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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 26.1928

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Heft 10
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Scheffler, Karl: Berliner Frühjahrs-Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7393#0425

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getrennt ausgestellt. Jeder Verband hat getan, was er wollte.
Das Ergebnis ist ein Durcheinander wie ein Möbelwagen.
Die wenigen guten Arbeiten kommen nicht zur Geltung,
das Schlechte und ganz Absurde erstickt alles, und die arm-
selige Ausstattung der Räume tut ein übriges. Man denkt in den
vom Publikum gemiedenen Sälen mit wahrem Erbarmen an
das halbe Tausend Künstler, die von dieser Ausstellung Er-
folge erwarten, die hier in ihrem Glauben an die eigene
Berufung gestärkt werden.

Aus unerklärlichen Gründen ist eine Kollektion von rund
fünfzig Bildern des Altberliner Malers Eduard Gärtner aus-
gestellt. Sie enthüllen in dem Riesensaal erst bei sehr ge-
nauer Betrachtung die zarten und intimen Reize einer zwi-
schen Krüger und Menzel sich entfaltenden Biedermeierkunst.
Diese hübsche Sammlung hätte gelegentlich in den vorderen
Räumen der Akademie gezeigt werden sollen. Zwischen der
Graphik Schweizer Künstler und der Sonderausstellung von
Architekturen Peter Behrens wirken die Bilder Gärtners —
im wesentlichen Darstellungen des alten Berlin — wie ein
Fremdkörper.

*

Bedeutet die „Große Berliner" wieder einen Rückschritt,
so kann die Frühjahrsausstellung der Akademie einen Erfolg
buchen.

Es wäre ja noch manches einzuwenden; es wird zu viel
aufgenommen und zu unkritisch juriert, es werden bei den
Wahlen Künstler verärgert, was man den Ausstellungen dann
anmerkt, die Idee der Qualität ist überall gehemmt durch
Statuten und Konzessionen. Dennoch ist diese Ausstellung
ein Fortschritt den letzten Jahren gegenüber. Viele Künstler
haben nicht nur gerade Vorrätiges eingesandt, sondern ihr
Bestes, sie haben sich Mühe gegeben, gut vertreten zu sein.
Und das wirkt sich aus.

Liebermann selbst hat eine schöne Wand mit fünf Bil-
dern: drei Bildnisse und zwei Landschaften. Das Bildnis
des Hamburger Bürgermeisters Petersen ist ein ausgezeich-
netes Repräsentationsbildnis, ein spätes Gegenstück des
18g i gemalten, damals heftig umstrittenen Bildnisses eines
anderen Bürgermeisters Petersen, Großvaters des jetzt Ge-
malten. Wie man sieht, darf man Liebermann einen Maler
von mehreren Generationen deutscher Männer nennen. Noch
schöner ist das intimere Bildnis des Herrn Guttmann. Mensch-
liches und Malerisches ist in diesem sehr spontan gemalten
Porträt völlig zur Einheit geworden. Auch das Bildnis des
Herrn Dr. Kurz ist sehr gut, doch erscheint es neben den
beiden anderen Bildern etwas Verblasen. Vor diesen drei
zugleich weisen und temperamentvollen Altersbildnissen ver-
steht man, warum das Ausland in Liebermann zumeist den
Bildnismaler schätzt. Liebermann hat mit einem Blick „den
ganzen Menschen weg".

Hans Purrmann stellt drei Bilder aus. Das „Atelierinnere"
besticht durch die Wahrheit des Tons und der Valeurs,
das große Stilleben durch die geschmackvolle Stilisierung der
Farbe, der in diesem Fall (es ist nicht immer so), gefördert
durch das Motiv, eine gleichartige Stilisierung der Form ent-
spricht. Purrmann rindet sich am besten mit Motiven ab,
die in sich schon eine gewisse Steigerung enthalten. Er
malt gern Kunstgegenstände, Blumen und Stoffe.

