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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 26.1928

DOI issue:
Heft 9
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Pauli, Gustav: Über das Restaurieren
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https://doi.org/10.11588/diglit.7393#0361

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MEISTER FRANCKE, DIE HEILIGE BARBARA MIT IHREM VATER VOR DEM TURM
FLÜGELBILD DES ALTARS IM MUSEUM ZU HELSINGFORS. RESTAURIERT 1922-1925 VON VICTOR BAUER IN HAMBURG

C. FERTIG RESTAURIERT. DIE VERKITTETEN STELLEN SIND GETÖNT

D. ERGÄNZTE KOPIE VON JULIUS VON EUREN

anscheinend schwer zu bekämpfen ist. Da beginnt
zum Beispiel das Holz zu schwinden und zu reißen.
Kurzum, der Ruf nach dem Arzt wird laut. Mit
ihm naht die letzte Gefahr. Das Publikum pflegt
die Männer der Wissenschaft und Technik auch
in unserm Falle ehrerbietig zu bestaunen. Ach,
wenn es wüßte! Ein großer italienischer Kunst-
historiker faßte einst seine Beobachtungen an den
Kuren gewisser deutscher Bilderärzte in dem Aus-
ruf zusammen: I vostri ristauratori sono manigoldi!
Henkersknechte nannte er die berühmten Herren ...
(nomina sunt odiosa). Seiner Ansicht nach wären
sie dem Matador vergleichbar, der seinem Opfer
den Todesstoß gibt, oder etwa dem Doktor Eisen-
bart, der das Zahnweh mit einer Pistolenkugel
kuriert haben soll. Natürlich hat unser italienischer
Freund übertrieben — immerhin müssen wir uns
leider gestehen, daß wir Ursache haben, die Finger-

fertigkeit gewisser Restauratoren vielmehr zu be-
klagen als zu bewundern — ja, daß man sich
noch nicht einmal über die ersten Grundsätze der
Behandlung alter, kranker Kunstwerke einig ge-
worden ist. Die einen gehen offenbar davon aus,
daß man dem Publikum nur Fertiges vorsetzen
dürfe. Das ist alte Uberlieferung. Im siebzehnten
und achtzehnten Jahrhundert machte man nicht
viel Federlesen, wenn es galt, ein altes Bild dem
Geschmack oder der Einrichtung seines fürstlichen
Besitzers anzupassen. Und noch vor hundert Jah-
ren ließ Ludwig I. von Bayern die neu erworbenen
Ägineten von Thorwaldsen flicken. Seither hat
man nach dem englischen Vorgang bei Erwerbung
der Parthenonskulpturen sich dazu verstanden,
wenigstens die antiken Marmorgötter in Ruhe zu
lassen. Und das Publikum? Es ist so sehr daran
gewöhnt, daß es unruhig wird, wenn einer neu

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