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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Muther, Richard: Alte und neue Kunstgeschichte, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0266

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VIII. Jahrgang. Heft 14

iS.

1893.

4- tzerausgegeüen von Friedrich Wechr

„Die Kunst für Alle" erscheint in halbmonatlichen Heften von 2 Bogen reich illustrierten Textes und 4 Bilderbeilagen in Umschlag geheftet. Bezugspreis im
Buchhandel oder durch die Post (Reichspostverzeichnis Nr. 3661, bayer. Verzeichnis Nr. 1671, k. u. k. österr. Zeitungsliste Nr. 429) 3 M. 60 Pf. für das Vierteljahr

(6 Hefte); das einzelne Heft 75 Pf.

Alte und neue Aunstgeschichte.

von R. Mulher.

(Schluß aus dem vorigen Hefte.)


18. Jahrhundert endlich kommt das
Rokoko mit seinem prickelnden Frou-
frou und seinem feinen Zauber. Das
ganze Leben jener vornehmen Gesellschaft,
die das Hoskleid mit dem seidenen Schäfer-
gewand, Steifheit und Würde mit Anmut
und Grazie vertauschte, war ein heiteres
Spiel, ein ausgelassenes Tändeln. Der
König spielte mit der Krone, der Priester
mit der Religion, der Philosoph mit dem
Geist, der Poet mit der Dichtkunst. Sie
hörten noch nichts von der dumpf grollenden
Stimme des Enterbten: „Lar tsl est norrs
plaisir". Was diese Zeit an Schönheit
und Liebreiz besaß, ihre eigentümliche
Grazie und kecke Leichtigkeit, ihre sorglose
nicht zu trübende Heiterkeit, das ist auch
der Kunst zu eigen. Leicht und graziös,
wie das ganze Leben dieses harmlos ge-
nießenden Geschlechtes, glitt sie, geführt
von Liebesgöttern und von schmeichlerischen
Winden geküßt, mühelos dahin. Erst heute
versteht man sie wieder, die reizenden
Meister des Jahrhunderts der Eleganz.

Die Maler aller Epochen sahen die
Natur mit ihren eigenen Augen an, also
mit den Augen ihrer Zeit und ihres Volkes.
Darum erscheint die Kunst jeder Periode
als „der Spiegel und die abgekürzte Chronik"
ihres Zeitalters. In unverrückbarer Majestät
rafft sie die Außenwelt zu sich heran und
giebt ihr, als beseelende Macht sich fühlend,
ihr eigenes unendlich erhöhtes Bild zurück. Sie ist der verklärte Ausdruck der Zeit, giebt sich so fromm, so
frisch, so fanatisch oder so unnatürlich, wie das Zeitalter selbst. Und das ist auch das Große der Rokokomaler,
daß sie die Unnatur der Zeit mit so unerreichter Natürlichkeit malten. Gerade diese unendlich verschiedenen

Frühling, von L. vautier d. I.

Kunst für Alle VIN.

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