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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 27.1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.6189#0138

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263

Denkmäler Vermischtes

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sonderem Reiz. Aus dem gleichen Jahre stammt die fleckig
andeutende, die Karlsruher Schulung nicht verleugnende
Skizze zu einem von der damaligen Kritik schon günstig
beurteilten, seither leider verschollenen Bilde: der Bienen-
freund; aber auch schon das große, frei und breit gemalte
Bild des Sommermorgens. Dann folgte eine' Lücke von
neun Jahren bis 1872, von da an war fast jedes Jahr (mit
wenigen Ausnahmen) meist mit mehreren Proben Thoma-
scher Kunst vertreten, die auch seine erstaunliche Viel-
seitigkeit wieder in hellstes Licht setzten. Porträts (dar-
unter das Selbstbildnis von 1873 und das seiner Frau von
18Q5), wundervoll frische Stilleben, Religiöses, wie die
lebenstrotzende »Flucht nach Ägypten« (1890) und der
weniger glückliche »Böse Säemann« (1890), Mythologisches
wie das Tritonenpaar von 1892, die »Rheintöchter« und
die durch den Krieg aus Mühlhausen an den Main ver-
schlagenen »Tanzenden Nymphen« von 1888, wo das
Wasser mit den Schwänen und der Nymphenreigen auf
dem Goldgrund des Himmels von traumhafter Wirkung
sind. Endlich durfte auch das Humoristische mit den
»Sieben Schwaben« nicht fehlen. Über allem stand frei-
lich auch hier sieghaft die Landschaft. Der Oberrhein bei
Säckingen, Fluß- und Landschaftsbilder vom Main und
Mittelrhein, die prachtvolle Ansicht von Falkenstein (1880),
schließlich italienische Landschaften. Am packendsten und
selbstverständlichsten ist Thoma aber eben doch in der
Schilderung seiner Heimat: es scheint, als ob da die Psyche
der Landschaft und die Psyche des Künstlers restlos in
einander aufgingen, das Bedeutendste und Zarteste dieser
Landschaft durch diesen Künstler Gestalt gewänne, die
tiefste Quelle seines Wesens in hundert goldenen Röhren
verschwenderisch ausströmte. Von dieser Kraft geben
auch neueste Werke noch Kunde: 1916 erst ist das Bild
»Am Holzbrückle« entstanden; eine kahle Halde mit wenigem
niedrigen Nadelholz bestanden, dazwischen Flächen gelben
Sandes, im Vordergrund ein Bach mit Brücke. Hinten ab-
schließend lange Bergzüge in violett und grün; am Himmel
gewaltige Wolkenmassen von bestimmender Wirkung. Uber-
haupt ist es, als ob hie und da das Einzelne jetzt gern
zurückträte hinter dem Allgemeinen, Großen, Elementaren
— auch das »Wolkenmeer« von 1911 zeigt schon eine
ähnliche Tendenz — als ob bei dem Siebenundsiebzig-
jährigen das »zum Sehen geboren« von dem »zum Schauen
bestellt« abgelöst würde.

DENKMÄLER
Frankfurt a. M. Am 7. März wurde der von den
Frankfurter Bankiers Ludwig und Alfred Hahn zum An-
denken an ihren Vater Anton L. A. Hahn gestiftete

Brunnen geweiht und der Stadt übergeben. Er steht auf
dem, die Fortsetzung des Goetheplatzes mit dem Schwan-
thalerschen Goethe-Denkmal bildenden Theaterplatze, der
nach Norden ehemals von dem alten „Komödienhause"
begrenzt wurde, jetzt von Geschäftshäusern der verschie-
densten architektonischen Erscheinung umrahmt wird.

Der Brunnen ist ziemlich nahe der zwischen den beiden
Plätzen durchführenden Straße gerückt und nimmt nicht
die Mitte des Platzes ein, den er bei seinen bescheidenen
Dimensionen auch nicht völlig ausgefüllt haben würde;
an sich ist es freilich zu bedauern, daß der Platz nicht
eine solche zentrale monumentale Anlage erhalten hat.
Der Brunnen aus grauem Granit ist eine Schöpfung Hugo
Lederers und zeigt über einem achteckigen Unterbau von
knappem, elastischen Umriß auf vier Kugelfüßen die etwa 5 m
Durchmesser haltende runde Schale mit geschupptem Rand.

