BOOTSDECK DES LLOYDDAMPFERS „DRESDEN"
(EX ZEPPELIN). 14690 B.R.Ts
ERBAUT I914. BKEMKR VULKAN IN VEGESACK
Pierre Puget, der berühmte französische Bildhauer
des siebzehnten Jahrhunderts — der Bernini Frank-
reichs —, aus Toulon gebürtig, lernte bei den Schiffs-
zimmerleuten in Marseille und schnitzte als Skulpteur
mariniste prächtige Gallionsfiguren und andere
Ornamente, die Bug und Stern der gewichtigen
Dreimaster reichlich zierten.
Nichts lehr- und genußreicher als ein besinn-
licher Gang durch das französische Marinemuseum
im Obergeschoß des Louvre. Da sind die alten
und neuen Schiffsmodelle aus den ruhmreichsten
Zeiten französischer Seefahrt den Köstlichkeiten
der Sammlung Cammondo unmittelbar benachbart.
Die Leute jenseits des Rheines haben auch für so
etwas unfehlbaren Instinkt! Wann wird man den
Schätzen des Berliner Museums für Meereskunde
eine ähnliche Ehre zuteil werden lassen!
Der Typ des modernen Segelschiffes wurde
von den Franzosen im achtzehnten Jahrhundert
geprägt. Nicht bloß Städtebau und repräsentatives
Wohnen des französischen absolutistischen Zeit-
alters waren also vorbildlich für den besseren Teil
der abendländischen Menschheit. Beim Schiffsbau
lag die Sache genau so. Die Namen der führenden
Architekten des Dixhuitieme sind in aller Munde,
von einem Schiffsbauer jedoch ist kein Name
überliefert.
Die Franzosen schufen den Fregattentyp, die
flachbordige, geradlinige Dreimasterform ohne hoch-
ragende Bauten auf dem Achterdeck. Damit war
der hochbordige, völlige und bauchige Schiffstyp
der Holländer und der Briten abgetan, der plasti-
sche Barocktyp ersetzt durch den linearen Typ
des Klassizismus. Die schwarzen Quadrate der Stück-
pforten im weißen Rahmenstreifen unterhalb der
Schanzkleidung wirkten einigermaßen wie die
Metopen im dorischen Gebälk. Das stilistische Ge-
sicht des Klassizismus war unverkennbar.
Von den Franzosen übernahmen zunächst die
Amerikaner den flachgedeckten geradlinigen Fre-
gattentyp. Colonial style auch im Schiffbau! In
den vierziger Jahren bis vorigen Jahrhunderts
bildeten die Yankees den Fregattentyp zu dem be-
rühmten Schnellseglertyp aus Holz, dem vollge-
takelten dreimastigen Klipperschiff um; und von
ihm ist der moderne Typus des großen Raasegel-
schiffes aus Eisen oder Stahl abzuleiten.
Wie bei den Engländern in Portsmouth das
alte Flaggschiff Nelsons aus der Schlacht von
Trafalgar, die Victory sorglich konserviert wird,
so bewahren zu Bosten Harbour (Mass.) die Ameri-
kaner das Schlachtschiff Old Ironside. Es hat
an mehr als vierzig Seegefechten teilgenommen
und war ursprünglich die französische Fregatte
Constitution; nach den Unabhängigkeitskriegen
erstes und bestes Schiff* der U. S. Navy. Wann
hätte sich bei uns der Denkmalschutz eines alten
Veteranen der Hochsee — deep water sagen die
englisch sprechenden Völker — erbarmt!
So viel in und zwischen den Zeilen zur Recht-
fertigung eines Beitrages über den Schiffsbau in
„Kunst und Künstler."
