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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 26.1928

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Heft 6
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Friedländer, Max J.: Vom Restaurieren der alten Bilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.7393#0239

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viduelle, zeitlich gebundene Geschmack des Samm-
lers, des Händlers und des Restaurators zur Mit-
arbeit herangezogen. Das Bild von Memling wird
so behandelt, daß es wie makellos erhalten aus-
sieht, zugleich denjenigen Anblick bietet, der ge-
fällig den Erwartungen entspricht, den — natür-
lich fehlerhaften — Vorstellungen von Memlings
Kunst.

Die unredlich verfälschende Methode wird nicht
leicht abzuschaffen sein, solange mit Bildern ge-
handelt wird. Immerhin wäre es denkbar, daß
der Wahn in bezug auf das Aussehen alter Bilder
aufgehoben, die Konvention in ihr Gegenteil um-
gestellt werden könnte. Malen wir uns aus, was
geschehen würde, wenn ein fanatischer Kunst-

forscher als Galerieleiter die seiner Sorge anver-
trauten Gemälde nackt und bloß ohne Ergänzungen,
Ausfüllungen, frei von ausgleichend tönendem Firnis
zeigen würde, wenn die Gewohnheit, Bilder in
diesem Zustande zu erblicken, sich ausgebreitet
hätte bis in die Kreise der Sammler und Händler
hinein. Eine Götzendämmerung, eine Umschich-
tung der Werte, eine Versachlichung, Ernüchterung
und Reinigung des Urteils, eine harte Kur.

Wie der fragmentarische Zustand als Echtheits-
merkmal antiker Skulptur den Gelehrten befriedigt,
ohne den Kunstfreund zu verletzen, mögen in Zu-
kunft auch partiell zerstörte Gemälde mit aktiver
Phantasie betrachtet werden, die verschönten und
ergänzten aber mit Mißtrauen und Unbehagen.

EDOUARD MANET. BILDNIS ZACHARIE ASTRUC. 1863-64

BREMEN, KUNSTHALLE. AUSGESTELLT IN DER GALERIE MATTHIESEN, BERLIN

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