In der Mitte erhebt sich eine achteckige, nach oben sich ver-
jüngende Pyramide mit einem die Ecken bezeichnenden dop-
pelten Relieffries von Widderköpfen mit Festons zwischen sich;
den Widdermäulern entquillt das Wasser und sammelt sich in
der Schale, deren Inneres dem Blick freilich entzogen wird.
Von der Schale aus versickert es im Unterbau, aus dem es
durch eine Umdrehungspumpe aufs neue in Umlauf gesetzt
wird — eine Lösung, die natürlich nicht unbedenklich ist.

Die Bekrönung der Pyramide bildet auf runder Bronze-
platte die bronzene Gestalt eines Merkur, der in breiter
Schrittstellung die Füße fest aufstemmend sich mit einer
halben Drehung nach links wendet und zwischen den Tri
ungefähr gleicher Höhe gegebenen Händen einen langen
Beutel festhält. Der Kopf und, ihm in entsprechender
Weise folgend, der Oberkörper wendet sich wieder mit
scharfer Drehung nach rechts und scheint mit listigem
Lächeln in dem durchaus nicht feinen, von der Flügelhaube
umrahmten Gesicht mit charakteristisch hervortretender Nase
auf die Menge zu seinen Füßen herabzublicken. Die Doppel-
heit der Bewegung entrückt das für Frankfurt und die be-
sonderen Umstände naheliegende und an sich nicht beson-
ders originelle Motiv der Banalität und schafft für den vor-
bei- und umwandelnden Betrachter eine Mehrheit von An-
sichten, die die Vorzüge der auch hier zutage tretenden
Ledererschen Behandlung des prachtvoll kräftig-muskulösen
Körpers aufs deutlichste zu zeigen erlaubt. Frankfurt darf
stolz aufdieseneue, künstlerischbedeutungsvolle Anlage sein.

VERMISCHTES
Über die letzte Ruhestätte Franz Marcs schreibt
Professor Wegener in der Kölnischen Zeitung vom 20. März:
Wir arbeiteten uns jetzt auf der entgegengesetzten Seite
aus dem Walde heraus und erreichten, knetend im
fettesten Ackerton, das von einem hochwipfligen Park um-
gebene Schloß Gussainville. Schloß und Park waren
wieder eine starke französische Feldfestung gewesen. Ein
breiter Stacheldrahtgürtel schlang sich ringsherum, nur auf
einem ganz schmalen Zickzackpfad an einer Stelle durch-
schreitbar. Frisch aufgeworfene Laufgräben durchzogen
den Rasengrund des Parkes. Auf dem höchsten Punkt
des Gutshofes standen die pittoresken Trümmer des Herren-
hauses, mit einer hübschen Freitreppe. Unter einem der
großen Bäume zwei nicht alte französische Gräber, auf
deren einem geschrieben stand: Igi repose un brave non
identifie. Und ein wenig weiterhin, vor dem Stamme
eines alleinstehenden, prachtvoll gewachsenen alten Baumes,
ein ganz frisches deutsches Grab; die einfache Holztafel
noch mit einem großen, grünen Ilexkranz umgeben. Das
war die Ruhestätte des Malers Marc, der am 4. März bei
einer französischen Beschießung des Dorfes Bracquis, des-
selben, das vorhin auch beschossen wurde, den Tod ge-
funden hat. Marc war ein Künstler allerjüngster Richtung.
Ich kenne seine Werke nicht, hörte aber, daß sie ein selt-
sames, kühnes Wollen gehabt haben, schwer verständlich,
wohl auch bizarr, und doch Kennern Achtung gebietend.
Nun ist der Sturm und Drang vorbei. Ob der Gefallene
ohne diesen Tod noch einmal Ruhm und Ehre, höher als
die jetzt gewonnenen, hätte erringen können, weiß ich
nicht. Ein künstlerisch schöneres Grab, eine letzte Ruhe-
stätte von wunderbarerer, größerer und kühnerer Stimmung
hätte er sicher nicht gefunden als diese, unter dem ein-
samen Baum in Feindesland, im Hintergrund die male-
rische Kulisse des zerschossenen französischen Schlosses
und ringsher im Park die übrigen Zeugen des heiligen
Kampfes für unser Volk und Land.

Inhalt: Eine Neuerwerbung des Berliner Anükenmuseums. — Ernst Isselmann t; Alice Trübner f. — Die Sammlung Adolphs von Beckerath. Kgl.
Gemäldegalerie in Dresden. — Ausstellung in Frankfurt a. M. — Brunneiiweihe in Frankfurt a. m. — Die letzte Ruhestätte Franz Marcs.

Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstraße IIa
Druck von Ernst Hedrich Nachf., G.m.b.H., Leipzig
 
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