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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 26.1928

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Heft 5
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Purrmann, Hans: Van Gogh und wir
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https://doi.org/10.11588/diglit.7393#0207

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allerdings starken Natureindruck in ihnen kon-
statieren — und möchten doch so dankbar sein,
daß uns dieser Maler einmal erzittern ließ, als wir
seine weiten Felder erlebten, seine Brücken, seine
Bahndurchstiche, seine Parks, seine farbsymboli-
schen Stilleben und seine in der glühenden Atmo-
sphäre zu Flammen aufsteigenden Bäume, seine
Sternenhimmel, seine Sonnenuntergänge — so un-
romantisch neuartig — von uns zum erstenmal
gesehen!

Wir Betrachter von heute — ohne die soziale
und programmhafte Ergriffenheit vor Natur und
Bodenständigkeit, die auch uns einmal mächtig
erfaßt hatte — wir zwingen uns, eine Unzufrie-
denheit niederzukämpfen. Wir tun es mit der Ent-
schlossenheit, die uns die große Sympathie für
diesen ungeheuer genialischen Menschen aufzwingt,
während doch viele Voraussetzungen entwichen
sind, ihn als einen der ganz großen Zeitgenossen
verehren zu dürfen.

VAN GOGH-AUSSTELLUNGEN IN BERLIN

Die van Gogh-Ausstellungen dieser Wochen sind einer
Nachprüfung — wozu Hans Purrmanns Worte so ernstlich
auffordern — sehr günstig. Über die schone Zeichnungsaus-
stellung bei Wacker haben wir schon im vorigen Hefte be-
richtet. Sie ließ den Betrachter fortgesetzt zwischen einem
Ja und einem Aber schwanken. Sie wird als kritisches Er-
lebnis unvergeßlich sein; sie gehört zu den Ausstellungen,
die historisch werden. — Die Ausstellung der van Gogh-Bilder
der Sammlung Kröller im Haag wird uns für den Februar
versprochen. Uber sie konnte bei Redaktionsschluß dieses
Heftes noch nichts gesagt werden. — Dagegen eröffnete Paul
Cassirer am 14. Januar eine Ausstellung von neunzig Gemälden
van Goghs. Meisterwerke neben Arbeiten, in denen das Talent
sichtbar getastet hat. Auch diese Ausstellung ist ausgezeichnet;

sie erinnert an die besten Zeiten auf diesem historischen
Boden. Der Gewinn ist groß. Ist um so größer, als die so-
eben erschienenen zwei ersten Bände des auf vier Bände ange-
legten großen Oeuvre-Katalogs von J. B. de la Faille (Paris
und Brüssel, Les Editions G. van Oest) einen sehr lehrreichen
Überblick der Gesamtentvvicklung des Künstlers geben. Alles
deutet darauf hin, daß die Urteilsbildung über van Gogh
noch im Gange ist, daß von einem historischen Abschluß
keineswegs schon gesprochen werden darf. Der Fall van Gogh
ist einzig. Und enthält eben darum Problematik. Die Aus-
stellung bei Paul Cassirer zeigt schlagend die Höhen und die
Niederungen dieser Kunst. Sie gehört zu den bedeutendsten
Veranstaltungen dieser Jahre und wird sicher viel zur Klä-
rung beitragen.

VINCENT VAN GOGH, GARTENLOKAL. ZEICHNUNG

AUSGESTELLT IN DER GALERIE WACKER, BERLIN

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