George Grosz hat den Dichter Max Herrmann eindring-
lich — fast zu eindringlich — dargestellt. Er ist Subjekti-
vist, trotz der zur Schau getragenen Sachlichkeit. Vielmehr:
das Sachliche wird stark betont, weil Grosz die Erschei-
nung subjektiv gewaltsam steigert, weil er ein Gegengewicht
braucht. Immer wieder zwingt sein Talent zur Bewunde-
rung. Auch im „Tanzlokal". Das Ganze ist wie eine zarte
Tapete aus menschlichen Kraßheiten. Es ist gut, daß in
Grosz wenig Kunstgewerbliches ist, sonst würde er wahr-
scheinlich auf den Pfad englischer Präraffaeliten gedrängt
werden. Vielleicht betont er seinen Kommunismus, um sich
vor Süßlichkeit zu retten.

Einen berechtigten Erfolg hat August Wilhelm Dreßler
mit seinem großen Bild „Der Maler". Ein starkes, wenn
auch nicht eben ein zur Sympathie zwingendes Talent! Sein
Rückenakt ist gut gemalt; das Symbolische und Kom-
positionelle des Bildes, das irgendwie an Italienisches er-
innert, wird nicht fatal, weil alles sehr real und unmittel-
bar bleibt. Ein rücksichtsloses Frauenbildnis ergänzt den
Eindruck. Die Begabung ist derb, robust, materiell und
voller Fleischlichkeit, es sieht aus, als könne sie ausdauern.
Der „Maler" ist unter den Arbeiten der Jüngeren das ein-
drucksvollste Werk. Der dem Bilde verliehene Ehrenpreis
ist verdient.

Neu für Berlin ist der Hamburger Heinrich Stegemann.
Auch er ist ein Maler von Ernst und Können. Man glaubt
ihm sein Kinderbildnis. Es ist eine gewisse plastische Kraft
darin; man spürt die Schule der alten Meister.

Georg Walter Rößner hat mit seinem Bildnis der jungen
Malerin Leonore Brennert sich selbst übertroffen. Die ge-
schmeidige Malerei — auf den Spuren Manets — ist voll
zärtlicher Sinnlichkeit. Es ist verliebte Kunst, sicher im Vor-
trag und geleitet von einem reinen Geschmack. Rößner ist
ein Maler der Frau, er hat den seltenen Sinn für den Reiz
moderner Frauenkleidung. Freilich gelingt ihm nicht alles.
Seine Kollektion am Lehrter Bahnhof und ein anderes Bild
in der Akademie beweist, wie er oft auf halbem Wege
stehen bleibt. Dieses Bildnis aber ist ihm, in aller Weich-
heit, geglückt.

Ein gutes Familienbildnis zeigt Artur Degner. Dieser
Maler ist nicht glücklich diszipliniert; mit diesem Porträt aber
beweist er, wie gut er sein kann: es ist das, was der „Laie"
sprechend nennt. Vielleicht fehlen Degner nur Aufträge,
um ihn ganz zu dem zu machen, was er sein kann.

Nicht ganz hält Willy Jaeckel die von ihm schon er-
reichte Höhe als Bildnismaler mit dem „Stehenden Mäd-
chen". Der Bildraum ist etwas voll und auch etwas leer,
manches wirkt arrangiert. Doch ist ein schönes Können in
der Arbeit und eine nicht alltägliche, persönliche Kultur.

Von Großmanns neuen Bildern war neulich schon aus-
führlich die Rede*. Er zeigt unter anderen ein etwas dünn
gemaltes Bildnis der siebzigjährigen Frau Helene Lange.
Es stellt einen merkwürdigen, von einer Idee sektiererhaft
fast erfüllten Menschen glaubwürdig dar, die Grenzen der
Karikatur streifend — wie es sein soll.

Eine neue Erscheinung ist Hans Joachim Lau. Er wirkt
durch unterhaltende Motive (der Zeichensaal, der Bäckerladen,

* Im fünften Heft dieses Jahrganges.

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