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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Die Mainzer Ausstellung für christliche Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0019

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8

Die Mainzer Aufstellung für christliche Aunst

wie der Verfasser dieser Zeilen es für sehr
nützlich hält, wenn neben — nicht statt —- den
großen nationalen und internationalen Privatausstellmigen
gelegentlich auch in Spezialausstellungen einzelne, be-
stimmt abgegrenzte Gebiete in ihrer innern Entwicklung
vorgeführt werden, der wird eine „Ausstellung für christliche
Kunst", wie sie jetzt in Mainz zu Ehren des hier tagenden
Deutschen Katholikentages veranstaltet worden ist, mit
besonderer Freude begrüßen, selbst wenn er dabei eine
größere Intoleranz mit in den Kauf nehmen muß: daß
bei solchem Anlasse die „christliche" mit der „katholischen"
Kunst identisch ist, ist einmal selbstverständlich, so daß
also die neueren religiösen Künstler protestantischer
Färbung dabei nicht zu Worte kommen. Abgesehen von
diesem Punkte, auch sonst ist die Mainzer Ausstellung
erklärlicher Weise nicht in dem Sinne vollständig, daß
bei den einzelnen Zweigen die ganze Entwicklung lücken-
los zur Anschauung gebracht wäre. Wer aber nur
einigermaßen in der Lage ist, diese Lücken sich selbst zu
ergänzen, für den ist diese sehr reichhaltige Sammlung
von Erzeugnissen religiöser Kunst und religiösen Kunst-
handwerks aus allen Jahrhunderten nur von spannendstem
Interesse.

Wenden wir uns vor allem der Malerei zu.
Von der alten Kunst mag die Erwähnung genügen, daß
sie mit einigen sehr interessanten Werken vertreten ist,
wir nennen nur einen Memling, einen Carlo Dolce,
mehrere treffliche Kopien nach alten Meistern. An dieser
Stelle interessirt uns natürlich mehr die neuere und
neueste Kunst. In ersterer Hinsicht fehlt leider Cornelius
vollständig, dagegen sind von den übrigen „Nazarenern"
Overbeck, Veit und Steinle, auch Fürich recht
würdig vertreten. Von Overbeck namentlich sind die
Kartons zu dem großen, am Ende seines Lebens ent-
standenen Zyklus der sieben Sakramente ausgestellt, der
bei seiner ersten Ausstellung in Brüssel vor 26 Jahren
einen Sturm von Begeisterung wachgerufen hat. Und
in der That, einen mächtigen Eindruck machen diese in
einfach gewaltigen Linien gehaltenen Bilder wohl für
alle Zeit, bei ihrer wunderbaren Bereinigung von edler
Zeichnung und tiefer weihevoller Empfindung. Gerade
jetzt, da wir mit vollem Rechte dem köstlichen Gebiete
der Licht- und Farbenwelt zu voller Geltung verhelfen
wollen, ist eine gelegentliche Erinnerung daran ganz gut,
welch große und gewaltige Gedankenwelt bei den zumeist
wegen der technischen Durchführung so viel unterschätzten
Nazarenern um Ausdruck gerungen hat und in den
großen Schöpfungen eines Overbeck und Cornelius auch
wirklich tiefergreifend zur Aussprache gelangt ist. Von
den lebenden Meistern läßt uns Professor Seitz in
Rom mit der ausgestellten Skizze einer Kirchenausmalung
lebhaft an die Auffassung der eben erwähnten Richtung
denken. Ausgefallen sind uns dann mehrere Arbeiten
von Baumeister, durch eine kraftvolle Energie uud
eine gewisse dramatische Erfahrung kirchlicher Motive,
übrigens auch malerisch sehr gut ausgeführt. Eine
interessante Maiandacht von Schleibner erinnert an
manche Schöpfungen unsrer Freilichtmaler, einige mehr

oder weniger gelungene Genrebilder mit religiösem
Hintergründe mahnen daran, wie dankbar naturgemäß
gerade dieses Gebiet für eine glückliche Künstlerhand
werden könnte. Besondere Hervorhebung erfordert die
merkwürdige Beuroner Klosterkunstschule, die neben
Reproduktionen älterer Fresken und Bilder, etwa bis
Mitte der Siebziger Jahre, auch mehrere Photographien
und Kartons von ihren neueren und neuesten Werken
beigesteuert hat, darunter von den Stationsbildern der
Stuttgarter Marienkirche und von dem Zyklus „Marien-
leben", der in der Abteikirche zu Emaus gemalt ist.
Es fehlt hier an Raum, diese eigenartige Erscheinung
unsres heutigen Knnstlebens eingehend zu würdigen, so
verlockend diese Aufgabe auch wäre, wir müssen uns
darauf beschränken, unsre Meinung ohne weitere Be-
gründung kurz dahin zusammenzufassen: Auch bei den
neueren Schöpfungen ist das Zurückgehen auf die Auf-
fassung und Behandlungsweise der altchristlichen Malerei
noch so überwiegend, die Konzession an liebevolle Be-
rücksichtigung der lebendigen Natur so gering, daß wir
den Ausgangspunkt einer neuen und hoffnungsreichen
religiösen hohen Kunst nicht darin erblicken können; da-
gegen wird es ein wahres Glück sein, wenn die Massen-
verbreitung von Photographien und sonstigen Re-
produktionen dieser in den Linien immer edel und groß
gehaltenen und vielfach gedankenreichen Arbeiten die in
katholischen Kirchen so oft noch zu findenden häßlichen
und fratzenhaften Darstellungen auf Altar-, Stations-
und Votivbildern allmälig verdrängen würden.

Bei den übrigen meist sehr reich beschickten Teilen
der Ausstellung müssen kurze Andeutungen genügen.
Einen Glanzpunkt der ganzen Sammlung bilden die
Glasmalereien; tritt dem Beschauer auch gelegentlich
in der Stilisierung eine ganz ungerechtfertigte sklavische
Anlehnung an alte Muster entgegen, so ist doch im
allgemeinen bezüglich der künstlerischen Ausfassuug und
namentlich was den Glanz der Farbengebung betrifft,
der Eindruck außerordentlich günstig. Die Plastik
tritt nur recht vereinzelt in guten, selbständigen Arbeiten,
sonst hauptsächlich in der reichen Sammlung von Altären
auf, von denen auch einige sehr interessante alte Exemplare
vertreten sind; auch hier kann im allgemeinen anerkannt
werden, daß bei aller Festhaltung der kirchlichen Tradition
doch das Streben nach einer größeren künstlerischen
Freiheit unverkennbar ist. Das uns hier fernliegende
Gebiet der Gold- und Silberschmiedearbeiten,
sowie das der Paramentik würden bei der glänzenden
Beschickung der Ausstellung, wollte man ihr in dieser
Hinsicht nur einigermaßen gerecht werden, eine umfassende
selbständige Besprechung erfordern. Hier mag nur be-
merkt sein, daß uns viele Arbeiten durch die technische
Behandlung aufrichtige Bewunderung abnötigten, daß
aber ein gewisser Mangel an Streben nach neuen und
originellen künstlerischen Gedanken gerade hier sich stark
geltend macht; warum — auch vom rein katholischen
Standpunkte aus — eine größere Freiheit in der künst-
lerischen Auffassung, eine stärkere Befreiung von der
Tradition namentlich in der Detailbehandlung aus-
 
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