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Ausstellungen
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der vorjährigen Ausstellung. Man kann unmöglich sagen,
daß diese Schau nicht besser und nicht schlechter wäre,
als manch andere, die wir früher erlebt haben. Wer in
der Ausstellung selbst nicht zur Überzeugung kommt, daß
bei der alten Münchener Sezession eine höchst bedauer-
liche Ermüdung eingetreten ist, wird durch einen Ver-
gleich mit der weiter unten besprochenen Ausstellung der
»Neuen Münchener Sezession« sicher schnell zu dieser
Ansicht bekehrt werden. Wirklich ewig jung ist nur
Habermann, und wenn ich seine große »Misericordia«
nicht in jeder Hinsicht für eine besonders gute Arbeit des
Meisters erklären kann, so flößt doch das große Können,
die Stärke des Pathos und die kühne Komposition mit der
stark ornamentalen Wirkung ehrlichste Bewunderung für
diesen Künstler ein. Stuck und Keller dagegen haben wohl
noch auf keine Ausstellung so mäßige Bilder geschickt,
wie die, welche hier sehr zum Nachteil des künstlerischen
Ruhmes ihrer Schöpfer hängen. Von Liebermann, Thoma
und Slevogt sieht man einige nur zum Teil gute frühere
Werke, bei denen es mir fraglich ist, ob sie von den
Künstlern selbst eingeschickt wurden. Es wäre dies kein
Zeichen besonderer Schätzung der Münchener Gruppe,
wenn diese auswärtigen Künstler es gegenwärtig nicht für
nötig erachten, neue Werke zu dieser Kunstschau einzu-
senden. Nur Trübner ist durch einige lebendige neuere
Arbeiten vertreten, unter denen mir der »Schloßhof in
Baden-Baden« am ausgeglichensten zu sein scheint. Auf
sehr anständigem Niveau stehen die älteren Arbeiten von
Buttersack, der heuer die Rolle des diesmal nicht ver-
tretenen Damberger einnimmt. Das gleiche läßt sich von
den geschmackvollen kleinen Arbeiten des Löfftzschülers
Victor Thomas sagen. Recht qualitätvoll sind auch die
Porträts von Fritz Rhein und das Zirkusbild von A. Faure.
Auch das Interieur von Vetter und das Hundebild des
Frankfurters Mook seien hier neben dem recht lebendigen
kleinen Straßenbild von Ludwig Qrieb genannt. Sehr sym-
pathisch ist die »Stille Straße« von Theodor Esser, ein Bild,
das über den farbigen Reiz hinaus eine eigenartig sug-
gestive Kraft besitzt. Um so schwächer ist das andere von
Esser eingeschickte Bild, »Das Weib des Potiphar«, das
zu der unerquicklichen Reihe von Gemälden gehört, die
man kurz als Zigarrenkistenmalereien bezeichnen möchte,
und die in der Ausstellung mehr als genügend vertreten
sind. Dahin gehört der »Heerwurm« von J. Diez ebenso
wie die Arbeiten von L. Dill, Haug und Herterich. Am
schlimmsten aber wirken doch die fünf Bilder von A. Jank.
Nicht nur daß die meisten im Format vergriffen erscheinen,
es ist stets eine solch öde Wiederholung eines schlechten
Rezepts, daß man sich wundert, wie ein von Haus aus so
talentierter Künstler Freude an einer derart verkehrten
Plakatmalerei besitzen kann. Die beiden Gemälde, die
Leo Putz gesandt hat, »Nach dem Bad« und »Mara Aranaz«,
lassen in ihrer flachen Gefälligkeit leider keinen Aufschwung
in der Kunst des ehemaligen »Scholle«mitglieds erkennen.
