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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 26.1928

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Heft 6
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Scheffler, Karl: Falscher Kunstschutz
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https://doi.org/10.11588/diglit.7393#0259

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bietet. Und auch dem Kunstfreund ist das Kunstwerk im
Ausland nicht aus der Welt. Ein Bild, das ich in der Lon-
doner National-Gallery sehen könnte, wann ich will, ist mir
näher als wenn mein Nachbar in Berlin es besitzt, es aber
wie ein Wertpapier seiner Bank zur Bewahrung übergibt.

Die Verordnung über die Ausfuhr von Kunstwerken, die
1919 erlassen wurde und die jetzt bis zum 31. Dezember
1929 verlängert worden ist, war eine Frucht der Inflations-
zeit. Damals war man weniger um den Verlust von Kunst-
gut besorgt als um den Verlust von Vermögenswerten. Was
in jenen Jahren bis zu gewissen Graden berechtigt war, ist
heute völlig sinnlos geworden. Um so mehr als die be-
rüchtigt gewordenen Listen der geschützten Kunstwerke
noch nicht korrigiert worden sind. Als das Gesetz gemacht
wurde, hätte man zugleich einen bedeutenden Fond schaffen
müssen, um Werke, die der Privatbesitz nicht länger halten
konnte, dem Staat zu sichern. Das ist nicht geschehen.
Die Folge war, daß es den Besitzern fast immer gelang,
die zur Freigabe erforderlichen „zwingenden Gründe" nach-
zuweisen und so das Verbot zu durchbrechen. Es gelang
um so leichter, je freigiebiger als Gegenleistung den Museen
Schenkungen versprochen wurden. Verhältnisse waren die
Folge, die oft nicht weit von Korruption entfernt waren
und die vor allem der Kunsthandel genutzt hat. Zuweilen
ist das Gegenteil dessen heraufbeschworen worden, was
erreicht werden sollte.

Kunstwerke mit Zwangsmitteln im Lande zu halten, die
in natürlicher Weise nicht gehalten werden können, ist Un-
sinn. Wenn eine Nation nicht mehr reich genug ist für
einen großen Privatbesitz an Kunstwerken, so sollte es offen
eingestanden werden. Bei wachsendem Wohlstand kann ja
aufs neue gekauft und gesammelt werden. Zudem vergessen
die Fürsprecher von Zwangsmaßregeln, daß es in Deutsch-
land ein Recht des Privateigentums gibt. Man kann ja
auch regieren wie in Rußland und die Sammler expropriieren,
mit dem Ergebnis, daß sich der Besitz der öffentlichen

Sammlungen plötzlich sehr vergrößert, daß in der Folge
aber nicht ein einziges wettvolles Kunstwerk mehr hinzu-
kommt, weil aller Privatinitiative der Lebensnerv getötet ist.
In Deutschland wird nach diesen Methoden noch nicht re-
giert. Dann darf es aber auch nicht im Ausnahmefall ge-
schehen.

Ohne Ausfuhrgesetz wandert vielleicht manches schöne
Werk ins Ausland. Ist es aber wirklich ein Verlust, wenn
bedeutende Werke deutscher Kunst in die Galerien des Aus-
landes kommen? Bei einem Kunstwerk — so wurde neulich
in der „Weltbühne" richtig gesagt — kommt es nicht auf
das Hiersein, sondern auf das Dasein an. Die deutsche Kunst
ist im Ausland viel zu schwach vertreten. England und Frank-
reich sind nicht zuletzt durch die Werke ihrer Meister in
Amerika zu größerem Ansehen gekommen als Deutschland.
Frankreich genießt, trotz allem, in Deutschland eine Art
von Popularität, weil viel gute französische Kunst im Lande
ist. Meisterwerke werben immer und überall für ihr Heimat-
land. Mittelbar, doch darum nur um so erfolgreicher.

Man sollte aufhören, mit Emphase immer von einer
Schädigung des Nationalvermögens und der Volksbildung
zu sprechen, wenn deutsche Kunstwerke — es sind ja ver-
hältnismäßig so wenige! — ins Ausland verkauft werden.
Man sollte das Ausfuhrverbot nicht erneuern, wenn es ab-
gelaufen sein wird. Auch in diesem Punkte ist jeder nationa-
listischen Einstellung aufs äußerste zu mißtrauen. Sollte aus-
nahmsweise einmal ein Werk deutscher Kunst des Schutzes
wirklich bedürfen, so ist es mit einem Vorkaufsrecht getan,
oder es können die Länder diesen Schutz gewähren, ohne
daß die Reichsregierung bemüht zu werden braucht.

*

Die Sigmaringer Sammlung ist nach genauer Prüfung der Verhält-
nisse zum Verkauf freigegeben worden unter der Bedingung, daß sie
in D euts chlan d versteigert wird. Dadurch sind die deutschen Mu-
seen imstande, Mittel flüssig zu machen, um die sie interessierenden
Werke zu erwerben.

EDOUARD MANET, RENNEN IN LONGCHAMP- 1864. AQUARELL

AUSGESTELLT IN DER GALERIE MATTHIESEN, BERLIN
 
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