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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 27.1916

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Literatur

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liefert, die hier nicht behandelt sind, wie z. B. über Orley,
die Antwerpener Kleinmeister um 1520, Isenbrant, Benson,
den Meister der Virgo inier virgines u. a. m. Er könnte
aber seine eigenen Studien zur Vermehrung des Buches ver-
werten, das freilich keineswegs als eine Sammlung älterer
Aufsätze gedacht ist und uns in Form und Inhalt durch-
weg Neues bietet. Diesen Qrundzug müßte es aber durch
eine Erweiterung seines Umfanges nicht verlieren, zu der
hoffentlich dem Verfasser in Zukunft trotz seiner schweren
und verantwortungsvollen Berufspflichten die Zeit nicht
fehlen möge. An einer Vermehrung der Abbildungen, die
mit feinem Geschmack gewählt und manches wenig Be-
kannte, ja auch Unbekannte enthalten, möchte uns nicht
ebensoviel gelegen sein.

Eine grundsätzliche Bemerkung, die Friedländer in der
sehr anregenden und geistreichen Einleitung des Buches
macht, werden manche Leser nicht ganz unbedenklich
finden. »Die richtigen Bestimmungen,« sagt er, »pflegen
sich spontan und prima vista einzustellen. Man erkennt
einen Freund, ohne je festgestellt zu haben, worin das
Besondere seiner Gestalt bestände, mit einer Sicherheit,
die Lektüre und Auswendiglernen des besten Steckbriefes
nicht zu geben vermag.« Diese intuitive Art der Stilkritik
möchten wir allein Kennern vom Range des Verfassers
selbst vorbehalten wissen; in der Hand von jüngeren und
wenig erfahrenen und begabten Forschern könnte sie leicht
gefährlich werden. Aber auch erfahreneren Spezialforschern
möchten wir eine nachträgliche recht ausgiebige Kontrolle
der Bestimmung des Augenblicks durch Vergleich mit beglau-
bigten Originalen oder mindestens mit Photographien in den
meisten Fällen aufs wärmste empfehlen. Auch der Verfasser
dürfte diese Kontrolle nicht immer umgangen und wohl mehr
Mühe auf die stilkritische Arbeit verwendet haben, als
er selbst zugeben will. Wenn er dieser Mühe oft entraten
konnte, so ist dies nur ein — für uns selbstverständlicher —
Beweis seiner großen besonderen Kenntnis, seines Scharf-
blicks und seiner Begabung. Wer aber auch außerhalb
seines engeren Spezialgebietes Kunstwerke nach Schule
und Meister zu bestimmen gezwungen ist, wird gründlicher
Vergleiche sicherlich nicht entbehren können. Ob er sich
dabei an die oft falsch gehandhabte und mißverstandene
Methode Morellis hält, die für manche Schulen nicht leicht
anzuwenden ist, oder an die gründliche Art der Stilkritik,
wie sie Ludwig Scheibler schon im Jahre 1880 in einer
Dissertation über die Kölner Malerschule vorbildlich durch-
geführt hat oder ob er sich selbst eine Methode erfindet,
bleibt gleichgültig; ohne die Arbeit des Vergleiches wird
er nicht zum Ziele kommen können. Gustav Glück.

A. Schmarsow, Konipositionsgesetze romanischer Glasge-
mälde in friihgotischen Kirchenfenstern. 1916. (Abhdlgn.
d. phüol.-hist. Klasse d. K. sächs. Ges. d. Wissensch.
Bd. XXXIII, Nr. II.)

An Toorop und George Minne gemahnende Glas-
gemälde romanischen Stils in bereits frühgotischen Fenster-
rahmen bespricht Schmarsow in einem Vortrag vom
11. Dezember 1915. Die kräftige, bodenständige Eigenart,
welche sich auch in diesen offiziellen Zeugnissen der fran-
zösischen Verroterie des Romanismus dokumentiert, läßt
diese Überreste eines einst reich entfalteten Kunstzweiges
doppelt gewichtig erscheinen. Die Auseinandersetzung der
Stilbesonderheiten der Glasfensterkompositionen bildet den
roten Faden der Abhandlung, doch finden auch chrono-
logische und den künstlerischen Zusammenhang behan-
delnde Erörterungen und Auseinandersetzungen mit fran-
zösischen und englischen Forschern wie Male und West-
lake ausgedehnten Platz. In der Frage der Priorität von
Saint-Denis und Chartres gibt S. den ersteren den Vor-