Erfreulich ists, daß Richard Pietzsch wieder einmal ein so
ausgeglichenes Bild gelungen ist, wie der »Abend am
Moorweiher«. Seine anderen Arbeiten fallen daneben stark
ab. Ebenso reicht H. Schlittgens »Selbstbildnis« in keiner
Weise an das »Mädchenbildnis« heran. Sehr ehrliche Ar-
beiten sind Greiners Bildnis des Dichters Langheinrich und
die beiden Porträts von Fr. Strobentz; das rein zeichne-
rische Moment tritt bei ihnen stark hervor. Schramm-
Zittau und H. Groeber erfreuen wie immer durch ihre
sauberen und geschmackvollen Bilder, wenngleich Groeber
diesmal etwas verblasener wirkt als sonst. Winternitz ist
in seinem feinbeobachteten Interieur »Maisonne« wohl mit
das beste Bild gelungen, das in den letzten Jahren seine
Werkstatt verließ. Essigs großes Generalsbildnis ist sicher
eine beachtenswerte Talentprobe, aber das Format ist doch
nicht recht bezwungen. Landenberger wirkt diesmal etwas
matt, und auch bei Samberger vermißt man heuer selbst
das Maß äußerlicher Charakterisierungskunst, das er sonst
seinen Bildnissen mitzuteilen weiß. Von den Jüngeren
zeigt S. Carvallo in ihrem Damenporträt eine manierierte
Lebendigkeit, die ihre Herkunft von Kokoschka und Schiele
nicht verleugnen kann. Ludwig Bock wirkt wie immer
temperamentvoll, aber man wünschte ihm doch etwas mehr
Tiefe, größere Eindringlichkeit statt allzu oberflächlicher
Fingerfertigkeit. Bei Th. Baumgartner bedauert man be-
sonders lebhaft, daß dieser junge talentierte Künstler allzu
früh einer üblen Routine anheimgefallen ist. Kurt Tuchs'
expressionistische Bilder »Magdeburg« und »Hl. Sebastian«
sind allzu billig in der Wirkung. Hüthers barocke Kunst,
die vor einigen Jahren vielversprechend einsetzte, ist allzu
früh einem Manierismus anheimgefallen. Es wäre schade,
wenn sich der Künstler nicht aufraffen und die in seinem
Golgathabild gezeigte Art weiterentwickeln und vertiefen
könnte. Bei C. Schwalbach scheint man freilich die Hoff-
nung, er könne sich von seinem verblasenen Manierismus
erholen, allmählich leider aufgeben zu müssen. Seine
Kunst vermag uns ebensowenig zu erwärmen wie die neu-
akademische Art von Franz Reinhardt.
Unter den Zeichnungen fesseln diesmal am meisten
die Arbeiten von Eugen Kirchner (über die erst vor kurzem
H. Wolff einen verständnisvollen Aufsatz in der Zeitschrift
für bildende Kunst veröffentlicht hat). Unter den Plastiken
erhebt sich die »Büste von Frl. Herz«, eine wahrhaft ab-
geklärte Meisterleistung Ad. v. Hildebrands, turmhoch über
alles andere. Die Porträtbüsten Fr. Behns lassen bei aller
photographenmäßigen Ähnlichkeit jeden wirklich künstle-
rischen Ernst vermissen. Von erfreulicher Reife sind da-
gegen die Arbeiten von W. Gerstel, der »Jünglingskopf«
sowohl wie das »Liegende Mädchen«. Leider kann man
dies nicht vonStucks schwertschwingendemjüngling »Feinde
ringsum« behaupten, eine Arbeit, die wie eine flüchtige
äußerliche Modellstudie, nicht aber wie ein abgerundetes
Kunstwerk wirkt.
So ungünstig der Bericht über die Ausstellung der
alten Münchener »Sezession« lauten muß, so erfreulich ist
es sagen zu können, daß die Sommerausstellung der
»Neuen Münchener Sezession« mit geringen Aus-
nahmen die Erwartungen befriedigt, die man in dieses
Unternehmen setzen darf. Fast alle Mitglieder haben sich
seit der ersten Ausstellung erheblich und meist erfreulich
weiter entwickelt. Was man hier sieht, gibt die beste
Gewähr dafür, daß das Münchener Kunstleben doch nicht
stagniert, daß sich wieder frische und, wie besonders be-
tont werden muß, wirklich gesunde Kräfte regen, die die
Fähigkeit besitzen, der Münchener Kunst auch in Zukunft
die hervorragende Stellung zu sichern, die sie bisher mit
Recht eingenommen hat. Es ist in höchstem Grad be-
merkenswert, daß die diesjährige Ausstellung nicht nur
beträchtlich geschlossener, sondern auch viel weniger wild
