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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Relling, ...: Die Berliner Kunstausstellung, [1]
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Feldmann, Siegmund: Die Pariser Salons, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0370

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2Y2 Die Berliner Kunstausstellung, von Or. Rolling. — Die Pariser Salons.

einem schönen Abendlied, das eigentlich einer länger erwägenden Besprechung bedarf und bei dem es mit einer
beiläufigen Erwähnung nicht sein Bewenden haben kann. Aber des Guten ist bei den Münchnern so viel, daß
ein längeres Verweilen vor einzelnen hier den Raum überschreitet. Noch einiges sei kurz erwähnt: von
Th. Heine ein Porträt eines blonden Herren in hellblauer Kravatte vor grünem goldgemusterten Grund,
Hubert von Heydens hier schon bekanntes, kühnes, großes Schweinebild, Zügels prächtige Schafbilder,
Rens Reinickes reizvolles Familienkonzert, Peter Behrens kühngefärbte, Benno Beckers weiche, im
Graugrün verschimmelnde Landschaften und sein großer Umbau, in dem er sich ganz anders, als bisher giebt.
Auch ein Mißton fehlt nicht; Gabriel Max' Affenbild unter dem Titel eines Buches von Friedrich Nietzsche:
Jenseits von Gut und Böse. Im Museo Kirchneriano in Rom wird ein berüchtigtes Spottkruzifix bewahrt,
das als Hohn auf das erlösende Symbol des Christentums einen gekreuzigten Esel zeigt. Es ist das rohe Mach-
werk eines römischen Söldners und kaum wird jemand dem Zufall danken, der so viele herrliche Kunstwerke
untergehen ließ, während er dies eine uns bewahrt hat. Mir aber will es scheinen, als ob der eine ähnliche
Blasphemie beginge, der eines der tiefsten Bücher, in dem der modernste Übermensch die neuen Moralgesetze
aufstellt, ini Affenbild zu verspotten wagt.

Die Münchener Sezessionisten geben sich anscheinend sehr verschiedenartig, trotzdem aber läßt sich bei
ihnen und ihren ausländischen Freunden das Gemeinsame erkennen, das sie zusammengeführt hat. Uns aber boten
sie in einer erlesenen Vorführung ihrer besten und reifsten Leistungen einen überraschenden und beschämenden
Einblick in vollkräftige und weitzielende Kunst. Wenn man in Berlin überhaupt lernen wollte, vor ihnen
müßte es geschehen. (Ein II. Artikel im nächsten Hefte.)

Die Dariscr SstlonF.

von Siegln. Leldmann (Paris).

I. Im Industrie-Palast.

ls ich meinen letzten Rundgang durch den Salon der
Elysäischen Felder beendet hatte, stand ich vor einem
Zweifel. Wie ein Schiffer war ich auf dieses Meer von
Firniß und Farbe hinausgesteuert, um Eindrücke zu fischen.
Gerüttelt voll habe ich mein Netz ans Land gebracht.
Sollte ich nun, nach guter deutscher Art, meinen Fang

Hrrbstparadr. von Karl Becker.

Große Beiliner Aunstcnisstellung 1893.

vor mir ansbreiten, ihn sichten und prüfen und ver-
gleichen, bis er nach Schulen und Gruppen, nach Stilen
und Klassen gesondert war? Sollte ich nicht lieber meinem
Gedächtnisse nachgehen und nur verzeichnen, was mir,
ohne Katalogweisheit und Notizenkram, im Auge gleichsam
hängen blieb? Sollte ich germanisch gründlich oder gallisch
oberflächlich sein?

Ich entschied mich für das Letztere: Man käme nie
ans Ziel, wenn man sich durch diese Massenhastigkeit
schrittweise durchwinden wollte, anstatt lustig darüber hin-
wegzuklettern. Im Jndustriepalast sind Heuer — von
den Skulpturen, Aquarellen, Pastellen und graphischen
Blättern zu schweigen — 1828 Ölgemälde ausgestellt.
Und da klagt man noch, daß der Kunstbetrieb Nachlasse!
Im Gegenteil, er hat eine erschreckliche Ausdehnung
gewonnen. So hat ein Statistiker, der gerade nichts
Vernünftigeres anzufangen wußte, erst kürzlich ausge-
rechnet, daß während der letzten zwanzig Jahre in
Frankreich allein dreihunderttausend Ölbilder gemalt
wurden, deren Leinewand aneinandergenäht eine Fläche
von sechshunderttausend Geviertmetern bedecken würde.
Sechshunderttauscnd Geviertmeter Malerei in zwanzig
Jahren! Wieviel Meter wurden davon verkauft? Wie-
viel Meter echter Kunst enthielten sie? Wieviel Meter
Unsterblichkeit sind darunter?

Was den „Arpad" betrifft, mit dem Munkacsy
diesesmal den Salon in den Elysäischen Feldern heim-
gesucht hat, kann ich Ihnen gleich die Antwort geben.
In diesen fünfundsiebenzig Metern ungarischer Vaterlands-
liebe ist keine Handbreit Kunst und keine Daumenlänge
Unsterblichkeit. Der Eroberer des Landes sitzt in seinem
Zeltlager hoch zu Roß und empfängt die Eingeborenen,
die ihm zum Zeichen der Unterwerfung Erde, Wasser
und Getreide darbringen. Das Werk ist bestimmt, im
Budapester Reichstage die Wand über dem Präsidenten-
sitze auszufüllcn, und im Hinblick auf den dekorativen
 
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