zug trotz scheinbarer Primitivität des letzteren. Der aus-
gebildete romanische Stil, der in diesen dicht vor der Pro-
klamation der Gotik entstandenen Werken zutage liegt, für
die uns Künstlernamen wie Pot-ä-feu überliefert sind,
erhebt dieselben zu künstlerischen Monumenten bedeutungs-
vollster Art. Der weitere Zusammenhang mit den Wand-
malereien der romanischen Epoche ist mit berührt. Die
Überlieferung, daß Abt Suger für die Glasgemälde in
Saint-Denis Künstler »de diversis nationibus« gewann, gibt
für die drei großen Fenster der Kathedrale in Chartres die
Mutmaßung an die Hand, daß auch hier verschiedene
Hände tätig waren; das Passions-und Jesse-Fenster zeigen
mehr irisch-gälischen, das Weihnachtsfenster französischen
Stil. S. will seine Untersuchung als eine Vorbereitung zu
dem zweiten Teil seiner »Kompositionsgesetze in der
Architektur des Mittelalters« aufgefaßt wissen. f. w.

Friedrich Wasmann, Ein deutsches Kiinstlcrleben von ihm
selbst geschildert. Herausgegeben von Bernt Grönvold.
Im Insel-Verlag zu Leipzig. 1915.
Zum zweiten Male im Laufe von zwanzig Jahren er-
scheinen die Lebenserinnerungen des Malers Friedrich Was-
mann im Druck. Als Bernt Grönvold im Jahre 1896 zum
ersten Male das Buch der Öffentlichkeit übergab, war der
Name Wasmanns noch vollkommen unbekannt, und es war
kein Wunder, daß im Laufe von neun Jahren nicht mehr
als siebzig Käufer sich gefunden hatten. Merkwürdig ist
es aber, daß gerade dann Grönvold sich entschloß, die
übrigen Exemplare aus dem Buchhandel zurückzuziehen,
denn im Jahre 1906 ward der Künstler Wasmann eine der
meist besprochenen Entdeckungen der Berliner Jahrhundert-
Ausstellung, und viele fragten nun vergeblich nach dem
seltsam verschwundenen Buche. Nach abermals zehn Jahren
glaubt jetzt der Entdecker des Künstlers und seines Werkes
die Mitwelt reif, die Gabe, die sie erst verschmähte, noch
einmal zu empfangen, und er übergibt ihr das Buch in
einem neuen Gewände. In dieser handlicheren Form wird
es nun der Öffentlichkeit verbleiben. Es hat aufgehört,
der sorglich gehegte Schatz eines einzelnen Besitzers zu
sein, wie die Bilder Wasmanns, die Grönvold vor drei Jahren
der Berliner Nationalgalerie in Obhut gegeben hat. Der
Kunstgeschichte wird nun die Pflicht objektiver Wertung er-
wachsen an Stelle der liebevollen Pietät, deren sich das Werk
des einst Vergessenen durch zwanzig Jahre erfreuen durfte.

Grönvold gibt sich mit Absicht als Liebhaber, nicht als
Forscher. Er sagt es offen: was ihm am Herzen lag, von
Wasmanns künstlerischer Produktiorr zu zeigen, beschränkt
sich auf einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum seines
Wirkens, auf die Jahre von 1830 bis 1846. Es ist aber die
Frage, ob die Kunstgeschichte sich mit dem begnügen darf,
was Grönvold ihr in seiner Sammlung geboten hat, und
was er »ein rttndes Bild von des Künstlers Schaffen« nennt.
Bisher allerdings hat sie es getan, und damit ward, wie
Grönvold es richtig bezeichnet, der Name Friedrich Was-
mann »eine neue Provinz im Reiche der deutschen Kunst«.
Noch hat keiner von denen, die sich berufen fühlten, das
weitschichtige Material deutscher Malerei des neunzehnten
Jahrhunderts zu einem historischen Bilde zu ordnen, sich
bemüßigt gefunden, den anderen Werken Wasmanns nach-
zugehen, die Grönvold uns mit vermutlich guten Gründen
vorenthalten hat. Von diesen »kirchlichen Bildern« gibt
das Vorwort des neuen Bandes ein summarisches Verzeichnis.
Aber unter der großen Zahl der Abbildungen ist keine, die
eine Anschauung von einem dieser Werke vermittelt. Es
wäre eine leichte, aber lohnende Aufgabe, Grönvolds Arbeit
nach dieser Richtung zu ergänzen. Nicht als ob die Aus-
sicht auf neue Überraschungen winkte. Im Gegenteil, das
Wunder der Wasmannschen Erscheinung dürfte damit ge-
 
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