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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 26.1928

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Heft 7
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Die gefälschte Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7393#0280

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Wie kann man sich hiergegen nun wehren?
Wie kann die Kunst rein erhalten werden?

Es wird gern ein Allheilmittel empfohlen. Alle
Beteiligten, heißt es, sollten sich zur Empfindung
der Qualität erziehen. Dann würde man sich nur
um das gute Bild kümmern, nicht um das vom
Restaurator verfälschte und nicht um das vom
Fälscher hergestellte. Es ist richtig, daß es im
höheren Sinne gleichgültig ist, ob ein schlechtes
Bild echt oder falsch ist, ob es von einem Meister
ist oder von einem Unbekannten; es lohnt nicht,
sich damit zu beschäftigen, es sei denn mehr kul-
turwissenschaftlich. Praktisch ist mit dieser Auf-
forderung zur Ausbildung des Qualitätsgefühls
nicht viel getan. Nur verhältnismäßig wenige —
selbst innerhalb der Kunstwissenschaft — haben
von Natur Empfindung für Qualität und sind fähig,
diese Anlage konsequent auszubilden. Kunstpolitisch
betrachtet, bleibt der Rat eine Sentenz.

Soll etwas geleistet werden, so muß man sich
höchst konkret an Personen wenden. Wer können
diese Personen sein?

Der Kunsthändler kann manches tun. Er kann
sich eine große Warenkenntnis erwerben und seinen
Kunden gegenüber persönlich die Garantie für
Echtheit, Wert und Erhaltungszustand des Kunst-
werkes übernehmen; er braucht die Verantwortung
nicht auf den Experten abzuwälzen. Doch heißt
es viel, wenn nicht zuviel von ihm fordern, er
solle allgemein gegen Mißstände — zum Beispiel
gegen das Unwesen der Restaurierung — kämpfen,
die ihm zunächst materiell nützlich sind. Es ist
schwer vorstellbar, daß ein Kunsthändler beginnt —
und sei es der angesehenste — Bilder zu verkaufen,
die nur noch Ruinen sind, daß er auf die täuschende,
verfälschende Restaurierung als erster verzichtet.

Der Sammler kann die Mission auch nur be-
dingt übernehmen. Was er tun kann, hat Max
J. Friedländer im Februarheft klar und eindeutig
ausgeführt. Zunächst würde es eine Wertminderung
seiner Sammlung bedeuten, wenn er alle täuschen-
den Restaurierungen entfernen ließe. Bei ihm ist
das Falsche auch nicht so gefährlich. Er lebt mit
seinen Bildern allein; das Museum aber ist wie ein
Bildertheater, das ein großes Publikum hat.

Von den Museen muß die Reform ausgehen,
der Kampf gegen einen Brauch, „von dem der

Bruch mehr ehrt als die Befolgung". Die Mission
fällt in natürlicher Weise der Kunstwissenschaft
zu. In der Skulptur hat man seit langem schon
von den im Grunde immer dilettantischen Restau-
rierungskünsten gelassen. Nur die Archäologen
wirtschaften noch rekonstruierend mit Gips, wenn
es sich um die Vervollständigung von Architektur-
teilen handelt. Auch die Architekten sind weit vor-
sichtiger geworden bei den Restaurierungen mittel-
alterlicher Bauwerke. Vor wenigen Jahrzehnten
noch ging es bei ihnen empörend zu. Für die Kon-
servierung von Bildern ist aber aus der täuschenden
Ergänzung geradezu eine Hilfswissenschaft gemacht
worden. Jedes große Museum stellt mit hohem
Gehalt einen Restaurator an. In dessen Werkstatt
wird gemalt wie in einem Atelier.

Es scheint, daß die Kunstwissenschaft sich nicht
klar macht, wie sehr sie mit dieser Respektlosig-
keit vor dem Künstler und dem Kunstwerk — von
dem jeder Pinselstrich heilig sein sollte — Gefahr
läuft, ihre Verdienste anderer Art vergessen zu
machen, wie sehr sie schon von den Laien mit
Zweifeln betrachtet wird. Höchst bedenklich ist
es, daß die Kunstgelehrten es in Museen, die voll
von restaurierten Bildern sind, überhaupt aushalten.
Darin liegt Empfindungslosigkeit. Und doch ist es
in ihre Hand gegeben, mit der schlechten Kon-
vention, die dem Fälscherwesen Tür und Tor öff-
net — denn ein seinen defekten Zustand nicht
verbergendes Bild kann kaum gefälscht werden —,
zu brechen und eine neue Konvention zu schaffen.
Eine Konvention, wonach im Museum nur gezeigt
wird, was wirklich noch da ist, was die Zeit
übrig gelassen hat, und sei es noch so wenig.
Die Sammler und Händler würden bald, sie müßten
folgen. Der Kunstwissenschaft fällt die Mission
zu, weil sie über die Reinheit der Kunst und der
KunstbegrifFe zu wachen hat und weil sie, als
Wissenschaft, irgendwelche Rücksichten materieller
Art nicht zu nehmen braucht.

Hier liegt eine der aktuellsten Aufgaben der
Kunstwissenschaft. Es ist eine Aufgabe vor allem
für den Nachwuchs, wert, daß ein Leben daran
gesetzt wird. Hier ist eine Möglichkeit, eine Wissen-
schaft, die sich oft im Speziellen und Esoterischen
zu verlieren droht, wieder mit dem Leben in Be-
rührung zu bringen.

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