wirkt, als die beiden früheren Gesamtausstellungen der
Vereinigung. Freilich, die Bilder von Sieck und die neuere
Arbeit, die der seit kurzem zur Neuen Sezession bekehrte
Th. Th. Heine ausgestellt hat, wirken ebenso fehl am
Ort, wie die sehr dürftigen, durchaus dilettantischen
kubistischen Malereien von Paul Klee. Die Arbeiten von
Sieck sind gewiß recht ordentlich und ehrlich, ragen aber
nicht über das Mittelmaß dessen hinaus, was man bei der
alten Sezession findet. Und so gut und frisch die älteren
Arbeiten von Heine sind, der »Bauerngarten« und der
»Blick auf Dachau« (1890), so schlecht ist das »Opfer«,
eine derart unerfreulich kolorierte Illustration, die, stammte
sie nicht von einem so berühmten Künstler, man ganz
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der vorjährigen Ausstellung. Man kann unmöglich sagen,
daß diese Schau nicht besser und nicht schlechter wäre,
als manch andere, die wir früher erlebt haben. Wer in
der Ausstellung selbst nicht zur Überzeugung kommt, daß
bei der alten Münchener Sezession eine höchst bedauer-
liche Ermüdung eingetreten ist, wird durch einen Ver-
gleich mit der weiter unten besprochenen Ausstellung der
»Neuen Münchener Sezession« sicher schnell zu dieser
Ansicht bekehrt werden. Wirklich ewig jung ist nur
Habermann, und wenn ich seine große »Misericordia«
nicht in jeder Hinsicht für eine besonders gute Arbeit des
Meisters erklären kann, so flößt doch das große Können,
die Stärke des Pathos und die kühne Komposition mit der
stark ornamentalen Wirkung ehrlichste Bewunderung für
diesen Künstler ein. Stuck und Keller dagegen haben wohl
noch auf keine Ausstellung so mäßige Bilder geschickt,
wie die, welche hier sehr zum Nachteil des künstlerischen
Ruhmes ihrer Schöpfer hängen. Von Liebermann, Thoma
und Slevogt sieht man einige nur zum Teil gute frühere
Werke, bei denen es mir fraglich ist, ob sie von den
Künstlern selbst eingeschickt wurden. Es wäre dies kein
Zeichen besonderer Schätzung der Münchener Gruppe,
wenn diese auswärtigen Künstler es gegenwärtig nicht für
nötig erachten, neue Werke zu dieser Kunstschau einzu-
senden. Nur Trübner ist durch einige lebendige neuere
Arbeiten vertreten, unter denen mir der »Schloßhof in
Baden-Baden« am ausgeglichensten zu sein scheint. Auf
sehr anständigem Niveau stehen die älteren Arbeiten von
Buttersack, der heuer die Rolle des diesmal nicht ver-
tretenen Damberger einnimmt. Das gleiche läßt sich von
den geschmackvollen kleinen Arbeiten des Löfftzschülers
Victor Thomas sagen. Recht qualitätvoll sind auch die
Porträts von Fritz Rhein und das Zirkusbild von A. Faure.
Auch das Interieur von Vetter und das Hundebild des
Frankfurters Mook seien hier neben dem recht lebendigen
kleinen Straßenbild von Ludwig Qrieb genannt. Sehr sym-
pathisch ist die »Stille Straße« von Theodor Esser, ein Bild,
das über den farbigen Reiz hinaus eine eigenartig sug-
gestive Kraft besitzt. Um so schwächer ist das andere von
Esser eingeschickte Bild, »Das Weib des Potiphar«, das
zu der unerquicklichen Reihe von Gemälden gehört, die
man kurz als Zigarrenkistenmalereien bezeichnen möchte,
und die in der Ausstellung mehr als genügend vertreten
sind. Dahin gehört der »Heerwurm« von J. Diez ebenso
wie die Arbeiten von L. Dill, Haug und Herterich. Am
schlimmsten aber wirken doch die fünf Bilder von A. Jank.
Nicht nur daß die meisten im Format vergriffen erscheinen,
es ist stets eine solch öde Wiederholung eines schlechten
Rezepts, daß man sich wundert, wie ein von Haus aus so
talentierter Künstler Freude an einer derart verkehrten
Plakatmalerei besitzen kann. Die beiden Gemälde, die
Leo Putz gesandt hat, »Nach dem Bad« und »Mara Aranaz«,
lassen in ihrer flachen Gefälligkeit leider keinen Aufschwung
in der Kunst des ehemaligen »Scholle«mitglieds erkennen.
