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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 26.1928

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Heft 10
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Purrmann, Hans: Über deutsche Malerei und ihre internationale Bewertung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7393#0414

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Der Taumel nachkrieglicher Verschwendungs-
sucht legt sich, um uns jetzt unsere Verarmung
fühlen zu lassen. Zwar hält noch ein unerhörter
Optimismus alles in Bewegung, eine fast über-
große Anzahl von Kunsthandlungen sind neu-
erstanden, nicht allein einem Interesse für Kunst
zu dienen, sondern auch aus der Notwendigkeit,
eine Verbindung von aufzulösendem und zukünf-
tigem Besitze herzustellen! So daß Berlin mit all
dem Getue fast das Aussehen eines Kunstumschlage-
platzes erhalten hat und nicht mehr voll einer
Kulturstätte gleicht, trotzdem der Kunsthandel uns
mit den großartigsten Ausstellungen beschenkt. Es
wird an dem, was bisher an Malerei abgeschlossen
vorliegt, Sichtung und Bewertung vorgenommen,
ohne dabei eine Beziehung zu suchen zu einer Ver-
geistigung und Steigerung unserer eigenen Zu-
kunftsträumerei und Hoffnung! Wie ein eisigkalter
Wind weht diese Umgestaltung in unsere produk-
tive Kunstarbeit, bringt Künstler zur Verzweiflung,
und kaum ist noch Aussicht und Hoffnung, daß ein
paar Menschen dieses verödete Feld bestellen und
wieder kultivieren werden. Außer dem Reklame-
und Zeitschriftenwesen ist nicht viel geblieben, was
der Malerei Betätigung geben könnte.

Erleben wir den Bankrott der Gestaltungssehn-
sucht, die doch das Kultivieren der Künste ist?
Unsere Zeit ist jedem ein Problem, und was es
an Kunst noch gibt, ist problematisch. Gewiß ist
auch Qualität vorhanden, aber sie ist schwer zu er-
fassen, weil die Richtungen zu uneinheitlich laufen,
weil das Was das Wie nicht zur Geltung kommen
läßt. Zu mutlos zum Bekenntnis, suchen wir mit
größter Einfühlungswilligkeit Erlebnis in den Wer-
ken aller Kunstzeiten. Es scheint vorbei zu sein,
sich mit Geduld einer langsichtigen Aufgabe zu
unterziehen und diese voll ausreifen zu lassen.

Wie viele prächtige Worte fielen über die
Kunst unserer Zeit, vom Ausdruck unseres We-
sens! Mit Voreingenommenheit macht man ge-
fallsüchtige Betrachtungen, analysiert und inven-
tarisiert und gibt dabei ein naives Sichgehenlassen
des Produzierens auf. Auflösung im aufgezwunge-
nen Wechsel der Gesellschaft begründet! Werden
die Kunstfragen lediglich an der Börse, auf den
Versteigerungen ausgetragen, scheinbar den ein-
zigen Stellen, wo Kunst Ereignis wird, wo sie
Propaganda und Förderung erfährt? Schon zu oft
war Deutschland verarmt. In diesen Zeiten größter

Not und Sparsamkeit blieb ihm fast nur Musik
und Schriftstellerei, um einen Kunstwillen in
höchste Blüte zu treiben. Was aber soll man mit
einer so reinen Luxuskunst wie der Malerei an-
fangen!

Wo sich einmal reiche Zentren in Deutsch-
land gebildet hatten, da gab es auch bald eine
schöne Malerei, höchst eigenartig, gefühlstief und
persönlich, ähnlich dem geistigen Gebilde der Mu-
sik. Man könnte die oft bei den Deutschen ge-
rügte Härte, ihr unmalerisches Sehen mit Armut
in Verbindung bringen. Man bedenke alle die uns
fehlenden, aus Prachtliebe hervorgegangenen Still-
leben oder aus Augenreiz geborenen Kostümbilder
anderer Länder. Auch in rein malerischer Betrach-
tung der Erscheinung hatten wir gute Ansätze, leider
nur Ansätze!

Wie leicht artet bei uns die Malerei in Schrul-
lenhaftigkeit aus, wie leicht in eine Manier, die
gewisse Kreise so gern als „deutsch" abgestempelt
haben wollen, wie leicht wird Gedanklichem der
Vorrang vor Malerischem eingeräumt, wie leicht
Sinnlichkeit ausgeschaltet! Viel mag in unserem
durch die karge Natur vorgeschriebenen unsinn-
lichen Leben begründet sein, da nützen keine Aka-
demien, keine Glaspaläste, keine Kunstgelehrsam-
keit: die Wohlhabenheit fehlt, ein Reichtum, der
die so notwendigen internationalen Beziehungen
schafft; denn Kunst ist zwar national als Äuße-
rung, aber international als Betätigung. Daß der
„arme Maler" immer sprichwörtlich war und oft
ein Malerleben trotz bitterster Not mit unerhörter
Produktion abschloß, spricht noch nicht gegen
meine Ansicht; es beweist nicht, daß ein armes
Volk Malerei hoch entwickeln kann. Man sehe
rückwärts, suche in der Welt herum: wann und
wo auch sich Künste entwickelten, wird man fin-
den, daß Musik und Literatur nicht so an Wohl-
stand gebunden waren. Selbst das italienische Volk,
trotz seiner Eignung zur Malerei, hatte in schwer
daniederliegenden Zeiten große Musik, aber so gut
wie keine Malerei.

Eine Persönlichkeit oder eine Nation künst-
lerisch freizulegen, ihre Gefühle, Erregungen, ihre
Vergeistigung charakteristisch in einem Kunstwerke
einzufangen, für immerdar zu buchen und damit
verständlich zu machen, ist nur möglich durch
Selbstaufgabe, durch Ablegen bewußter Eigenart,
nur möglich durch Unterwerfung unter Einflüsse

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