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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 26.1928

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Heft 5
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Kunstausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7393#0231

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zehnten Jahrhunderts wird die neue Bildform des beginnenden
Realismus so übermächtig, daß sie sich auch den Teppich unter-
wirft, die Darstellungen ausder Thomaslegende, dieinmanchem
schon die Kunst des Konrad Witz vorausahnen lassen, sind Zeug-
nis dafür. Nach wiederum hundert Jahren hat sich von neuem
eine besondere Stilform textiler Bilddarstellung entwickelt.
Auf eine höchst kunstreiche Art verschlingen sich in dem
Anna-Elisabeth-Teppich, der zugleich von dem gänzlich ge-
wandelten Farbengefühl der Epoche zeugt, räumlich erfundene
Figurengruppen in ein Flechtwerk von Pflanzenranken, die
einerseits den landschaftlichen Schauplatz deuten, anderseits
das Bildornament spätgotischer Phantasie zu einer wundervoll
dekorativen Einheit schließen.

Zusammen mit den Teppichen wird eine Anzahl wert-
voller altdeutscher Skulpturen und Gemälde gezeigt. Unter
den Skulpturen ragen zwei Werke Tilman Riemenschneiders
hervor, eine Relieftafel des Münnerstädter Altars mit der
Darstellung Christi im Hause des Simon und eine besonders
schöne Madonnenstatue des Meisters. Unter den gotischen
Tafelbildern steht an erster Stelle eine sehr interessante,
wohl französische Darstellung einer klösterlichen Studierstube
mit dem heiligen Hieronymus im Kreise seiner Schüler. Das
auf helle Farbigkeit gestimmte Bild verrät die ausgesprochene
Freude an der Wiedergabe räumlichen Eindrucks und an
körperhaft durchgebildeten Stilleben, die für das zweite
Viertel des fünfzehnten Jahrhunderts charakteristisch ist. Von
Lukas Cranach sieht man eine lebensgroße Venus sowie ein
schönes Frauenbildnis, dem ein farbenprächtiges Porträt eines
weißbärtigen Mannes gegenübergestellt ist, dessen Meister
man im niederdeutschen Gebiet um 1530 zu suchen hat.

Man darf den Veranstaltern der schönen Ausstellung, den
Herren Hinrichsen und Lindpaintner dankbar sein für ihre
Bemühung. Haben sie doch in den Teppichen aus Wien-
hausen eines der köstlichsten Denkmäler altdeutscher Kunst
für kurze Zeit wenigstens der Öffentlichkeit zugänglich ge-
macht, das jahrhundertelang in klösterlicher Abgeschieden-
heit beinahe völlig unbekannt geblieben ist. G.

In der Galerie Ferdinand Möller wurden ein halbes Hun-
dert Bilder und Plastiken deutscher Künstler gezeigt. Eine
entschiedene Verbesserung zeigen die Bilder von A. Kersch-
baumer. Seine Landschaften haben den Charakter von far-
bigen Architekturzeichnungen verloren, sie sind malerischer
gesehen und gegeben. Die Pastelle von Otto Herbig sind
sympathisch, soweit das Schmissige darin nicht stört. Ch. Cro-
del machte wieder auf ein Talent aufmerksam, das vielleicht
einer schönen Reife fähig ist. E. Matare verliert sich mit
seinen farbigen Holzschnitten gar zu sehr im Stilisierten.
Unter den Plastiken gefielen am besten hübsche Tiergruppen
von Herbert Garbe, zwei Bronzen von Georg Kolbe und vier
Bronzen von Richard Scheibe. Fränze Pfannkuche hatte
archaisierende Stickereien ausgestellt, die nicht ohne Reiz
sind.

*

Die durch Th. Stoperau neu eröffnete Galerie Zickel de-
bütierte mit einer hübschen Ausstellung deutscher Bilder,
in der vor allem Werke von Liebermann, Sperl, Uhde, Schuch,
A. Keller, Spitzweg, Rösler, Hagen und Oberländer die Auf-

merksamkeit fesselten. Die zweckdienlich hergerichteten
Räume sind intimen Ausstellungen dieser Art sehr günstig.

*

Am 13. Februar wird Henry van de Velde im Rahmen
eines Vortragszyklus „Neues Bauen", den die Staatliche
Kunstbibliothek im Hörsaal Prinz-Albrecht-Straße 7 a ver-
anstaltet, sprechen. Wir freuen uns, den bedeutenden Mann,
der Europa und im besonderen auch Deutschland so viel
schon bedeutet hat, in Berlin wieder einmal zu sehen und
zu hören. Wir kommen auf seinen Vortrag zurück.

*

Bei Fritz Gurlitt waren im Oberlichtsaal Arbeiten von
Moritz Melzer ausgestellt: dekorativ wirksame, eklektizistische
Kompositionen, denen Motiv und Natur so wenig bedeuten,
daß einem in der Erinnerung alle Bilder fast zusammen-
fließen. Um so mehr als dieselben verblasenen Farben
überall wiederkehren. Melzers halb graphische Malerei hat
in einer liebenswürdigen Weise etwas Manisches. Schade,
daß ihm die rechten Aufgaben fehlen. Der Ludwig von
Hofmann-Schüler macht aus dem Bild etwas wie eine be-
deutende Tapete; eben darum könnte er Tapeten, wo sie
am Platz sind, bildmäßig ausgestalten. K. Sch.

MÜNCHEN
Die jüngste Kollektiv-Ausstellung von Walter Teutsch
bei Caspari bedeutete eine angenehme Überraschung. Der
Künstler, der ein wenig verspielt war und dessen Kunst
den Gefahren Münchener Ateliermalerei zu erliegen drohte,
hat offenbar in jüngster Zeit den Kontakt mit der Natur
wieder eifrig gesucht. Ohne daß der dekorative, teppich-
mäßige Charakter seiner Malerei geschädigt worden wäre,
ist Teutschs Kunst nunmehr von einer viel größeren, männ-
licheren Anschaulichkeit erfüllt; mit dem notwendigen Maß
von Plastik verbindet sich Klarheit des Kolorits, das nicht
nur spielerisch wirkt, sondern auch sachliche Funktionen
erfüllt. — Bei Thannhauser lernte man in Flora Klee-
Pälyi eine temperamentvolle Zeichnerin kennen, von sehr
witziger, illustrativer Begabung. A. L. M.

WIEN

Der Ungarische Verein neuer Künstler stellt sich im Hagen-
bund mit einer bemerkenswerten Ausstellung vor. Die Werke
dieser Gruppe lassen erkennen, wie die mit großem Eifer
aufgenommenen westlichen Keime auf dem heißeren und
ungepflegteren östlichen Boden wilder und glühender auf-
gehen, wie einzelne der angestammten Begabung entsprin-
gende Volkskunstelemente in die raffinierte Malkultur, die
die ungarischen Künstler zumeist direkten Studien in Paris
verdanken, grell und auffrischend einschlagen. Dieser Grund-
zug der Magyarisierung des Französischen oder der Natio-
nalisierung des kosmopoliten europäischen Stils ist der inter-
essanteste Gewinn dieser Ausstellung, die eine bahnbrechende
Persönlichkeit von internationalem Format nicht kennen
lehrt, aber einige sympathische Bekanntschaften vermittelt.
Die meisten Mitglieder der Gruppe sind ganz jung und
schlagen sich mit allerhand Problematik dieser letzten Jahre
herum; unter den Gereifteren scheint Matisse — mit viel-
facher Umsetzung ins Van Dongenhafte — den stärksten

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