Erfreulich ists, daß Richard Pietzsch wieder einmal ein so
ausgeglichenes Bild gelungen ist, wie der »Abend am
Moorweiher«. Seine anderen Arbeiten fallen daneben stark
ab. Ebenso reicht H. Schlittgens »Selbstbildnis« in keiner
Weise an das »Mädchenbildnis« heran. Sehr ehrliche Ar-
beiten sind Greiners Bildnis des Dichters Langheinrich und
die beiden Porträts von Fr. Strobentz; das rein zeichne-
rische Moment tritt bei ihnen stark hervor. Schramm-
Zittau und H. Groeber erfreuen wie immer durch ihre
sauberen und geschmackvollen Bilder, wenngleich Groeber
diesmal etwas verblasener wirkt als sonst. Winternitz ist
in seinem feinbeobachteten Interieur »Maisonne« wohl mit
das beste Bild gelungen, das in den letzten Jahren seine
Werkstatt verließ. Essigs großes Generalsbildnis ist sicher
eine beachtenswerte Talentprobe, aber das Format ist doch
nicht recht bezwungen. Landenberger wirkt diesmal etwas
matt, und auch bei Samberger vermißt man heuer selbst
das Maß äußerlicher Charakterisierungskunst, das er sonst
seinen Bildnissen mitzuteilen weiß. Von den Jüngeren
zeigt S. Carvallo in ihrem Damenporträt eine manierierte
Lebendigkeit, die ihre Herkunft von Kokoschka und Schiele
nicht verleugnen kann. Ludwig Bock wirkt wie immer
temperamentvoll, aber man wünschte ihm doch etwas mehr
Tiefe, größere Eindringlichkeit statt allzu oberflächlicher
Fingerfertigkeit. Bei Th. Baumgartner bedauert man be-
sonders lebhaft, daß dieser junge talentierte Künstler allzu
früh einer üblen Routine anheimgefallen ist. Kurt Tuchs'
expressionistische Bilder »Magdeburg« und »Hl. Sebastian«
sind allzu billig in der Wirkung. Hüthers barocke Kunst,
die vor einigen Jahren vielversprechend einsetzte, ist allzu
früh einem Manierismus anheimgefallen. Es wäre schade,
wenn sich der Künstler nicht aufraffen und die in seinem
Golgathabild gezeigte Art weiterentwickeln und vertiefen
könnte. Bei C. Schwalbach scheint man freilich die Hoff-
nung, er könne sich von seinem verblasenen Manierismus
erholen, allmählich leider aufgeben zu müssen. Seine
Kunst vermag uns ebensowenig zu erwärmen wie die neu-
akademische Art von Franz Reinhardt.
Unter den Zeichnungen fesseln diesmal am meisten
die Arbeiten von Eugen Kirchner (über die erst vor kurzem
H. Wolff einen verständnisvollen Aufsatz in der Zeitschrift
für bildende Kunst veröffentlicht hat). Unter den Plastiken
erhebt sich die »Büste von Frl. Herz«, eine wahrhaft ab-
geklärte Meisterleistung Ad. v. Hildebrands, turmhoch über
alles andere. Die Porträtbüsten Fr. Behns lassen bei aller
photographenmäßigen Ähnlichkeit jeden wirklich künstle-
rischen Ernst vermissen. Von erfreulicher Reife sind da-
gegen die Arbeiten von W. Gerstel, der »Jünglingskopf«
sowohl wie das »Liegende Mädchen«. Leider kann man
dies nicht vonStucks schwertschwingendemjüngling »Feinde
ringsum« behaupten, eine Arbeit, die wie eine flüchtige
äußerliche Modellstudie, nicht aber wie ein abgerundetes
Kunstwerk wirkt.
So ungünstig der Bericht über die Ausstellung der
alten Münchener »Sezession« lauten muß, so erfreulich ist
es sagen zu können, daß die Sommerausstellung der
»Neuen Münchener Sezession« mit geringen Aus-
nahmen die Erwartungen befriedigt, die man in dieses
Unternehmen setzen darf. Fast alle Mitglieder haben sich
seit der ersten Ausstellung erheblich und meist erfreulich
weiter entwickelt. Was man hier sieht, gibt die beste
Gewähr dafür, daß das Münchener Kunstleben doch nicht
stagniert, daß sich wieder frische und, wie besonders be-
tont werden muß, wirklich gesunde Kräfte regen, die die
Fähigkeit besitzen, der Münchener Kunst auch in Zukunft
die hervorragende Stellung zu sichern, die sie bisher mit
Recht eingenommen hat. Es ist in höchstem Grad be-
merkenswert, daß die diesjährige Ausstellung nicht nur
beträchtlich geschlossener, sondern auch viel weniger wild
wirkt, als die beiden früheren Gesamtausstellungen der
Vereinigung. Freilich, die Bilder von Sieck und die neuere
Arbeit, die der seit kurzem zur Neuen Sezession bekehrte
Th. Th. Heine ausgestellt hat, wirken ebenso fehl am
Ort, wie die sehr dürftigen, durchaus dilettantischen
kubistischen Malereien von Paul Klee. Die Arbeiten von
Sieck sind gewiß recht ordentlich und ehrlich, ragen aber
nicht über das Mittelmaß dessen hinaus, was man bei der
alten Sezession findet. Und so gut und frisch die älteren
Arbeiten von Heine sind, der »Bauerngarten« und der
»Blick auf Dachau« (1890), so schlecht ist das »Opfer«,
eine derart unerfreulich kolorierte Illustration, die, stammte
sie nicht von einem so berühmten Künstler, man ganz