■■>■■
Etliche Jahrzehnte, bevor Herr Jeaneret, genannt
Le Corbusier, mit romanischem Elan sein Sursum
oculos — Augen, die nicht sehen den Ozean-
dampfer! — programmatisch formulierte, war uns
Jungen an der Wasserkante angesichts der Werften
und Häfen klar, daß die entscheidenden Taten
eines allumfassenden Bauwesens nicht mehr auf
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(EX ZEPPELIN). 14690 B.R.Ts
ERBAUT I914. BKEMKR VULKAN IN VEGESACK
Pierre Puget, der berühmte französische Bildhauer
des siebzehnten Jahrhunderts — der Bernini Frank-
reichs —, aus Toulon gebürtig, lernte bei den Schiffs-
zimmerleuten in Marseille und schnitzte als Skulpteur
mariniste prächtige Gallionsfiguren und andere
Ornamente, die Bug und Stern der gewichtigen
Dreimaster reichlich zierten.
Nichts lehr- und genußreicher als ein besinn-
licher Gang durch das französische Marinemuseum
im Obergeschoß des Louvre. Da sind die alten
und neuen Schiffsmodelle aus den ruhmreichsten
Zeiten französischer Seefahrt den Köstlichkeiten
der Sammlung Cammondo unmittelbar benachbart.
Die Leute jenseits des Rheines haben auch für so
etwas unfehlbaren Instinkt! Wann wird man den
Schätzen des Berliner Museums für Meereskunde
eine ähnliche Ehre zuteil werden lassen!
Der Typ des modernen Segelschiffes wurde
von den Franzosen im achtzehnten Jahrhundert
geprägt. Nicht bloß Städtebau und repräsentatives
Wohnen des französischen absolutistischen Zeit-
alters waren also vorbildlich für den besseren Teil
der abendländischen Menschheit. Beim Schiffsbau
lag die Sache genau so. Die Namen der führenden
Architekten des Dixhuitieme sind in aller Munde,
von einem Schiffsbauer jedoch ist kein Name
überliefert.
Die Franzosen schufen den Fregattentyp, die
flachbordige, geradlinige Dreimasterform ohne hoch-
ragende Bauten auf dem Achterdeck. Damit war
der hochbordige, völlige und bauchige Schiffstyp
der Holländer und der Briten abgetan, der plasti-
sche Barocktyp ersetzt durch den linearen Typ
des Klassizismus. Die schwarzen Quadrate der Stück-
pforten im weißen Rahmenstreifen unterhalb der
Schanzkleidung wirkten einigermaßen wie die
Metopen im dorischen Gebälk. Das stilistische Ge-
sicht des Klassizismus war unverkennbar.
Von den Franzosen übernahmen zunächst die
Amerikaner den flachgedeckten geradlinigen Fre-
gattentyp. Colonial style auch im Schiffbau! In
den vierziger Jahren bis vorigen Jahrhunderts
bildeten die Yankees den Fregattentyp zu dem be-
rühmten Schnellseglertyp aus Holz, dem vollge-
takelten dreimastigen Klipperschiff um; und von
ihm ist der moderne Typus des großen Raasegel-
schiffes aus Eisen oder Stahl abzuleiten.
Wie bei den Engländern in Portsmouth das
alte Flaggschiff Nelsons aus der Schlacht von
Trafalgar, die Victory sorglich konserviert wird,
so bewahren zu Bosten Harbour (Mass.) die Ameri-
kaner das Schlachtschiff Old Ironside. Es hat
an mehr als vierzig Seegefechten teilgenommen
und war ursprünglich die französische Fregatte
Constitution; nach den Unabhängigkeitskriegen
erstes und bestes Schiff* der U. S. Navy. Wann
hätte sich bei uns der Denkmalschutz eines alten
Veteranen der Hochsee — deep water sagen die
englisch sprechenden Völker — erbarmt!
So viel in und zwischen den Zeilen zur Recht-
fertigung eines Beitrages über den Schiffsbau in
„Kunst und Künstler."
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Etliche Jahrzehnte, bevor Herr Jeaneret, genannt
Le Corbusier, mit romanischem Elan sein Sursum
oculos — Augen, die nicht sehen den Ozean-
dampfer! — programmatisch formulierte, war uns
Jungen an der Wasserkante angesichts der Werften
und Häfen klar, daß die entscheidenden Taten
eines allumfassenden Bauwesens nicht mehr auf
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