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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 26.1928

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Heft 12
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Preetorius, Emil: Vom Kunstgewerbe zur angewandten Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7393#0500

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KARL BLECHEN, WALD IM WINTER. TUSCHZEICHNUNG

VERSTEIGERUNG DER BLECHEN-SAMMLUNG BROSE BEI WÖLLSTEIN & PUPPEL, BERLIN, ENDE OKTOBER

Dies Tasten, oft toll, wo es bescheiden hätte sein sollen,
oft scheu und zaghaft, wo es zu siegen galt, zu erringen,
war freilich nur von der Art eines Vorpostengefechts, eines
ersten Geplänkels. Heute müssen wir Rückblickende es
offen aussprechen: ein rechtes Wollen war es, aber, im
Großen gesehen, auf falscher Bahn, eine rechte Absicht, die
nicht durchdrang, nicht durchdringen konnte. Den Schwer-
punkt sowohl des Wortes wie des Begriffgehaltes auf die
Kunst legen, die Kunst voranstellen, gerade das hieß die
Kunst verfehlen. Denn Kunst kann nie und nimmer ge-
macht werden, Kunst kann nur geschehen, nur erwachsen
aus mannigfachster, sachgebundenster Anspannung als letztes,
wie immer begnadetes Geschenk.

Und nichts war natürlicher, als daß die reine, zweck-
freie, die selbsteigene Kunst sich vor dieser allzubeflis-
senen Wiederverknüpfung von Kunst und Gewerbe ängst-
lich, vielleicht manches Mal allzu ängstlich, oder auch
allzu stolz verschloß aus der begreiflichen Abneigung,
ihre Sonderheit durch gewerbelnde Vermischung zu ge-
fährden.

Und wie ward es mit dem also allein gelassenen Kunst-
gewerbe selber? Mehr und mehr geriet es, umklammert von
den ungeheuren Leistungen technischer Gestaltung, geblendet
von deren dichter, geschliffner Sprache, einer Sprache ge-
sammelter, verhaltener WTucht, fast ohne es zu wollen, inner-
lich ins Schlepptau dieser Technik: der „Kajütenstil" brach
sich Bahn, wurde Vorbild auch für die eigensten, selbst-
sichersten Geister, eine Art — recht verstanden — psychi-

schen Maschinelismus begann Einfall, Entwurf, Ausgestaltung
zu beherrschen.

Aber: Technik ist nie und nimmer Kunst, .ruft nie und
nimmer Kunst hervor, ist kein Wegbereiter für die Kunst!
Gerade ihr Bestes weist sie den eigenen Weg, den der reinen,
der absoluten Kausalität, der Zweckverbundenheit, schauer-
loser, bildferner, gegenstandgewordener Begrifflichkeit. Wohl
mag diese innere Logik ein ästhetisches Wohlgefallen aus-
lösen an den Objekten der Technik, einfachen und viel-
fältigen, aber nie und nichts hat dies gemein mit dem aus
reinem Gestaltungsdrang entsprungenen Schaffen, nichts ge-
mein mit Kunst. Und Corbusier in seinem weitgepriesenen
Buche mißkennt diese Unwahrheir, versucht diesen Grund-
unterschied hymnisch wegzuschwärmen und ist darum bei all
seiner Wärme, all seiner berechtigten Ablehnung des bloß tradi-
tionellen oder bloß scheinhaften im Positiven eher geeignet zu
verwirren als zu erhellen. Es ist, wie so oft die Halbpropheten,
päpstlicher als der Papst, technischer als die Technik selber!

Und doch kann die Technik uns etwas bedeuten, gerade
ihr eindrucksvolles Vorbild war es, das das Kunstgewerbe
von seiner kunstgewerbelnden in sachlichere Bahn gewiesen
hat: das Vorbild der Strenge ihrer Arbeitsmethode, das Vor-
bild ihrer unpersönlichen, nur aufs Ziel gerichteten Arbeits-
weise. Das Vorbild ihrer Ausschließlichkeit im Zueinander
von Mittel und Zweck, die handgreifliche Sachlichkeit ihrer
Ergebnisse! Daran konnte, kann heute noch viel gelernt
werden von Seiten der angewandten Kunst.

Dies Vorbild hat heilsam uns wieder ins Bewußtsein ge-

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