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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 27.1916

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Literatur

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durch den Krieg zerstörten Heimstätten«, die einen viel-
köpfigen Direktionsrat und einen kleinen Ausführungsaus-
schuß entsandte. Die Gesamtsumme zur Herstellung der
Kleinheimstätten beträgt ungefähr 9 bis 10 Millionen Kronen,
hiervon übernimmt der Staat rund 3 Millionen, die Schuld-
belastung beträgt rund eine Million, bleiben für die frei-
willige Beschaffung durch die Bevölkerung 5 bis 6 Millionen
Kronen. Davon sind bisher 3'/8 Millionen gesichert.

In Antwerpen hat die Zerstörung des Häuserblockes
in der Nähe der Kathedrale zwischen Schuhmarkt und Eier-
markt eine seit mehr als 25 Jahren schwebende Frage teil-
weise gelöst. Viel ist hin und her gestritten worden, wie
eine Weiterführung des Meir-Platzes, bezw. die Verbreiterung
des Schuhmarktes bis zum Orünplatz, an dem die herrliche
Kathedrale liegt, am geeignetsten vorzunehmen sei. Die
Beschießung hat, wie »Die Bauwelt« schreibt, eine ganze
Reihe der früher oder später dem Abbruch geweihten
Häuser des Schuhmarktes gegenüber dem Gouvernements-
gebäude bis auf die Fundamente niedergelegt. Hier wird
später eine im Hauptgeschäftsverkehr liegende breite Straße
entstehen, die für Antwerpen eine große Zierde und Ver-
besserung werden kann, ohne daß der Verlust geschichtlich
wichtiger Gebäude zu beklagen ist.

LITERATUR

Otto Rydbeck, Bidrag tili Lands Domkirkns Byggnads-
historia. (Beitrag zur Baugeschichte des Doms zu Lund.)
Mit 108 Abbildungen und Zusammenfassung in deutscher
Sprache. 307 Seiten. (Lunds Universitets Arsskrift. N. F.
Abt. 1, Bd. 10, Nr.3.) Lund,Gleerup (Leipzig, Harrassowitz).
Die Lundische Domkirche ist die ansehnlichste und
wichtigste romanische Kirche Skandinaviens. Nach vielen
Schicksalen und Umbauten vor einem Menschenalter wieder
würdig hergestellt, findet sie in dem vorliegenden Buche
in bezug auf ihre ursprüngliche Anlage und ihre bauliche
Entwicklung eine wohl ziemlich erschöpfende Darstellung.
Allerlei neue Funde, insbesondere bei den Aufgrabungen
von 1910 gelegentlich der Herstellung einer Heizung, haben
manche in den früheren Beurteilungen maßgebende An-
nahmen wieder als unrichtig erwiesen, auch selbst noch in
der sonst vortrefflichen Behandlung Fr. Seeßelbergs, die
vor zwanzig Jahren erschien. Damit dürfte jetzt die bau-
liche Entwicklung und ihre Beziehungen zu der gleich-
zeitigen romanischen Kirchenbaukunst in Deutschland und
Italien ziemlich sichergestellt sein.

Die Abhandlung nimmt ihren Ausgang von dem Er-
gebnisse der genannten letzten Ausgrabung im Mittelschiff,
die klar ergeben hat, daß in der älteren Anlage die Chor-
partie nebst dem Querschiffe über der Krypta als Chor
erhöht lag, das Mittelschiff, für die Laien bestimmt, aber
mit einer besonderen Altar-Apsis in der hohen Westmauer
der Krypta abschloß, zu deren Seiten schmale Treppen auf
den Chor führten. Eine Anlage, wie sie ähnlich noch im
Braunschweiger und Quedlinburger Dom oder der Fisch-
becker Stiftskirche sich findet. Unter Bischof Erlandson
um 1250 ist der Choreinbau noch um ein Joch weiter nach
Westen geschoben und die Treppe nun in die Mitte
zwischen zwei Apsiden gelegt worden.

Ferner läßt sich heute als sicher annehmen, daß der
Dom, wie so viele ähnliche Anlagen, zuerst eine drei-
schiff ige, aber turmlose, flachgedeckte Basilika mit Quer-
schiff und Chorquadrat war, die, um 1140 fertiggestellt,
nachher mit Gewölbe versehen wurde. Das brachte natür-
lich eine Umänderung der Pfeiler mit sich, ähnlich wie

einst in Mainz und Speyer. Die jetzigen Gewölbe datieren
aber erst aus dem Beginn des 13. Jahrhunderts, was die
Form des gerippten Apsisgewölbes am deutlichsten zeigt;
die Apsis selber ist dadurch merkwürdig, daß sie im Laufe
des Jahrhunderts erweitert und reicher aufgebaut, vor allem
mit der schönen Zwerggalerie versehen wurde.

