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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 26.1928

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Heft 8
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Glaser, Curt; Purrmann, Hans: Die gefälschte Kunst: Expertisen, Restaurierungen, Fälschungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7393#0318

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kunstbegeisterten und kunstverständigen Sammlers
postulieren, das nur selten verwirklicht wird.

*

Die Frage, ob der Restaurator berechtigt sei,
Fehlstellen eines Gemäldes zu ergänzen, wird jeder
ehrliche Kunstfreund mit einem unbedingten Nein
beantworten. Der Gedanke aber an die Galerie
unrestaurierter, d. h. von allen späteren Zutaten
befreiter Gemälde hat etwas Erschreckendes. Der
Vergleich mit den von Ergänzungen befreiten
antiken Bildwerken liegt nahe. Aber ein Unter-
schied darf nicht übersehen werden. Das Frag-
ment einer Plastik kann in sich vollkommen sein.
Die Fehlstellen eines Gemäldes dagegen werden
innerhalb der Bildfläche immer als störende Flecken
empfunden, weil sie nicht im Eindruck gänzlich
ausgeschaltet sind wie der fehlende Arm oder Kopf
einer Statue, sondern an ihrer Stelle ein Stück
roher Leinwand oder Holzes tritt, das bestenfalls
mit einer neutralen Farbe gedeckt werden darf.
Trotzdem werden wir uns hoffentlich mit der Zeit
an die betrübliche Tatsache gewöhnen, daß alte

Bilder häufig Ruinen sind. Nicht leicht wird es
allerdings sein, ihren echten ruinösen Zustand wie-
derherzustellen, da auch das Restaurieren keine
neue Krankheit ist, und alte Übermalungen mit
der ursprünglichen Farbschicht so fest verbunden
sein können, daß die Grenze nicht mehr zu er-
kennen ist. Auch die gegenteilige Gefahr ist zu
befürchten, daß der Sucht des Freilegens echte
Teile der Bilder zum Opfer fallen können.

Trotzdem muß einmal damit begonnen werden,
offenkundig verfälschte Bilder vorsichtig von
Ubermalungen zu befreien. Einzelne Versuche,
wie die vorbildliche Wiederherstellung des Ny-
kyrkoaltars vom Meister Francke in der Hamburger
Kunsthalle, sollten zur Nachahmung anregen. Zum
mindesten sollte der Grundsatz aufgestellt werden,
daß den Restauratoren öffentlicher Galerien das
Hineinmalen in alte Bilder zu untersagen sei. Es
wäre eine Aufgabe des Bundes deutscher Museums-
beamter, Richtlinien aufzustellen, deren Befolgung
seinen Mitgliedern zum Gesetz zu machen wäre.

Curt Glaser.

Dem Malerhandwerke vertraut, war ich felsen-
fest davon überzeugt, auf Täuschungen nicht
hereinzufallen, die mit Fälschungen alter Gemälde
beabsichtigt sind. Eines Tages sollte ich aber zu
einer anderen Uberzeugung kommen. Dadurch
bin ich für alle Zukunft mißtrauisch geworden,
und geneigt, nur noch den reinen Spiritus als zu-
verlässigen Kenner gelten zu lassen. Denn jedem
Restaurator alter Bilder dürfte bekannt sein, daß
mit Spiritus alle neuere Malerei schnell zu lösen
und wegzuputzen ist, während alte Malerei im
Laufe der Zeiten zu großer Härte erstarrt, fast
ganz der Auflösung widersteht.

Die Erschütterungen meines früher allzu großen
Vertrauens verdanke ich einem Maler, einem un-
erhört geschickten Italiener, der mir Einblick in
seinen Atelierbetrieb gewährte und mir seine Ge-
heimnisse mit harmloser Freizügigkeit preisgab.

Die Bekanntschaft: dieses Malers machte ich in
der Villa Borghese, wo ich ein Bild kopierte. Meine
Arbeit erregte das Interesse der Kopisten, und da
ich dabei frei vorging, suchten sie mir Mittel bei-
zubringen, wie ich mich mehr den alten Meistern

nähern könne, als es mir, der ich das Bild förm-
lich wie die Natur betrachtete, möglich war.

Also, einer dieser Kopisten erzählte mir, daß
in Museen viele seiner Bilder hängen, die als
richtige alte Meister angesehen werden. Amerika
nehme den ersten Platz ein, aber auch Deutsch-
land gebe ihm diese Ehre.

Mit einer merkwürdigen Moral setzte er mir
auseinander, wie ehrlich seine Arbeit sei, Kunst,
auf ernstes Studium alter Meister begründet, mit
deren Können er im Wetteifer stehe. Betrübt sei
er nur, daß er für Händler zu arbeiten habe, die
ihm seine Bilder wohl an den Mann und in Mu-
seen bringen, aber als frühere Meister und nicht
als seine Arbeiten.

Von seiner Atelierwand nahm er eine schwere,
durch die Zeit sehr verdorbene Holztafel, machte
mir die Bildseite in hellem Lichte sichtbar und mit
einer italienischen Geste rief er: „Nun, Herr Kol-
lege, was ist hier von meiner Hand gemalt und
was ist alte Malerei?"

Weder trübe Farbe noch Ungeschicklichkeit
verriet neuere Arbeit. Ich, der sich nicht ganz

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