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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 26.1928

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Heft 7
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Die gefälschte Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7393#0278

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nachwiese, wie es in Wahrheit mit dem Erhaltungs-
zustand sehr vieler dieser Bilder aussieht? Würde
dann nicht jene Grundforderung nach dem Echten
praktisch in vielen Fällen verletzt erscheinen?

Das Unechte tritt in unsern Museen, Privat-
sammlungen und Ausstellungen alter Kunst in
vielerlei Gestalt auf.

Es gibt — zum Beispiel — keine Cranach-
fälschungen aus alter Zeit; doch gibt es unechte
Cranachs, da eigenhändige Bilder des Meisters im
Werkstattbetrieb vervielfältigt und Schülerarbeiten
mit dem Firmenzeichen versehen worden sind.
Rembrandtzeichnungen sind schon in alter Zeit
so genau kopiert worden, daß es sehr schwer
ist, das Urbild zu erkennen. Von Boucher weiß
man, daß er Kopien, die Schüler nach seinen
Zeichnungen angefertigt hatten, zu signieren und
als eigenhändige Arbeiten zu verkaufen pflegte.
Und so weiter.

Ein an sich echtes Bild kann ferner durch eine
falsche Bestimmung falsch gemacht werden. Im
allgemeinen ist in der Bestimmung von Kunst-
werken in den letzten Jahrzehnten Vieles und Gutes
geleistet worden. Doch besteht auch die Neigung,
möglichst jedes Bild der Namenlosigkeit zu ent-
reißen, es einer fester umrissenen Persönlichkeit
auch dann zuzuschreiben, wenn die Beweise da-
für nur schwach sind, und zu vergessen, daß der
Erkenntnis hier enge Grenzen gezogen sind. Un-
sichere oder nicht zutreffende Bestimmungen sind
aber um so einschneidender, als Bilder auch
Wertobjekte sind, als die Entscheidung des Ge-
lehrten für den Handel unendlich wichtig werden
kann. An sich ist ein Bild der Rembrandtschule
oder des Leibikreises nicht falsch. Es wird falsch,
wenn es unter dem Namen Rembrandt oder Leibi
geht. Befindet es sich im Handel, so wird es gar
zu leicht nachträglich noch mit einer falschen Signa-
tur versehen.

Noch wichtiger ist die Frage der Erhaltung.
Wird ein Bild gereinigt, zeigt es sich dabei, daß
die ursprüngliche Farbschicht abgebröckelt ist,
und wird das Bild dann „restauriert," das heißt
von einem Restaurator wieder fertig gemalt, so
ist es verfälscht. Da das gut erhaltene Bild nach
der bestehenden Konvention mehr Wert hat als
das halb zerstörte, da Museen, Sammler und Händ-
ler darum den Wunsch nach gut erhaltenen Bildern
haben, hat der Restaurator mit Pinsel und Palette

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immer viel zu tun. Der weit verbreitete Mangel
an wahrem Gefühl für Kunst hat Restaurierungs-
arbeiten dieser Art sehr gefördert. Oft sind die Er-
gänzungen ja nur geringfügig, zuweilen berühren
sie aber auch den Lebensnerv des Kunstwerks so
sehr, daß, zum Beispiel, der Kopf einer das Bild
beherrschenden Figur vom Restaurator, nicht vom
Künstler gemalt ist. Eine Venus von Cranach wird
gereinigt; ein angeblich später gemalter Schleier
soll entfernt werden. Bei dieser Reinigung geht
der halbe Körper mit weg. Nun stellt der Restau-
rator alle erreichbaren Photographien von ähn-
lichen Bildern Cranachs vor sich auf und malt
danach die fehlenden Teile neu. Das heißt: er ver-
fälscht systematisch ein echtes Bild.

Von hier ist eigentlich nur noch ein Schritt
bis zur Fälschung. Es gibt Pfuscher unter den
Fälschern, aber auch Meister, denen selbst Kenner
hohen Ranges erliegen. Mit der Zeit werden frei-
lich viele Fälschungen aufgedeckt, viele gehen je-
doch unangefochten in Museen und Privatsamm-
lungen unter den Namen berühmter Meister. Die
Schwierigkeiten, Fälschungen zu erkennen, wachsen,
wenn die Fälscher sich der neueren Kunst zu-
wenden. Dort wird weder der nie ganz nachzu-
ahmende Zeitstil noch das Fehlen von Altersspuren
zum Verräter. Mit Recht schrecken Erzählungen
von hunderten falscher Corots die Sammler ab.
Um die Echtheit von Bildern Daumiers wird hoff-
nungslos gestritten. Ebenso unsicher ist man ge-
wissen Bildern gegenüber, die van Gogh zuge-
schrieben werden. Hierher gehören auch die Skizzen
und Studien namhafter Künstler, die „fertig ge-
malt" werden, damit sie verkäuflicher und wert-
voller seien.

So also sieht es in den Museen, Privatgalerien
und Ausstellungen aus: Neben den echten, be-
deutenden, in Wahrheit gut erhaltenen Meister-
werken befinden sich in nicht geringer Anzahl
falsche Werke, die gewissermaßen von den Künst-
lern selbst herrühren — Werke, die unter falschen
Künsdernamen gehen — Bilder, die zu kleineren
oder größeren Teilen neu gemalt worden sind,
weil sie beschädigt waren — alte Kopien, die zum
Rang von Originalen aufgerückt sind — und zu-
letzt die in schlimmer Absicht hergestellten Fäl-
schungen.

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