligen Raum, in dem so viele verachtete Meister-
werke aufgestapelt waren, und, so gut ich es
vermochte, erklärte ich ihm den Eindruck, den
seine Malerei auf mich macht. Ich hatte die
Freude, in seinen Augen, vor deren Lebendigkeit
die Krankheit schonend Halt gemacht hatte, eine
Rührung aufleuchten zu sehen, die ich als eine
der köstlichsten Erinnerungen meines Lebens be-
wahre.

Von diesem mir unvergeßlichen Besuch ent-
sinne ich mich noch einiger anderer Worte.

„Die Farbe", sagte Manet, „ist eine Sache des
Geschmacks und der Empfindung. Wissen Sie,
man muß etwas zu sagen haben, sonst kann man
sich begraben lassen. Man ist kein Maler, wenn
man nicht die Malerei über alles liebt. Und — man
darf nicht etwa nur sein Handwerk verstehen —
man muß eben mit ganzer Seele dabei sein. Sehr
wichtig, das Können — aber sehen Sie, für uns
ist die Phantasie noch wichtiger. — Als ich eines
Tages von Versailles zurückfahren wollte, stieg ich
auf die Lokomotive, neben den Maschinisten und
den Heizer. Es war ein herrliches Erlebnis. Diese
Kaltblütigkeit, diese Ausdauer der beiden Männer!
Es ist ein niederträchtig schweres Handwerk.
Solche Leute sind die modernen Helden! Sowie
ich erst wieder ganz gesund bin, will ich ein
Bild danach malen."---

EDOUARD MANET, PÄONIEN

III
 
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