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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Adelung, Sophie von: Eine Plauderei über Modelle
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0075

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Eine Plauderei über Alodelle. von 5. v. Adelung

5Z

Einladungskarte, von L. Schmid - Reutte

Llne V^uderei

Von 8. v.

giebt wohl kein schöneres, idealeres, fast möchte
ich sagen, durchgeistigteres Schaffen auf dieser Gottes-
welt, als ein Menfchenantlitz mit all' feinen Eigentüm-
lichkeiten nicht als bloße Kopie, sondern gleichsam mit
dessen innerstem Selbst und seinem selischen Ausdruck
wiederzugeben. Es liegt etwas Göttlich-Schöpferisches
in solcher Arbeit und wem sie zur Zufriedenheit gelingt,
der mag wohl für kurze Zeit wenigstens alle Sorgen
des Lebens vergessend, frei und hoch aufatmen, wie in
reinerer Bergesluft.

Was aber kann langweiliger sein, als Stunde auf
Stunde — eine lebendige Puppe — dem Maler für das
Bild zu sitzen? Giebt es einen eintönigeren und den
Müßiggang mehr fördernden Beruf als das „Modell-
stehen"?

Und doch muß man hoffen, daß nie eine Kunst-
epoche anbrechen wird, in der wir, nur auf die inneren,
geistigen Eingebungen lauschend, uns einbilden, das
Modell vollständig entbehren zu können! Ebensowenig
ist aber eine Zeit denkbar, wo wir ganz auf das Modell
gestützt, von diesem die geistige Bedeutung unsres Bildes
verlangen und durch getreues Kopieren eine volle, per-
sönliche Individualität — wie für das Genre, so für das
Bildnisfach zu erlangen hoffen. Ohne Modelle kann der
richtige Künstler wohl niemals etwas wirklich Lebens-
fähiges schaffen — ausgenommen denn, er wäre Land-

über Modelle

Adelung

schafter, und selbst dann hängt er ganz von der Gunst
und den jeweiligen Launen seines einen, großen Modelles
ab — der Natur.

Es giebt Modelle und Modelle: bezahlte, berufs-
mäßige, förmlich geschulte, wie sie in den großen Kunst-
städten zu finden sind, sogenannte „Gefälligkeitsmodelle",
deren Erlangung am schwierigsten ist und zuletzt am
schwersten ausgewogen werden muß, und endlich solche,
die, nachdem sie einem Künstler wochenlang mit mehr
oder minder Geduld gesessen haben, ihm noch einen hohen
Preis dafür zahlen. Unter den letzten meine ich die-
jenigen Menschen, welche ihr Porträt machen lassen, und
habe mich schon oft darüber gewundert, wie es kommen
mag, daß gerade solche Bilder, bei welchen man es mit
einem durchaus ungeschulten Modelle zu thun hat, wenn
gut gemalt, die Stellung, den Gesichtsausdruck, den
Habitus der individuellen Persönlichkeit oft so frappant
wiedergeben, daß sie, wie jemand einst richtig bemerkte,
fast noch ähnlicher als das Original selber sind. Und
befragt man den betreffenden Künstler, so wird er ge-
wöhnlich antworten: „Der oder die —? Nicht eine
Sekunde lang hat er oder sie stillgehalten. Bald wurde
nach rechts geguckt, bald nach links, die ganze Zeit über
mußte ich unterhalten und vorplaudern — der Himmel
weiß was! Es war eine anstrengende Arbeit, das kann
ich Sie versichern!" Schaut man nun aber das Bild
 
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