Bedeutungsvoll ist der unverkennbare Tatbestand, daß
Krypta und Hauptbau nebst den Portalen und den sehr
merkwürdigen Baldachinen im Querschiff in den Formen
der lombardischen Baukunst jener Zeit durchgebildet sind,
während die jüngeren Teile, insbesondere das Äußere der
Chorapsis auch deutsche Einflüsse, dieTürme aber englisch-
normannische Einzelformen aufweisen.

Der erste Baumeister Donatus wird demnach aus
Oberitalien gekommen sein, wie in Deutschland die Meister
der Quedlinburger Domkirche, der Stiftskirche zu Königs-
lutter und anderer Hauptkirchen. — Der Verkehr der Bau-
leute im 12. Jahrhundert zwischen Deutschland und der
Lombardei war offenbar ein regelmäßiger und ganz außer-
ordentlich starker, was ja sich schon dadurch erklärt, daß
die Lombardei tatsächlich meistens noch von Deutschen
bewohnt und auch politisch zu Deutschland gehörig war.
Man vergißt heute das in der Regel und sieht die damalige
Lombardei als rein italienisches Land an, was sie erst
langsam in den folgenden Jahrhunderten wurde. Wir ent-
nehmen aus den sehr ausführlichen Nachweisungen unseres
Buches die nahen Beziehungen der lundischen Domorna-
mentik im Schiff und Querschiff, wie in der Krypta zu der
der wichtigsten lombardischen Kirchen zu Pavia, Mailand,
Verona; aber auch die erhebliche Einwirkung der nor-
dischen Holzschnitzerei jener Zeit auf die Steinbildhauerei.
Meines Wissens ist auf diese höchst wichtige Einwirkung
bisher sonst noch nicht aufmerksam gemacht worden, außer
daß ich selbst vor einigen Monaten in den Monatsheften
für Kunstwissenschaft nachdrücklich darauf hingewiesen
habe (»Zur Entstehung der romanischen Ornamentik«). Ich
freue mich der davon ganz unabhängigen gleichartigen und
bestätigenden Beobachtung Rydbecks.

Die Herkunft des dem Donatus folgenden Meisters Reg-
nerus nimmt Rydbeck als rheinisch an, weil die in der ihm
zugehörigen Zeit ausgeführten Bauteile sich rheinischer Art
nähern, insbesondere die neue Apsis mit der Zwerggalerie.
Die Beziehung zum Rhein liegt auch schon in der Persön-
lichkeit des Bischofs Hermann vor, der um die Mitte des
12. Jahrhunderts von dort hierher kam.

Immerhin müssen aber auch englisch-normannische
Einflüsse, wohl auf dem Wege über Norwegen, verzeichnet
werden, die in der ursprünglich nicht geplanten Turm-
partie mit einst zweigeschossiger Vorhalle dazwischen
deutlich zu erkennen sind. Mir will jedoch scheinen, als
ob gerade der Name Regnerus (Regnier?) auf den Westen
hindeute, so daß man eher diesem die Turmgruppe zu-
zuschreiben habe; der Name des deutschen Nachfolgers
des Donatus wäre dann noch zu finden.

Von Interesse ist die das Buch abschließende Be-
trachtung und der Nachweis der Einwirkung des großen
lundischen Dombaus auf die schwedische Baukunst, be-
sonders die in Schonen; eine Wirkung, die an sich schon
selbstverständlich ist, sich aber in der Zeit nach der Auf-
lösung der Dom-Bauhütte noch erheblich verstärkt.

Erst nach dieser zusammenfassenden Darstellung wird
die Stellung der schwedischen Hauptkirche im Gefüge der
romanischen Baukunst als völlig klargestellt angesehen
werden dürfen.

Hannover. Albrecht Haupt.

Inhalt: Personalien. — Karl Begast; Ouglielmo Calderini f. — Ideenweübewerb der Berliner Bildhauer-Vereinigung. — Ein neuer Frans Hals. —
Ausstellungen in München und Berlin. — Das Stettiner Museum. Neuerwerbungen des Viktoria- und Albert-Museums in London. -
Krieg und Kunst. — Otto Rydbeck, Bidrag tili Lunds Domkirkas Byggnadshistoria.

Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E.A.Seemann, Leipzig, Hospitalstraßella
Druck von Ernst Hedrich Nachf., q.m.b.H., Leipzig
 
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