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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 27.1916

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Mackowsky, Hans: Franz Zauner
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https://doi.org/10.11588/diglit.6189#0039

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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXVII. Jahrgang 1915/1916 Nr. 7. 12. November 1915

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A.Seemann, Leipzig, Hospitalstr. IIa.
Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten Kunstchronik und Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 30 Pf. die Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.

FRANZ ZAUNER,
Ein Klassizistischer Bildhauer Österreichs

Der Bildhauer Franz Zauner (1746—1822) hat
es seinem Biographen nicht leicht gemacht. Ein so
gut wie verschütteter Lebenslauf, ein längst verklun-
gener Ruhm des Namens, ausschließlich geknüpft an
ein Reitermonument, dessen verklärende architek-
tonische Umgebung stärker fesselt als das frostige
Werk selbst, eine Persönlichkeit, deren »ernsthaftes
trockenes Wesen« Ursache war, daß die Schüler bei
aller Hochschätzung seiner künstlerischen Geschick-
lichkeit »keine vertrauliche Ergebenheit« gewinnen
konnten — mit solchen, nicht sehr ermunternden
Tatsachen hatte sich der Biograph abzufinden. Vor-
arbeiten waren kaum vorhanden. Nagler, Wurzbach
und Frimmel hatten in den Künstlerlexicis und der
Allgemeinen Deutschen Biographie über Zauner be-
richtet; Camillo List (Bildhauerarbeiten in Österreich-
Ungarn von der Barocke bis zum Empire, 1897) und
vor ihm Cyriak Bodenstein (Hundert Jahre Kunst-
geschichte Wiens, 1888) gaben Abbildungen einiger
seiner Werke oder versuchten, unvollständig genug,
sie aufzuzählen. Von älterer Literatur kam haupt-
sächlich für die bewegte und verwickelte Jugendge-
schichte Zauners eine wohl auf mündlicher Mitteilung
des Meisters selbst beruhende Skizze in den »Annalen
der Kunst und Literatur des In- und Auslandes«
(Wien 1810) in Betracht.

Burg sah sich mithin vor die Aufgabe gestellt,
die sich für jeden wiederholt, der sich mit einem
klassizistischen Meister beschäftigt: aus verstreuten ge-
legentlichen Notizen und Schriften unter Zuhilfenahme
eines fast unberührten Aktenmaterials das Bild des
äußeren Lebens zu zeichnen und auf die Entdeckung
verschollener oder verschleppter Arbeiten auszugehen.
Er hat das eine mit ebensoviel Fleiß getan, wie ihm
bei dem andern das Glück günstig war — nicht'
jener blöde Zufall, der unvermutet ein unbekanntes
Werk dem Suchenden in die Hände spielt, sondern
die Gunst, die allem redlichen Bemühen als ein
sicherer Erfolg beschieden zu sein pflegt. Das sorg-
fältige Verzeichnis am Schluß des Buches stellt eine
durchweg erfreuliche Bilanz auf; die verschollenen
Werke, wie das meist bei der Beweglichkeit der
Gegenstände der Fall sein wird, betreffen hauptsächlich
Bildnisbüsten. Alle größeren und wichtigeren Arbeiten
sind wieder beisammen und geben ein klares Bild
der Entwicklung und des Könnens Zauners.

1) Hermann Burg, Der Bildhauer Franz Anton
Zauner und seine Zeit. Ein Beitrag zur Geschichte des
Klassizismus in Österreich. Herausgegeben vom K. K. Mi-
nisterium für Kultus und Unterricht, Wien 1915. Kunstverlag
Anton Schroll & Co. O. m. b. H. VIII und 204 S. 25 M.

Die Arbeit entstand als Dissertation, und daher
ist es nicht zu verwundern, daß man ihr da und
dort noch eine gewisse Schulbefangenheit anmerkt.
Es sind das diejenigen Stellen, in denen die Ein-
gliederung der Einzelerscheinung in den allgemeinen
kunstgeschichtlichen Verlauf versucht wird. So scheint
mir das 3. Kapitel, das von dem »neuen Stil« in Rom
handelt und »ganz summarisch die Haupttendenz des
Klassizismus« zu kennzeichnen sich bestrebt, nicht or-
ganisch streng genug mit dem Thema des Buches
verbunden; weit besser ist dies gelungen in dem
Schlußkapitel, »Zauner, die Romantiker und Canova«;
hier hat alles Bezug auf die Persönlichkeit des Künstlers
und lenkt zugleich den Blick auf das allgemeine Kunst-
geschehen. Auch darin spürt man noch eine An-
fängerschaft, daß nirgends mit ganz scharfen und
einprägsamen Strichen der Wert, den wir heute der
Kunst Zauners beizulegen haben, festgestellt wird.
Wie gern hätte man den Verfasser über das Haupt-
werk Zauners, das Reiterdenkmal Josefs IL, gehört!
Wo die Zeitgenossen so ausführlich zu Worte kommen,
möchte man den Biographen auch und nicht bloß
zwischen den Zeilen mit seinem durch die zeitliche
Ferne gereiften Urteil vernehmen. Den älteren Kri-
tikern schien das Hauptverdienst des Meisters in der
Wiederbelebung des monumentalen Erzgusses zu be-
ruhen. Das drückt Zauner zu einem Techniker herab,
und damit wird man dem Künstler nicht gerecht.
Ein echter Künstler war er, aber kein großer. Nicht
ein Zug seiner Kunst deutet in die Zukunft hinaus;
sie war ganz Gegenwart und konnte auch deshalb
so leicht überwunden werden und in Vergessen-
heit geraten. Zauner ist der Plastiker des Klassizis-
mus in Wien; in Italien steht Canova über ihm, in
Deutschland wird er weit übertroffen von Schadow.
Rauch, dessen Aufstieg er noch erlebt hat, zeigt ihm
verwandte Züge, aber die Persönlichkeit Rauchs ist
unendlich stärker und die Schaffenskraft unendlich
überlegen. Gleich Landolin Ohmacht, über den wir
seit 1911 eine erste umfängliche Studie von Rohr be-
sitzen, ist Zauner des Typus der zeitlich und örtlich
beschränkten Künstlers, der wesentlich historische Teil-
nahme nur beanspruchen kann. Die innere Unwahr-
heit des Klassizismus hat sich an Zauners bedeu-
tendstem Werke, dem Josefmonument, gerächt und fein
empfand Grillparzer diese pathetische Verstellung, als
er 1842 sein berühmtes Gedicht schrieb:
Laßt mich herab von dieser hohen Stelle,
Auf die ihr mich gesetzt zu Prunk und Schau,
Prunk mir verhaßt, als noch die Lebenswelle
Durch diese Adern floß balsamisch lau.

Wie gesagt, Zauner gehört ganz der Geschichte
an, aber man war bisher sehr mangelhaft über ihn
 
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